Die Sanktionsschere der Staatsanwaltschaft

In Zusammenhang mit der Verständigungsregelung hat die Diskussion um die sog. Sanktionsschere – (zu) weites Auseinanderklaffen von bei Geständnis zu erwartender Strafe zu Straf ohne ohne Geständnis – an Bedeutung zugenommen. Meist geht es aber um eine beim Gericht angesiedelte Strafe. Der BGH, Beschl. v. 22.03.2012 – 1 StR 618/11 – behandelt hingegen mal den Fall einer Sanktionssschere auf Seiten der StA.

Das LG hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen, Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen, versuchter Steuerhinterziehung, Kreditbetruges, Betruges in zwei Fällen, vorsätzlichen Bankrotts in drei Fällen, vorsätzlicher Verletzung der Buchführungspflicht in zwei Fällen und vorsätzlicher Verletzung der Insolvenzantragspflicht in vier Fällen zu vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Der Angeklagte hat in der Revision geltend gemacht, sein Geständnissei wegen Verstoßes gegen § 136a StPO, gegen § 257c StPO und gegen den Grundsatz fairen Verfahrens unverwertbar, weil seitens der Staatsanwaltschaft für den Fall des Bestreitens eine Freiheitsstrafe zwischen acht und neun Jahren „angedroht“ worden war. Dazu der BGH:

Zur Rüge, das Geständnis des Angeklagten sei wegen Verstoßes gegen § 136a StPO, gegen § 257c StPO und gegen den Grundsatz fairen Verfahrens unverwertbar, weil seitens der Staatsanwaltschaft für den Fall des Bestreitens eine Freiheitsstrafe zwischen acht und neun Jahren „angedroht“ worden war, für den Fall des Geständnisses und umfassender Schadenswiedergutmachung indes eine solche zwischen vier und fünf Jahren, bemerkt der Senat: Angesichts der Vielzahl der Taten, der Höhe der jeweils erzielten Steuerhinterziehungserfolge und der deswegen zu beachtenden Grundsätze bei der Strafzumessung in Steuersachen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11) einerseits, einer gemäß § 46 Abs. 2 StGB zu beachtenden Strafmilderng eines umfassenden Geständnisses und einer mit besonderem Einsatz geleisteten Schadenswiedergutmachung andererseits erscheinen die von der Staatsanwaltschaft geäußerten Strafvorstellungen keinesfalls unrealistisch. Die Strafkammer hatte sich jedenfalls durch den protokollierten Hinweis, dass sie selbst keine Straferwartung geäußert und auch keine Straferwartungen anderer akzeptiert habe, hinreichend deutlich von den seitens der Staatsanwaltschaft in den Raum gestellten Straferwartungen distanziert. Die Strafkammer selbst hat im Rahmen einer dann – rechtsfehlerfrei – erfolgten Verständigung nach § 257c StPO eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen vier Jahren und vier Jahren und neun Monaten in Aussicht gestellt; durch die Verhängung einer der Untergrenze entsprechenden, den Rahmen schuldangemessenen Strafens nach unten gerade noch nicht verlassenden Freiheitsstrafe ist der Angeklagte nicht beschwert.“

Der Beschluss macht deutlich, welche Strafhöhe der 1. Strafsenat ggf. „mitgetragen“ hätte – „keinesfalls unrealistisch“ –

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