DNA-Gutachten durch den BGH – geht das?

© Dan Race - Fotolia.com

Man ist erstaunt, wenn man das Procedere liest, dass dem BGH, Beschl. v. 25.04.2012 – 5 StR 444/11 zugrunde liegt und das der BGH in seinem Beschluss dann wie folgt darstellt:

„a) Dem in die Hauptverhandlung eingeführten Sachverständigengutachten des Landeskriminalamts Niedersachsen und der Zeugenaussage des ermittelnden KHK B. zufolge war einer Person mit den Personalien des Angeklagten im Jahre 2008 in Umsetzung einer Anordnung nach § 81g StPO eine Speichelprobe entnommen, anhand dieser ein DNA-Identifizierungsmuster erstellt, das Material allerdings wegen der vorangegangenen Notierung eines Aliasnamens – behördlicher Übung folgend – unter der polizeilichen Führungspersonalie „S. D. geb. 1982“ in die DNA-Analyse-Dateieingestellt worden. Ausweislich eines Gutachtens des hessischen Landeskriminalamtes war am Tatort im Fall 1 der Urteilsgründe eine Blutspur („Wattetupfer Nr. 1“) gesichert worden, die dasselbe DNA-Identifizierungsmuster aufwies wie das unter den Personalien des „S. D. geb. 1982“ gespeicherte.

Die Verteidigung hat beantragt, „ein DNA-Identifizierungsmuster des Angeklagten“ und ein „rechtsmedizinisches Sachverständigengutachten einzuholen“. Das Gutachten werde ergeben, „dass das DNA-Identifizierungsmuster des Angeklagten nicht mit den unter den Personalien ‚S. D. geb. 1982‘ gespeicherten Daten identisch ist“.

Die Strafkammer hat diesen Antrag unter Berufung auf § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, aufgrund von Gutachten des Landeskriminalamtes Niedersachsen vom 22. März 2011, betreffend das unter den Personalien des „S. D. geb. 1982“ gespeicherte DNA-Identifizierungsmuster, und des hessischen Landeskriminalamtes vom 31. März 2011 zu dessen Vergleich mit der Tatortspur sei erwiesen, dass „der Angeklagte (Herr S. D. geb. 1982)“ Verursacher der Tatortspur sei, so dass das Gegenteil der behaupteten Tatsache erwiesen sei. Der Einholung eines weiteren Gutachtens bedürfe es nicht. Insbesondere gehe das Gutach-ten nicht von unzutreffenden Voraussetzungen aus. Bei dem im Gutachten des Landeskriminalamtes Niedersachsen untersuchten Material handele es sich um solches, das vom Angeklagten stamme. Der Zeuge KHK B. habe glaubhaft angegeben, dass im damaligen Ermittlungsverfahren der Staatanwaltschaft Braunschweig im Rahmen erkennungsdienstlicher Erfassung eine Speichelprobe vom Angeklagten genommen und unter Aliaspersonalien des Angeklagten abgelegt worden sei, weil dessen 2008 abgenommene Fingerabdrücke identisch gewesen seien mit unter jenem Aliasnamen im Jahre 2004 abgenommenen Fingerabdrücken. Der Zeuge KHK B. habe den Angeklagten im Hauptverhandlungstermin als diejenige Person wiedererkannt, der damals die Speichelprobe entnommen wurde. Auch die Inaugenscheinnahme eines Lichtbildes von der 2008 erkennungsdienst-lich behandelten Person habe deren Identität mit dem Angeklagten ergeben.“

Was macht der BGH? Er gibt die Anregung im Revisionsverfahren dem Angeklagten eine neue DNA-Probe zu entnehmen, deren Begutachtung dann Übereinstimmung sowohl mit der unter den Aliaspersonalien abgelegten Probe als auch mit der Tatortspur erbracht hat.

Und dann? Dann wird die Revision verworfen. Denn der BGH vermutete hinter dem Beweisantrag wegen der „erdrückenden Beweislage“ eine bewusst wahrheitswidrige Behauptung des Angeklagten und hat das durch das SV-Gutachten abgeklärt mit der Folge, dass er dann den Antrag nicht mehr als „Beweisantrag“ ansieht:

Der Senat hat hierzu das erwähnte Sachverständigengutachten eingeholt (vgl. zur Möglichkeit solchen Vorgehens im Revisionsrechtszug, bislang freilich in etwas anders gelagerten Fallkonstellationen: BGH, Urteile vom 24. November 1992 – 5 StR 500/92, BGHSt 39, 49, 53; 29. April 1997– 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 72; 30. Juli 1999 – 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 166 f.; 22. April 2004 – 5 StR 534/02, NStZ-RR 2004, 270, 271; 15. Februar 2005 – 1 StR 91/04, StV 2005, 374). Dadurch hat sich der Verdacht sicher bestätigt. Dementsprechend handelt es sich bei dem Antrag, dessen Bescheidung die Revision beanstandet, nicht um einen nach Maßgabe des § 244 Abs. 3, 4 und 6 StPO zu behandelnden Beweisantrag, sondern um einen tatsächlich nicht zum Zwecke der Wahrheitsermittlung, sondern sachwidriger Prozesstaktik gestellten missbräuchlichen Scheinbeweisantrag. Es fehlt daher erwiesenermaßen an einer Verletzung des Beweisantragsrechts.

Also: Freibeweisverfahren (?). Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob das mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH übereinstimmt. Das sieht der Senat auch, vertieft das aber nicht weiter.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert