Beweiswürdigung: Warum hat der Zeugen seine Aussage geändert?

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Häufig schreiben die Tatgerichte nach Auffassung des BGH zu viel, was dann vom Revisionsgericht hin und wieder auch gerügt wird und darauf hingwiesen wird, dass die Urteilsgründe kein Roman sein sollen. In manchen Fällen wird aber auch zu wenig bzw. zu knapp geschrieben. Und das ist nicht selten bei der Beweiswürdigung der Fall, wenn es um eine „Aussageänderung“ geht. Dann muss das Tatgericht die Motive des Zeugen untersuchen und ggf. näher darlegen. So auch der BGH, Beschluss v. 19.04.2012 – 2 StR 5/12:

„Das Tatgericht ist zwar nicht schon aufgrund des Zweifelssatzes an der Verurteilung gehindert, wenn „Aussage gegen Aussage“ steht. Wird die Tat vom Tatopfer selbst geschildert, so kann der Angeklagte auf dieser Grundlage verurteilt werden, wenn das Tatgericht von der Glaubhaftigkeit der Aussage des einzigen Belastungszeugen überzeugt ist. Es muss sich jedoch insbesondere dann, wenn eine Aussageänderung eingetreten ist, bewusst sein, dass die Aussage dieses Zeugen einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen ist (vgl. BGHSt 44, 153, 158). An einer lückenlosen Gesamtwürdigung der Indizien fehlt es hier jedoch.

Die Nebenklägerin hatte in einem früheren Verfahren wegen Straftaten des Angeklagten zum Nachteil anderer Geschädigter in zwei Tatsacheninstanzen als Zeugin ausgesagt, sie selbst sei nicht von ihm sexuell missbraucht worden. Danach wurde sie wegen vorsätzlich falscher uneidlicher Aussage straf-rechtlich verfolgt. Sie wandte sich daraufhin an eine Sozialarbeiterin und bekundete dieser gegenüber, der Angeklagte habe auch mit ihr „alles“ gemacht. Nach anwaltlicher Beratung gab sie eine Falschaussage im vorangegangenen Strafverfahren zu, erstattete Strafanzeige und belastete den Angeklagten im Sinne der Urteilsfeststellungen. Das Landgericht hat angenommen, für eine nunmehr gemachte Falschaussage zum Nachteil des Angeklagten bestünden „keinerlei Anhaltspunkte“. Das gegen sie gerichtete Strafverfahren ergebe kein Falschaussagemotiv. Diese Würdigung ist für das Revisionsgericht nicht nachprüfbar. Das Landgericht hat nicht mitgeteilt, wie die Nebenklägerin als Zeugin die Frage danach beantwortet hat, warum sie im vorangegangenen Strafverfahren in zwei Tatsacheninstanzen jeweils eine Tatbegehung des Angeklagten zu ihrem Nachteil in Abrede gestellt hatte. Ferner ist nicht dargetan, welche Angaben die Sozialarbeiterin als Zeugin zu dem Gespräch mit der Nebenklägerin gemacht hat, in dessen Folge eine Aussageänderung eingetreten ist. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf diesen Darstellungsmängeln beruht, weil das Aussagemotiv hier von zentraler Bedeutung für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der belastenden Angaben ist. Deshalb muss die Sache neu verhandelt und entschieden werden.

Beweiswürdigung ist nicht einfach und manchmal eine Gratwanderung.

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