Archiv für das Jahr: 2011

Silvester, nicht nur auf Borkum, aber da auch

Am Ende des Jahre ist immer Zeit, sich zu bedanken, bzw. muss Zeit sein, sich zu bedanken. So auch bei uns. Also daher:

Das Heymanns Strafrecht Online Blog bedankt sich am Ende des Jahres 2011 herzlich bei allen, die sich im vergangenen Jahr um unser Blog gekümmert haben. Das sind die Leser unserer Beiträge, das sind die Kommentatoren, das sind die Ideen- und Hinweisgeber auf Entscheidungen – ein besonderes Dankeschön an all diejenigen, die Entscheidungen geschickt haben – das sind aber auch und vor allem die Mitarbeiter der Technik, die im Hintergrund arbeiten und den manchmal ein wenig ungeduldigen Herausgeber ertragen müssen. An alle: Ad multos annos.

Und für all diejenigen, die immer schon mal wissen wollten, wie es denn so an Silvester auf Borkum zugeht, das nachstehende Video. Also eigentlich ganz normal :-), nur eben insofern etwas anders, weil das „offizielle“ Feuerwerk und viele private zusammentreffen. Da knallt es dann ganz schön.

Unsere TOP-Beiträge des Jahres 2011

Zum Jahresschluss dann unseren Jahresrückblick – unsere Top-Twenty des Jahres 2011. Als mir die Technik die Zusammenstellung überspielt hat – war ich dann doch überrascht, dass das Thema „Prozess gegen RA Lucas in Augsburg“ so unangefochten unter den ersten Themen zu finden ist. Dann noch die schwangere Kollegin aus Bonn – die hat übrigens inzwischen entbunden :-), das Verfahren ist aber immer noch nicht zu Ende – so viel zur Eilbedürftigkeit. Was mich überrascht: Kein gebührenrechtlicher Beitrag auf den vorderen Rängen. Das zeigt dann doch, dass die Rechtsanwälte vielleicht doch nicht so geldgierig sind, wie eine breite Öffentlichkeit es manchmal meint.

Wenn jemand einen der Top-Beiträge versäumt hat: Hier kann man das Lesen nachholen:

 

1.Sensation: Freispruch im Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg – kein Aprilscherz!01.04.2011
2.Offener Brief: Lieber Herr Staatsanwalt, ich habe genug zu tun und blogge trotzdem.10.06.2011
3.Augsburger Puppenkiste, oder was passierte am 7. Hauptverhandlungstag im Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg22.03.2011
4.Geständnisüberfall der StA und Polizei…21.03.2011
5.LG Dessau redet Tacheles zur Akteneinsicht im OWi-Verfahren06.06.2011
6.Augsburger Puppenkiste, oder was passierte am 5. Verhandlungstag im Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg08.03.2011
7.Augsburger Puppenkiste, oder was passierte am 6. Verhandlungstag im Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg21.03.2011
8.Nachlese zum Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg: Wenn der Richter nichts mehr weiß23.03.2011
9.Freispruch für RA Lucas – erste Reaktionen/Meldungen – Augsburger Puppenkiste in der Nachlese01.04.2011
10.Die schwangere Verteidigerin und das AG Bonn26.04.2011
11.Augsburger Puppenkiste, oder: Was passierte am 3. HV-Tag im Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg07.02.2011
12.Pflichtverteidigerentpflichtung: Lieber Herr Kollege, was soll das?16.03.2011
13.Auf nach Augsburg - zum Prozess gegen RA Lucas - wer fährt mit?12.01.2011
14.Augsburger Puppenkiste - oder doch: Hau den Lucas? - Gedanken zur Urteilsbegründung in Augsburg04.04.2011
15.Die schwangere Verteidigerin und (nun) das LG Bonn - oder "Arroganz der Macht"?26.04.2011
16.Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren - Stand der Gesetzgebung04.04.2011
17.Rechtspfleger als Gesetzgeber? – oder: Ich lasse mir ein RVG stricken, das mir passt.08.03.2011
18.Klassiker: Schuldanerkenntnis nach einem Verkehrsunfall?11.04.2011
19.Anhörungsrüge - mal beim BGH erfolgreich29.04.2011
20.Teilnahme am öffentlichen Verkehr - Grundregeln für Radfahrer16.07.2011

 

Machen Silvesterböller impotent?

Zum Jahresabschluss dann noch etwas Kurioses, nämlich:

Mit der interessanten Frage „Machen Silvesterböller impotent?“ hatte sich vor einiger Zeit ein Sachverständiger in einem Verfahren beim LG Bautzen zu befassen. Nein es ging nicht um die menschliche/männliche Impotenz, sondern darum, ob ein männlicher Straußenvogel durch die Silvesterknallerei impotent geworden war. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass die Straußenlust nicht wegen der Knallerei auf der Strecke geblieben war. Der Prozess endete mit einem Vergleich (vgl. hier).

Beruhigend ist es, wenn man in dem verlinkten Beitrag liest:

„Gutachter Christoph Kistner sagte dem Gericht, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Lärm und den ausbleibenden Jungtieren gebe. Strauße reagierten auf Krach zwar mit Stress und Panik und könnten sich auch einige Tage zurückziehen. Die Bildung von Spermien bleibe davon aber unberührt, sagte der Experte, der jahrelang Strauße in Afrika und Israel studierte. Ob sich Gustav selbst fortpflanzen will, konnte er nicht sagen.“

Allerdings stellt sich die Frage: Gilt das nun nur für Straußen 😉 🙂 😛

Sechs Monate Freiheitsstrafe – erhebliche rechtswidrige Tat?

Die Unterbringung nach § 64 StGB setzt die Verurteilung wegen einer erheblichen rechtswidrigen Tat voraus. Von einer solchen geht der OLG Celle, Beschl. v. 17.11.2011 – 32 Ss 140/11 – aus, wenn der Angeklagte wegen eines Vergehens der vorsätzlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung, bei der der Angeklagte im Zustand der alkoholbedingt erheblich verminderten Schuldfähigkeit einem Polizeibeamten einen gezielten Faustschlag gegen die Stirn versetzt hat, zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt worden ist, so handelt es sich um eine erhebliche rechtswidrige Tat i. S. d. § 64 StGB. Dazu heißt es:

„Zwar steht dem Tatrichter bei der Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ein Ermessensspielraum zu, und zwar sowohl materiellrechtlich gem. § 64 S. 1 StGB (als Sollvorschrift) als auch prozessual hinsichtlich der Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Sachverständigen nach § 246a S. 2 StPO in Fällen, in denen das Gericht die Anordnung der Maßregel nicht einmal erwägt (zu den Kriterien hierfür und den schon im Gesetzgebungsverfahren vertretenen unterschiedlichen Ansichten vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 246a Rn. 3 m.w.N.). Insoweit ist es auch nicht rechtsfehlerhaft, von der Hinzuziehung eines Sachverständigen abzusehen, wenn das Gericht bereits aus rechtlichen Gründen, die der Bewertung durch einen Sachverständigen entzogen sind, von der Anordnung der Maßregel absehen will, namentlich deswegen, weil die vom Angeklagten zu erwartenden Straftaten keine erheblichen Straftaten i. S. d. § 64 StGB sind oder weil die Anordnung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen würde.

 Im konkreten Fall steht jedoch zu besorgen, dass das Landgericht zu enge Kriterien an den Begriff der erheblichen rechtswidrigen Tat i. S. d. § 64 StGB angelegt hat. Zwar reichen hierfür geringfügige Taten wie der Erwerb kleiner Rauschgiftmengen zum Eigenverbrauch (BGH NStZ 1994, 280), kleine Diebstähle oder Betrügereien (BGH NStZ 1992, 178) nicht aus. Insoweit hat das Landgericht, ausgehend von der Prämisse, dass von dem Angeklagten nur solche Taten zu erwarten seien, die er schon begangen hat, rechtsfehlerfrei Taten der Leistungserschleichung und des Erwerbs von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum als erhebliche rechtswidrige Taten ausgeschlossen.

 Etwas anderes gilt jedoch insbesondere für das Anlassgeschehen selbst, das das Landgericht (wie auch die Vorverurteilung wegen Erwerbs von Kokain) als Straftaten von einer „erheblicheren Kriminalität“, aber angesichts der Freiheitsstrafe von 6 Monaten als nicht „so schwerwiegend“ bezeichnet hat. § 64 StGB setzt keine schwerwiegende Kriminalität voraus; in Abweichung von § 63 StGB ist auch keine Gefahr für die Allgemeinheit erforderlich. Das Anlassgeschehen stellt sich als empfindliche Störung des Rechtsfriedens dar, indem der Angeklagte durch den Faustschlag gezielte körperliche Gewalt gegen einen Ermittlungsbeamten eingesetzt hat. Die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bei einem nach §§ 21, 49 StGB bereits reduzierten Strafrahmen hebt die Tat deutlich aus dem Kreis geringfügiger Straftaten heraus.

 Bei der Abwägung, ob die Vollstreckung der Maßregel nach § 64 StGB gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, wird das Landgericht auch zu berücksichtigen haben, dass neben dem Vollzug der hier zu verhängenden Freiheitsstrafe auch der zu erwartende Widerruf zweier Bewährungsstrafen tritt. Zwar kann die Dauer des Maßregelvollzugs auf in anderen Verfahren verhängte Strafen nicht angerechnet werden (§ 44 b Abs. 1 Satz 2 StrVollzO); die erfolgreiche Absolvierung der Maßregel kann aber auch bei diesen Strafen für Entscheidungen nach § 57 StGB von erheblicher Relevanz sein.

Offene Heimtücke? Ja das geht…

Offene Heimtücke. Geht das? Ja das geht und kann dann zur Annahme von § 211 StGB führen. Der BGH hat dazu gerade ausgeführt,  dass Heimtücke auch vorliegen kann, wenn der Täter dem Opfer offen feindselig entgegentritt und es dann überrascht. Ein Opfer kann danach auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff jedoch so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen. Für das bewusste Ausnutzen der Arglosigkeit genügt es, wenn sich der Täter bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen.

Eine Tötung in dem Bewusstsein, keinen Grund für die Tötung zu haben oder zu brauchen, stellt zudem einen niedrigen Beweggrund dar, wenn der Täter meint, nach eigenem Gutdünken über das Leben des Opfers verfügen zu können. Es kommt nicht darauf an, ob der Angeklagte seine Motive selbst als „niedrig“ bewertet. Eine Anzeigeerstattung durch das Opfer gegenüber dem Täter als Tötungsmotiv ist ebenfalls als auf tiefster Stufe stehend anzusehen wegen des krassen Missverhältnisses zwischen Anlass und Tat.

Nachzulesen im BGH, Urt. v. 19.10.2011 – 1 StR 273/11