„Unverzüglich“ ist nicht sofort – jedenfalls bei der Pflichtverteidigerbestellung

Inzwischen kann man es als h.M. in der obergerichtlichen Rechtsprechung bezeichnen, dass „unverzüglich“ nach Beginn der Vollstreckung i.S. des § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO nicht sofort bedeutet, sondern auch in den Fällen der Beiordnung nach § 140 Abs. 1 Nr. StPO dem Beschuldigten/Angeklagten eine angemessene Frist zur Auswahl/Bestimmung eines Pflichtverteidigers seiner Wahl einzuräumen ist. So vor kurzem der OLG Dresden, Beschl. v. 04.04.2012 – 1 Ws 66/12 – und auch (noch einmal) der KG, Beschl. v. 30.04.2012 – 4 Ws 40/12

„Zwar wird der zu bestellende Verteidiger von dem Vorsitzenden ausgewählt; dem Beschuldigten muss aber Gelegenheit gegeben werden, innerhalb einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist einen Rechtsanwalt zu bezeichnen, § 142 Abs. 1 Satz 1 StPO. Da gemäß § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO der vom Beschuldigten bezeichnete Verteidiger zu bestellen ist, wenn nicht wichtige Gründe entgegenstehen, begründet die Vorschrift des § 142 Abs. 1 Satz 1 StPO entgegen ihrem Wortlaut („soll“) eine Anhörungspflicht, von der nur in seltenen Ausnahmefällen abgewichen werden kann (vgl. Senat Beschluss vom 3. Dezember 2008 – 4 Ws 119/08 – , m.w.Nachw.). Dem Beschuldigten ist dabei eine angemessene Überlegensfrist zur Stellungnahme und Auswahl eines Verteidigers zu gewähren. Dies gilt auch in Haftsachen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 2. Februar 2011 – 2 Ws 50/11 – = StV 2011, 349). Der Wortlaut des Gesetzes, wonach die Bestellung „unverzüglich“ nach Beginn der Vollstreckung zu erfolgen hat (§ 141 Abs. 3 Satz 4 StPO), steht dem nicht entgegen. Dies besagt lediglich, dass dem Verfahren wegen der Freiheitsentziehung auch insoweit besonders beschleunigt Fortgang zu geben ist. Ein Vorenthalten jeglicher Möglichkeit, nach einer Überlegensfrist von im Regelfall mindestens einigen Tagen Stellung zu beziehen, hat der Gesetzgeber damit ersichtlich nicht bezweckt, zumal er die Anhörung nach § 142 Abs. 1 Satz 1 StPO in Haftsachen nicht hat entfallen lassen.“

Wird das Auswahlrecht des Beschuldigten nicht beachtet, kommt es zur Entpflichtung/Umpflichtung/Auswechselung, wie immer man das nennen will. Auch das ist inzwischen h.M. der Obergerichte.

 

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