Ausdruck von 43.307 Seiten – Bekommt der Verteidiger das bezahlt?

Über den OLG Celle, Beschl. v.28.11.2011 – 1 Ws 415-418/11 ist in den Blogs schon an verschiedener Stelle berichtet worden (vgl. hier und hier). Ich will den Beschluss aber dennoch noch einmal aufgreifen. Nicht nur, weil er vom Sachverhalt her interessant ist: Abrechnung von mehr als 43.000 ausgedruckten Seiten mit der Dokumentenpauschale. Nein, auch inhaltlich lässt sich mit ihm in vergleichbaren/ähnlichen Fällen argumentieren. Denn:

Der Beschluss stellt fest,

  1. „dass die Aufwendungen für das Ausdrucken der Textdateien dem Grunde nach erstattungsfähig sind. Zwar ist der Landeskasse zuzugeben, dass in immer mehr Bereichen des beruflichen Lebens – auch in der Justiz – das Bearbeiten von Akten und Lesen von Texten ausschließlich am Bildschirm erfolgt. Wenn aber Strafverteidiger es zur sachgemäßen Bearbeitung einer – wie hier – umfangreichen und schwierigen Strafsache für erforderlich halten, die Kurzübersetzungen überwachter Telefonate in Papierform vorliegen zu haben, so ist dies jedenfalls bei dem hier zu beurteilenden, weit überdurchschnittlichen Umfang von insgesamt 43.307 Seiten auch aus Sicht eines verständigen Dritten nicht als ermessensfehlerhaft anzusehen. Letztendlich muss bei Strafverteidigern ausgeschlossen werden, dass sie hinsichtlich des ihnen zur Verfügung stehenden Aktenmaterials im Verhältnis zur Staatsanwaltschaft und dem Gericht benachteiligt werden (Müller-Rabe aaO VV 7000 Rn. 30). Ob die sich hiernach ergebenden Aufwendungen weit über den sonstigen Gerichtskosten und den Pflichtverteidigergebühren liegen, ist dabei – entgegen der Ansicht der Landeskasse – unerheblich. Der Gesetzgeber hat mit Nr. 7000 VV RVG eine – wenn auch pauschalierte – Erstattung der tatsächlich angefallenen Auslagen vorgesehen und nicht den Weg gewählt, die Höhe der Auslagenerstattung prozentual von den Gebühren abhängig zu machen.“
  2. „Nicht zu folgen vermag der Senat dem Landgericht allerdings darin, dass die Dateien nur einmal hätten ausgedruckt werden müssen und die Verteidiger die Ausdrucke untereinander hätten austauschen können. Denn das würde auf eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung hinauslaufen.Jeder Verteidiger hat also ein Recht auf einen eigenen Ausdruck. So schon vor einiger Zeit das OLG Köln.
  3. Es gilt aber der „Grundsatz der kostenschonenden Prozessführung“, der es „gebieten“ (!) kann , durch entsprechende Einstellungen beim Ausdruck die Zahl der Seiten zu verringern. Also: Aus zwei mach eins, um den Ausspruch aus einem anderen Blog aufzunehmen. Hier wird es dann schwieriger. Es heißt im Beschluss: „Der Senat hat die gefertigten Ausdrucke auszugsweise in Augenschein genommen und ist hiernach zu der Überzeugung gelangt, dass ein Lesen der Textdateien auch in einem um die Hälfte verkleinerten Format unschwer möglich und daher zumutbar gewesen wäre.“

Und was ist, wenn der Verteidiger nicht so klein lesen kann? 🙂

7 Gedanken zu „Ausdruck von 43.307 Seiten – Bekommt der Verteidiger das bezahlt?

  1. Gerd

    Es handelt sich ja um das bloße Ausdrucken der bereits eingescannten und auf CD gebrannten Akte(n). Die Rechnung ist deshalb ganz einfach:

    Dokumentenpauschale: 6500,- EUR
    Betriebskosten fürs Ausdrucken: ca. 1,5 Cent/Seite = 650 EUR.
    Personalaufwand: vernachlässigbar.
    Reinertrag ergo: knapp 6.000 EUR.

    Honi soit qui mal y pense …

  2. Uwe Groß via Facebook

    “Der Senat hat die gefertigten Ausdrucke auszugsweise in Augenschein genommen und ist hiernach zu der Überzeugung gelangt, dass ein Lesen der Textdateien auch in einem um die Hälfte verkleinerten Format unschwer möglich und daher zumutbar gewesen wäre.”Und was ist, wenn der Verteidiger nicht so klein lesen kann?

  3. Uwe Groß via Facebook

    wieder zu früh geentert! 🙁

    Die Frage ist doch: wie sieht das in der Gerichtsakte aus? Warum sollte der Verteidiger in Miniaturformat lesen, was der Richter in „Normalschrift“ vor sich hat? Steckt da in den Hinterköpfen, was das OLG Sttuttgart einmal eben so offen wie frech ausgesprochen hat: die Rechtsanwälte versuchen sich durchs Kopieren zu bereichern.
    Warum wohl läufts nicht so wie ich es in einem Mammutverfahren mit 13 Verteidigern erlebt habe: jederVerteidiger bekommt die komplette Akte *vom Gericht* in Kopie. Oder scheut man den Personalaufwand? Überlässt das Kopieren lieber den Anwälten, um denen dann die Kosten zu beschneiden?
    Fragen über Fragen!

