Archiv für den Monat: Januar 2013

51. VGT – wird er was bewegt haben?

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Am vergangenen Freitag (25.01.2013) ist der 51. VGT zu Ende gegangen. Inzwischen sind die Ergebnisse veröffentlicht worden (vgl. hier die Empfehlungen des 51. VGT). Mich interessieren von der Thematik her natürlich besonders die Ergebnisse der Arbeitskreise IV und V, die anderen AK mögen es mir nachsehen.

Zu „Arbeitskreis IV Geschwindigkeitsmessungen im Straßenverkehr“ gibt es folgende Empfehlungen:

I. Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit

  • Die Akzeptanz von Geschwindigkeitsmessungen muss erhöht werden. Deswegen sind Ort, Zeit und Auswahl der Messstellen ausschließlich an der Verkehrssicherheit und dem Umweltschutz (insbesondere Schutz vor Lärm und Luftverschmutzung) auszurichten.
  • Eine Aus- und Fortbildung des Messpersonals ist zwingend erforderlich und muss in der Gebrauchsanweisung vorgeschrieben sein. Sie hat sich an dem jeweils aktuellen technischen Stand der Messanlage zu orientieren und ist nachvollziehbar zu dokumentieren.
  • Der Arbeitskreis fordert die Einführung einheitlicher Messprotokolle als Bestandteil der Zulassungsgenehmigung. Zu diesem Zweck empfiehlt der Arbeitskreis die Bildung eines gemeinsamen Gremiums der damit befassten Personen und Institutionen.
  • Die Gebrauchsanweisungen der Messgeräte sind nur dann zulassungsfähig, wenn sie technisch und sprachlich eindeutig formuliert sind.

II. Akteneinsichtsrechte

  • Alle zur Beurteilung der Messung gehörenden Informationen – wie insbesondere die Gebrauchsanweisung und der vollständige Datensatz der jeweiligen Messreihe – müssen dem Verteidiger und dem beauftragten Sachverständigen von der Verwaltungsbehörde ohne zusätzliche Kosten zur Verfügung gestellt werden. Dazu hat die Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB) den Herstellern in der Bauartzulassung die entsprechende Offenlegungsämtlicher technisch greifbarer Daten zur Überprüfung der konkreten Messung aufzuerlegen.

III. Standardisierte Messverfahren

  • Änderungen der Gerätesoftware sind nach § 26 Eichordnung zu behandeln. In noch nicht bestandskräftig erledigten Fällen von Messungen mit der alten Softwareversion kann ein konkreter Anhaltspunkt vorliegen, der eine Überprüfung der Messung notwendig macht.
  •  Standardisierte Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung erfordern eine Foto- oder Videodokumentation.

Und mich interessiert natürlich Arbeitskreis V – Änderungen des Punktesystems – mit der dort behandelten Punktereform. Die Empfehlungen da lauten:

1. Der Deutsche Verkehrsgerichtstag begrüßt es, dass die Bundesregierung die Impulse des 47. Deutschen Verkehrsgerichtstags 2009 aufgegriffen hat, das Mehrfachtäterpunktsystem einfacher und transparenter zu gestalten. Das gilt insbesondere für die Abschaffung der Tilgungshemmung.

2. Allerdings ist der Arbeitskreis nahezu einhellig der Auffassung, dass dem Gesetzesvorschlag der Bundesregierung in der vorliegenden Fassung nicht zugestimmt
werden kann:

a) Durch die Beibehaltung des Tattagprinzips und der damit verbundenen Überliegefrist im vorliegenden Entwurf bleibt das System für alle Beteiligten nach wie vor intransparent.
Deshalb fordert der Arbeitskreis, durchgehend das Rechtskraftprinzip verbindlich festzuschreiben.
b) Der Arbeitskreis fordert weiter, die Möglichkeit des Punkteabbaus durch Absolvieren freiwilliger Maßnahmen beizubehalten.
c) Es wird empfohlen, die durch die vorgeschlagene Anhebung der Verwarnungsgeld- Obergrenze entstandenen Unstimmigkeiten mit der Bußgeldkatalog-Verordnung zu
überprüfen.
3. Der Arbeitskreis äußert Bedenken, ob es erforderlich ist, das bisherige 18-Punkte-System zugunsten des vorgesehenen 8-Punkte-Systems aufzugeben.
4. Der Arbeitskreis hat zudem Zweifel, ob Zuwiderhandlungen in dem von der Bundesregierung geplanten Umfang aus der Bepunktung herausgenommen werden sollten.
5. Der Arbeitskreis empfiehlt, das jetzt vorgeschlagene neue Fahreignungsseminar zum Thema eines der nächsten Verkehrsgerichtstage zu machen.

Nun, wenn nur ein Teil der Empfehlungen aus dem AK IV umgesetzte würde, hätte sich die Diskussion der letzten Jahre gelohnt und wäre fruchtbar gewesen. Aber ich habe so meine Zweifel, ob sich diese Empfehlungen gegen die Lobby der Gerätehersteller durchsetzen lassen. Andererseits: mit den KG und OLG Naumburg-Entscheidungen ist man auf dem richtigen Weg. Und argumentativ kann man die Empfehlungen sicherlich verwenden.

Zu AK V: Da habe ich noch stärkere zweifel, ob „dieser“ Bundesverkehrsminister willens ist, seine Vorschläger noch einmal zu überdenken. Die Kritik an seinen Plänen ist zwar mehr als deutlich (vgl. u.a. auch dazu hier), P. Ramsauer hat die Reform aber schon verteidigt (vgl. dazu hier). Das heißt wahrscheinlich: Augen zu und durch. Na auch gut, dann ist der Berichtsstoff in den verkehrsrechtlichen Zeitschriften auf absehbare Zeit gesichert.

Sonntagswitz: Dämliche Diebe XIX

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Wir setzen die Reihe „Dämliche Diebe“ fort – leider etwas verspätet 🙂

Nach einem gelungenen Überfall mit Maschinenpistolen wollten zwei 29jährige Magdeburger Bankräuber ihre Beute – 5000 DM .- auf der Reeperbahn verprassen.
Den Wagen parkten sie in einer Nebenstraße, vergaßen dabei aber, ihre offen auf dem Rücksitz liegenden Pistolen im Kofferraum zu verstauen. Diese fielen einer Polizeistreife auf, der Wagen wurde sichergestellt.

Später meldeten sich die ahnungslosen Ganoven auf der Davidswache. „Ihr Auto sei , weil falsch geparkt, wohl umgesetzt worden“, meinten sie. Daraufhin erfolgte die Festnahme.

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Ähnlich:

Dümmer als die Polizei erlaubt zeigte sich ein Einbrecher aus Datteln in Karlsruhe:
Er wurde festgenommen, als er sein von der Polizei abgeschlepptes, mit Diebesgut vollgestopftes Auto persönlich von der Wache abholen wollte.
Der Wagen des 27 Jahre alten Mannes war Polizisten aufgefallen, weil er an einer abgelaufenen Parkuhr stand. Beim näheren Hinsehen entdeckten die Beamten unter anderem mehrere Geldkassetten, Taschen mit Münzgeld, viele Schlüssel sowie Hämmer. Das Auto wurde beschlagnahmt und der 27jährige geschnappt, als er auf der Wache auftauchte.

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Nach seiner Entlassung sollte der 24jährige William Singleton im Vorraum des Polizeipräsidiums auf sein Taxi warten.
Um sich die Zeit zu vertreiben, brach er den polizeieigenen Süsswarenautomaten auf und stahl einen Schokoriegel für 60 Cents.

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Und dann war da noch:

Die im US-Bundesstaat Arizona ansässige Firma ‚Guns For Hire‘ inszeniert authentisch aussehende Schiessereien und Pistolenkämpfe für die amerikanische Filmindustrie.
Eines Tages ging ein Auftrag ein, der trotz guter Bezahlung nicht angenommen werden konnte: Eine 47jährige Anruferin forderte die Ermordung ihres Mannes. Die erhielt 4-1/2 Jahre Knast wegen Anstiftung zum Mord.

Wochenspiegel für die 4. KW, das war die Dachlawine, das Falschenaussagenkarussell und der unfallversicherte Kuhretter

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Aus der 4. KW. ist hinzuweisen auf folgende Beiträge, nämlich auf – nicht unbedingt nur Straf- und Bußgeldrecht -:

  1. die verloren gegangene (?) Unschuldsvermutung,
  2. über Werbeflyer an Auto und Fahrrad, und wie man sich dagegen wehrt,
  3. die außer Kontrolle geratene Akte (im Zivilverfahren),
  4. ein Falschaussagenkarussell,
  5. die 9 wichtigsten Entscheidungen aus der letzten Zeit zum File-Sharing,
  6. die Fahrerlaubnisentziehung bei absurder politischer Äußerung,
  7. zur Glaubwürdigkeitsprüfung bei Aussage-gegen-Aussage-Konstellation,
  8. die winteraktuelle Dachlawinen,
  9. das Verfahren um den getöteten Wolf,
  10. und dann war da noch der unfallversicherte Retter einer Kuh.

 

Das feindliche Grün bei nicht aufklärbarem Unfallhergang

Der Kampf/Streit um die Haftungsverteilung spielt im Verkehrszivilrecht in der Praxis eine erhebliche Rolle. Mit den insoweit bedeutsamen Fragen befasst sich im Fall des sog. „feindlichen Grün“ das OLG Frankfurt, Urt. v. 09.10.2012, 22 U 109/11, das bei unaufklärbarem Unfallhergang im Falle von feindlichem Grün zu einer Haftungsverteilung von 50% kommt.

In dem Verfahren ging es um eine Zeugenaussage eines Beifahrers, dem das LG nicht gefolgt war. Das OLG stützt das: Es sei grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls, ob durch die Aussage eines einzelnen Zeugen, der dazu noch Beifahrer ist, die Überzeugung des Richters von der Richtigkeit seiner Aussage erreicht werde. Auch wenn sich ein Zeuge ganz sicher sei (hier: dass der Fahrer an der roten Ampel angehalten hat und dann losgefahren ist), Fehler in seiner Wahrnehmung bei der Vernehmung nicht erkennbar waren, und wenn die Aussage auch sonst keine Anhaltspunkte zeige, die für eine Beeinflussung des Zeugen durch andere Faktoren sprechen könnten, und wenn der Zeuge offensichtlich auch einen glaubwürdigen Eindruck gemacht habe, so reiche dies nicht aus, um die Voraussetzungen zu erfüllen, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Würdigung von Zeugenaussagen gefordert werden.

Man fragt sich: Was denn noch. Nun dafür hat das OLG einen Hinweiss:

Es ist deshalb erforderlich (BGH v. 30.7.1999 – 1 StR 618/98, NJW 1999, 2746; BVerfG v. 30.4.2003 – 2 BvR 2045/02, NJW 2003, 2444), in erster Linie Anhaltspunkte zu finden, die dafür sprechen, dass die Auskunftsperson die Wahrheit sagt (BGH v. 29.4.2003 – 1 StR 88/2003, NStZ-RR 2003, 245). Dabei nimmt man zunächst an, die Aussage sei unwahr (sog. „Nullhypothese“ – BGH, aaO.). Diese Annahme überprüft man anhand verschiedener Hypothesen. Ergibt sich, dass die Unwahrhypothese mit den erhobenen Fakten nicht mehr in Übereinstimmung stehen kann, so wird sie verworfen, und es gilt die Alternativhypothese, dass es sich um eine wahre Aussage handelt. Dies bedeutet, dass jede Zeugenaussage solange als unzuverlässig gilt, als die Nullhypothese nicht eindeutig widerlegt ist.

Schön. Die Zivilrichter schauen über den Tellerrand :-).

 

Da wollte eine Strafkammer offenbar etwas Gutes tun, hat aber nicht geklappt.

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Da wollte eine Strafkammer beim LG Berlin den Angeklagten offenbar etwas Gutes tun, nämlich nicht so hohe Strafen verhängen. Das hat aber nicht geklappt. Der BGH hat das ihm zu milde Urteil mit dem BGH, Urt. v. 29.11.2012 – 5 StR 493/12 – aufgehoben.

Verhängt hatte das LG wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung gegen den Angeklagten S. eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und gegen den Angeklagten B. eine solche von drei Jahren und vier Monaten verhängt. Nach den Feststellungen des LG hatten sich die Angeklagten und ein unbekannt gebliebener Mittäter unter einem Vorwand Zugang zur Wohnung der Nebenklägerin, einer Arbeitskollegin des Angeklagten S. verschafft. Der Angeklagte B. forderte die Nebenklägerin und ihren anwesenden Partner auf, Geld und Marihuana herauszugeben, und bedrohte beide mit einem großen „machetenartigen“ Messer; er drohte, den Partner der Nebenklägerin „abzustechen“ und ihm die Finger abzuschneiden, wobei er mehrfach Stichbewegungen in unmittelbare Nähe des Körpers des Mannes ausführte. Zudem drohte er, die Nebenklägerin im Badezimmer zu vergewaltigen. Währenddessen stand der Angeklagte S. mit einem Teleskopschlagstock an der Tür zum Flur, der dritte Täter hielt ein Messer in den Händen. Die Nebenklägerin übergab aus einer Geldkassette 20 € und etwas Marihuana, woraufhin der Angeklagte B. ihnen weiter drohte, sie „sollten ihn nicht ‚verarschen?, sonst käme er mit allen seinen Leuten“ (UA S. 5). Als daraufhin der Partner der Nebenklägerin die Geldkassette durch die geschlossene Balkontür warf und laut um Hilfe rief, flüchteten die Täter mit der Beute.
Zur Strafzumessung führt der BGH aus:

Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung bei jedem der Angeklagten einen minder schweren Fall nach § 250 Abs. 3 StGB angenommen. Dabei hat es zu ihren Gunsten neben den „umfassenden“ Geständnissen und der erwartbar geringen Beute vor allem berücksichtigt, dass „die Schlag- und Stichwaffen nicht so gefährlich waren, wie etwa eine scharfe Schusswaffe“ (UA S. 7). Als maßgeblich für die Strafrahmenwahl erachtete es die Strafkammer zudem, dass die Tatausführung „dilettantisch und unprofessionell“ gewesen sei, weil die Täter nicht maskiert waren und der Angeklagte S. der Nebenklägerin bekannt war (UA S. 8). Die Anwendung des Strafrahmens nach § 250 Abs. 2 StGB hielt sie „für nicht geboten und unangemessen, zumal die Mindeststrafe wegen des Gewichts der straferhöhenden Umstände bei der Festsetzung der Strafen nicht nur unbeträchtlich erhöht werden müsste“ (UA S. 8).

 2. Diese Begründung für die Annahme minder schwerer Fälle nach § 250 Abs. 3 StGB bei beiden Angeklagten hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Durchgreifenden Bedenken begegnet bereits die Erwägung, die verwendeten Schlag- und Stichwaffen seien nicht so gefährlich, wie eine „scharfe Schusswaffe“. Das Landgericht berücksichtigt dabei nicht ausreichend die konkreten Umstände des Waffeneinsatzes (Überfall in einer Ein-Zimmer-Wohnung durch drei bewaffnete Täter; körpernahe Stichbewegungen mit dem „machetenartigen“ Messer), die für die Beurteilung der Gefährlichkeit der Waffen von erheblicher Bedeutung sind. Bei der Bewertung der Tatausführung als „dilettantisch und unprofessionell“ aufgrund der unterlassenen Maskierung der Täter zieht das Landgericht nicht in Betracht, dass die Nebenklägerin wusste, „dass der Angeklagte S. mit einer Rockergruppierung in Kontakt stand“ (UA S. 7), und sich die Angeklagten deshalb möglicherweise darauf verließen, von ihr nicht angezeigt zu werden. An anderer Stelle hat das Landgericht der Drohung des Angeklagten B. , er werde „seine Leute“ vorbeischicken, in diesem Zusammenhang besonderes Gewicht beigemessen (UA aaO). Angesichts des Tatbildes und insbesondere der Reaktion des Angeklagten B. auf die Übergabe eines nur geringen Bargeldbetrages und einer kleinen Menge Rauschgift ist auch die Annahme einer geringen Beuteerwartung der Täter nicht ohne Weiteres nachvollziehbar.

Sachlich unzutreffend und mithin rechtsfehlerhaft ist schließlich die Kontrollerwägung des Landgerichts, dass bei Anwendung des Regelstrafrahmens die Mindeststrafe erheblich hätte erhöht werden müssen. Es ist abwegig anzunehmen, dass unter Berücksichtigung der hier gegebenen straf-mildernden Gesichtspunkte eine erhebliche Erhöhung der in § 250 Abs. 2 StGB vorgesehenen Mindeststrafe zwingend erforderlich gewesen wäre. Die hohe Untergrenze dieses strengen Strafrahmens trägt der hohen Gefährlichkeit der umfassten Taten bereits Rechnung. Dies zwingt bei Vorliegen von Milderungsgründen, wenn sie nicht zur Annahme eines minder schweren Falles hinreichen, ungeachtet – wie hier – gegebener Erschwerungsgründe nicht zu deren Anhebung.“

Also mit der Begründung ein untauglicher Versuch. Und „abwegig“ liest man nicht so gerne.