Verständigung, Rechtsmittelverzicht und Negativattest

Die Angeklagte verzichtet nach Urteilsverkündung auf Rechtsmittel, wass sie dann aber offenbar reut. Es wird dann also doch Rechtsmittel eingelegt und vorgetragen, dass der Rechtsmittelverzicht wegen Umgehung des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO unwirksam sei. Der BGH setzt sich damit in seinem Beschl. v. 27.10.2010 – 5 StR 419/10 – auseinander und meint:

„Das in § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO geregelte Verbot eines Rechtsmittelverzichts nach Verständigung greift nicht ein. Denn eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO, mithin im Rahmen der Hauptverhandlung, hat nach dem eigenen, mit der dienstlichen Stellungnahme der Staatsanwaltschaft übereinstimmenden Vortrag der Beschwerdeführerin nicht stattgefunden. Das Fehlen des sogenannten „Negativattests“ nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 31. März 2010 – 2 StR 31/10) besagt hier schon deswegen nichts anderes, weil auch eine Verständigung nicht protokolliert worden ist (§ 273 Abs. 1a Satz 1 StPO; vgl. zu Fällen solch „versteckten Dissenses“ Niemöller in Niemöller/Schlothauer/Wieder, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren 2010 § 273 Rdn. 30 f.).“

Offen gelassen hat der BGH die Frage,  ob eine Umgehung des § 257c StPO durch Absprachen außerhalb der Hauptverhandlung in entsprechender Anwendung des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO oder im Wege eines Erst-Recht-Schlusses (so Jahn/Müller NJW 2009, 2625, 2630) zur Unwirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts führen kann. Denn die Angeklagte war den Beweis derartiger Absprachen schuldig geblieben.

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