  4. Denny Crane

    Selbst wenn man einen Drucker hat, der 15 Seiten pro Minute ausdruckt, was schon recht flott wäre, gerade wenn es sich um eingescannte Dateien handelt, benötigte man für das Ausdrucken 2.866 Minuten oder rund 48 Stunden. Da der Drucker nicht ununterbrochen in Betrieb sein kann und auch für andere Ausdrucke benötigt wird, dürfte der Druckvorgang locker 6-7 Arbeitstage in Anspruch genommen haben.

    Personalaufwand vernachlässigbar? Sollen die 43.000 Seiten im Ausgabeschacht geparkt werden? Ferner nimmt weder ein handelsüblicher Computer noch ein Drucker einen Druckauftrag von 43.000 Seiten an. Das muß man also ständig überwachen und in handlichen Päckchen ausdrucken. Eine Sklavenarbeit, die deutlich mehr als zwei Wochen in Anspruch genommen haben dürfte.

    Ob das sinnvoll war, ist eine andere Frage. Aber die Verteidigung hat ja diesen vermutlich zu 95% überflüssigen Ermittlungsaufwand nicht produziert.

  5. RA beim Frühstück

    Aus Anwaltssicht ein ganz normaler „Neidbeschluss“ des Urkundsbeamten, der dann unsinnigerweise noch zwei weitere Instanzen beschäftigt. Dass der Rechtsanwalt die Kopiekosten für die zur sachgerechten Bearbeitung notwendigen Kopien einer Ermittlungsakte erhält, steht im Gesetz und wird auch nirgendwo ernsthaft bestritten.
    Tagtäglich rechnen Rechtsanwälte diese Kosten ab; in Straf- und Zivilsachen; gegenüber der Landeskasse und dem Mandanten. Probleme gibt es ausnahmslos nur dann, wenn ein Kostenbeamter die Kosten in einer Höhe festsetzen soll, die ihm persönlich – vermutlich mit Blick auf seinen Gehaltszettel- unangemessen erscheinen. Übersehen wird dabei regelmäßig, dass
    a) der Rechtsanwalt nicht zu vertreten hat, dass die Ermittlungsakten über 40.000 Seiten umfassen und
    b) er auch die Kostenerstattung nicht erfunden hat.
    Die Entscheidung wird in einigen blogs diskutiert und interessanterweise gehen Laien (oder Rechtspfleger?) grundsätzlich davon aus, dass der Rechtsanwalt in diesem Fall ein dickes Extra-Honorar macht („Reinertrag: 6.000,00 €“). Dabei werden die reinen Kosten für Toner, vermutlich auch noch von billigen Nahbauten, hergenommen und mit der Kostenerstattung verglichen. Der Kopierer, der über 40.000 Seiten einwandfrei kopiert und locht, bezahlt sich offenbar von selbst. Gegen diese billige Kostenrechnung würde sich jeder dieser Schreiber aber heftigst wehren, wenn sie bei der Kilometerpauschale im Steuerrecht angewendet würde; wenn also statt 0,30 € nur noch die reinen Benzinkosten von 0,09 € anzusetzen wären.
    Auch der Personalaufwand erscheint Einigen als „vernachlässigbar“. Schade, dass man ihre Telefonnummern nicht hat, sonst würde ich sie glatt einladen, diese vernachlässigbare Arbeit bitte einmal für mich zu erledigen; gratis, versteht sich. Allein das Einheften in Ordner wird Stunden in Anspruch genommen haben. Kopien einer staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten sind eine Strafe für jede gute ReNo. Nicht nur, dass ständig irgendwo sinnlos Seiten zusammengetackert sind, die man zwecks Kopie ent- und wieder vertackern muss, befinden sich die für den Rechtsanwalt wichtigen Vermerke der Staatsanwälte gerne auf Rückseiten der Seiten. 40.000 Seiten und Rückseiten zu kontrollieren, ist alles andere als vernachlässigbar.
    Der tatsächliche Aufwand verringert sich nur unwesentlich, wenn man, wie das OLG salomonisch vorschlägt, den verkleinerten Ausdruck wählt. Abgesehen davon, dass sich nirgendwo auch nur ansatzweise eine Norm finden lässt, die das „platzsparende“ Kopien auch nur im Entferntesten gebieten würde. Und warum eigentlich nur 2 auf 1? Warum nicht 4 oder 8 auf 1? Ist doch noch viel billiger!

  6. Detlef Burhoff Beitragsautor

    „Warum nicht 4 oder 8 auf 1? Ist doch noch viel billiger!“ Dann müsste die Staatskasse ggf. aber noch die Brille bzw. die Lupe bezahlen.

    Man macht die Diskussion im Übrigen doch immer an solchen „Ausnahmefällen“ fest….

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert