Die schwangere Verteidigerin und (nun) das LG Bonn – oder „Arroganz der Macht“?

Die Geschichte „Die schwangere Verteidigerin und das AG Bonn“ hat nun ein (unrühmliches) Ende beim LG Bonn gefunden. Dieses hat in LG Bonn, Beschl. v. 19.04.2011 – 22 Qs 31/11 die Beschwerde der Kollegin gegen die Ablehnung ihres Terminsverlegungsantrags durch das AG Bonn zurückgewiesen, um nicht zu sagen: Abgebügelt. Die Beschwerde sei unzulässig, jedenfalls sei die Ablehnung des Terminsverlegungsantrages der Kollegin nicht so „evident fehlerhaft“, dass das zum Erfolg der Beschwerde = zur Terminsverlegung führe.

Wenn man es liest, dann hat man schon den Eindruck, dass der Kommentar des Kollegen Melchior zur Entscheidung des AG „ekelhafte richterliche Arroganz“ nicht so ganz von der Hand zu weisen ist. Das „ekelhaft“ ist vielleicht ein bißchen dick, aber m.E. schon berechtigt ist der darin liegende Vorwurf der „Arroganz der Macht“. Denn im Beschluss setzt man sich wieder nicht konkret mit der Frage auseinander, dass die Kollegin eine Verschiebung um etwas einen Monat erbeten hatte. Er lässt m.E. auch nicht erkennen, ob man sich eigentlich der Schwierirgkeiten bewusst ist, die in solchen Situationen außerhalb des öffentlichen Dienstes bestehen. Dafür wird aber mit „denkbar“, also mit Vermutungen und Annahmen, argumentiert, wenn es heißt:

Abschließend entscheiden braucht die Kammer diese Frage jedoch nicht, da es an einer solchen evidenten Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung fehlt und zudem die Nachteile für den Betroffenen nicht von erheblichem Gewicht sind. Aus der vom Amtsgericht gegebenen Begründung für die Nichtverlegung des Termins ergibt sich, dass von einer Verlegung des Hauptverhandlungstermins deshalb abgelehnt wurde, weil für eine absehbare Zeit nicht sichergestellt sei, dass die Verteidigerin für einen Termin zur Verfügung stehe. Dies ist nicht falsch: Die Verteidigerin kann naturgemäß nur den errechneten Entbindungstermin angeben, der tatsächliche Entbindungstermin kann aber unter Umstän­den deutlich später liegen. Zudem ist es denkbar, dass es bei der Geburt zu Komplikationen kommt und/ oder zu gesundheitlichen Problemen beim Kind oder der Verteidigerin, welche letztendlich — eventuell kumuliert — die Teilnah­me an einem Hauptverhandlungstermin auch einige Wochen nach dem avisier­ten Termin nicht zulassen. Vor diesem Hintergrund besteht ein grundsätzlich anerkennenswertes Interesse des Amtsgerichts daran, den Termin bestehen zu lassen, um das bereits lange andauernde Verfahren, in dem es zudem um kei­ne besonders gewichtige Verkehrsordnungswidrigkeit geht und zudem die Ver­tretung durch einen anderen Verteidiger möglich ist, zeitnah abschließen zu können.“

Denkbar ist alles/vieles und mit der Begründung kann man jeden Terminsverlegungsantrag zurückweisen. Kein Wort zur obergerichtlichen Rechtsprechung, die die Frage bei dem vergleichbaren Fall der Erkrankung und auch sonst bei Verhinderung des Verteidigers in einigen Fällen anders gesehen hat. Ich bin gespannt, was das OLG Köln demnächst dazu sagen wird. Denn was bleibt denn jetzt noch anders, als den Betroffenen für die HV vorzubereiten, dort einen Aussetzungsantrag zu stellen, um dann dessen zu erwartende Ablehnung in der HV mit der Rechtsbeschwerde zu rügen.

Abschließend: Wenn man den Beschluss des AG Bonn und auch jetzt den des LG Bonn liest, fragt man sich: Was hätte man sich eigentlich damit vergeben, wenn man dem Antrag des Betroffenen gefolgt wäre?

Und: Die Kollegin befindet sich seit Samstag stationär im Krankenhaus, weil Wehen künstlich eingeleitet werden. Anhaltspunkte für weitere Komplikationen  sind derzeit nicht bekannt, so dass man jedenfalls derzeit davon ausgehen muss, dass ihr  eine Terminwahrnehmung in vier bis sechs Wochen möglich sein dürfte. Es ist allerdings naturgemäß nicht damit zu rechnen, dass sie am kommenden Montag in dieser Angelegenheit einen Termin wahrnehmen kann.

24 Gedanken zu „Die schwangere Verteidigerin und (nun) das LG Bonn – oder „Arroganz der Macht“?

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  2. RA JM

    … und schließlich sollen ja auch schon Frauen bei der Geburt verstorben sein.

    Wieder ein „schöner“ Beleg dafür, dass RAe zwar unabhängige, nicht aber gleichberechtigte Organe der Rechtspflege sind, wie § 1 BRAO gern fehlzitiert wird.

  3. RA Schiffchen

    Das Problem am Rechtsstaat ist die fehlende Gleichheit auch im Recht!

    Ich habe einen seit drei Monaten feststehenden und mit Zeugen geplanten Termin, wie folgt verlegt (bekommen).

    Anruf am 13. April 11 (einen Tag nach dem gewonnen Viertelfinale) beim Gericht.

    Anwalt: „Ich möchte einen Terminsverlegungsantrag stellen.“
    Richter: „Gerne, aber bitte schriftlich!“
    Anwalt: „Da man bei Gericht immer die Wahrheit sagen muss, geht das nicht!“
    Richter: „Ja und?“
    Anwalt: „Ich kann ja schlecht schreiben: „Weil ich zum Champions League Halbfinale nach Manchester fahren will. Der Königsblaue S04 ruft!
    Richter: „Das können Sie wirklich nicht schreiben. Aber ich drücke Ihnen die Daumen!“
    Anwalt: „Also wird der TErmin verlegt?“
    Richter: „Klar, wir schreiben einfach „Dienstliche Gründe“

    Glück auf

  4. cledrera

    Mich interessiert, wie der betroffene Mandant weiter verteidigt wird.
    Im Rahmen einer Hauptverhandlung, die sich durch vertrauensvollen Umgang der Rechtspflegeorgane miteinander auszeichnet?
    Wollen wir hoffen, dass der Angeklagte keinen Konfliktverteidiger mandatiert oder?

  5. Alan Shore

    Terminsverlegungsanträge sollte man mit dieser Begründung stets zurückweisen. Urlaubsreise? Kann man verlegen! Und überhaupt: wenn sich der Anwalt beim Bergwandern den Fuß bricht, ist er auf unabsehbare Zeit nicht verfügbar! Schließlich kann ein Anwalt nur den berechneten Urlaubstermin angeben, nicht aber die Unwägbarkeiten, die sich aus einem Fluglotsenstreik, einer Naturkatastrophe oder einem Unfall ergeben. Das geht doch nicht, daß Anwälte sich solchen Risiken aussetzen und damit die Terminierung des Gerichts gefährden! Im übrigen: wer zu blöd ist zu verhüten oder im öffentlichen Dienst zu arbeiten, ist selbst schuld. Und der Mandant gleich mit. Wer eine schwangere Anwältin beauftragt, gehört allein dafür bestraft.

    Ich kenne Richter, die in diesem Sinne argumentieren, sich aber nach einem vierwöchigen Urlaub zwei Wochen krank melden, weil sie sich durch die Klimanlage im Flugzeug erkältet haben… Es lebe der öffentliche Dienst!

  6. RA ST

    @ Detlef Burhoff

    Zitat: „die Kollegin liegt ja nun leider im Krankenhaus. und ihr Sozius macht nur Zivilsachen“

    Laut vielen Amtsgericht ist Letzteres doch gar kein Problem, es geht ja „nur“ um eine läppische Verkehrs-OWi. Habe ich oft genug als FA f. Verkehrsrecht erleben müssen. In solchen Fällen ruft mein Kollege (FA f. Arbeitsrecht) dann meist selbst beim Gericht an und fragt, ob der/die Richter/in sich denn bei Zahnschmerzen auch mit einer Behandlung vom Augenarzt zufrieden geben würde 😉 Erstaunliches Ergebnis zumeist: der Termin wird verlegt, so habe man das ja noch gar nicht betrachtet 🙂

  7. Torsten G.

    @RA ST

    Augenheilkunde und Zahnheilkunde sind aber zwei grundsätzlich unterschiedliche Gebiete, während wir in der juristische Ausbildung den Volljuristen haben, der grundsätzlich alles können muß. Und der Anwalt darf auch alles, sogar Steuerberatung, obgleich das wirklich niemand in der Ausbildung gelernt hat.

    So sah das auch der Vorsitzende Richter am hiesigen Oberverwaltungsgericht, als er sich weigerte, einen Termin zu verlegen. Der Sozius könne doch kommen, der müsse von Berufs wegen auch Verwaltungsrecht können. Wenig später traf ich den Herrn Vorsitzenden als Kläger in einer amtsgerichtlichen Zivilsache wieder, in Begleitung eines Anwalts. Weshalb er sich denn nicht selber vertrete, habe ich ihn gefragt. Antwort: Zivilrecht könne er nicht, da benötige er einen Anwalt…

  8. RA ST

    @ Torsten G.

    Wie jetzt? Ich dachte, sowohl Zahnarzt als auch Augenarzt müssten ein grundlegendes Medizinstudium erfolgreich absolviert haben, oder lernt man Augenarzt jetzt direkt auf der FH 😉 Da hat der Herr Richter am OLG wohl etwas missverstanden. Und die Antwort dieses Herren impliziert doch dann im Rückschluss, dass nach seiner eigenen Argumentation dortige Richter keine Volljuristen sind, oder zumindest er nicht, wenn er kein Zivilrecht kann, oder 😉 🙂

  9. Miraculix

    In solchen Fällen hilft der Befangenheitsantrag,
    der 10 Min. vor dem Termin eingereicht wird.
    Die Terminverschiebung ist sicher…

  10. RA Heimes

    Also etwas unfair finde ich den Beitrag schon. Wenn man die Entscheidung des LG vollstaendig liest dann steht da doch, dass grundsaetzlich eine Beschwerde ausgeschlossen ist und nur in den Faellen evidenter Rechtswidrigkeit und die Nachteile fuer den Betroffenen von erheblicher Bedeutung sind. Also wenn es jetzt um ein 35 Euro-Knoellchen ging ist die Entscheidung dann ja nur konsequent. Wuerde mich sehr interessieren, Kollege Burhoff, ob es wirklich um wichtige Dinge da ging vor Gericht?

  11. RA Heimes

    Vorstehend muss es natuerlich heissen, dass das LG nur eingreiden durfte, wenn evident rw und Folgen fuer den Betroffenen erheblich. Wenn das Gesetz so ist finde ich die Entscheidung des LG nicht wirklich falsch…

  12. RA Heimes

    … wofuer man dann auch das Gesetz ignorieren kann?

    Dann koennten wir ja solche Dinge wie Rechtskraft und vorrangige Rechtsmittel direkt in die Tonne kloppen.

  13. RA Heimes

    Was ist daran denn nicht zu verstehen? Aus dem Beschluss des LG Bonn ergibt sich, dass eine sofortige Beschwerde gegen einen Terminsverlegungsantrag grundsaetzlich unzulaessig ist. Ausnahmsweise ist sie zulaessig, wenn die Ablehnung des Terminscerlegungsantrag evident rechtswidrig (und nicht nur ermessensfehlerhaft ist) und zudem die Folgen fuer den Betroffenen schwerwiegend. Wenn das so ist, wieso soll dann die Entscheidung des Landgerichts falsch sein.

    Um mal ein Beispiel zu nennen: Haben Sie, lieber Herr Kollege Burhoff, als Olg-Richter azs einer unzulaessigen Rechtsbeschwerde eine zulaessige gemacht und das Gesetz so hingebogen, um der Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen?

    Bei aller berechtigter Kritik an Richtern, von Arroganz der Macht zu sprechen finde ich hier etwas anmassend? Wie haetten Sie denn auf der Grundlage der Rechtsauffassung des LG entschieden? Ich weiss ja nicht, worum es geht, aber wenn es ein 35-Euro-Knoellchen war, dann konnte man ja wohl kaum von gravierenden Folgen fuer den Betroffenen sprechen, oder doch?

    Ich glaube sie verkennen einfach den unterschiedlichen Pruefungsmasstab. Sie als Olg-Richter haben da die Rechtmaessigkeit geprueft, aber eine Beschwerde ist wegen 305 Stpo halt an einem anderen Masstab zu pruefen. Diese ueberhaupt fuer zulaessig zu erachten ist ja schon Gesetzeskorrektur. Solche – wie das LG – auf extreme Faelle zu beschraenken halte ich nicht fuer falsch.

    Auch wir sollten Kritik nur dort ueben wo sie angemessen ist. Hier klingt ihr Beitrag zwar skandaltraechtig , aber wenn man die Entscheidung des LG liest, dann schiessen Sie ueber das Ziel hinaus finde ich.

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