Rückwärts statt vorwärts – bedeutet nicht besoffen oder bekifft

In der letzten Zeit sind einige Entscheidungen zu den Anforderungen an die Urteilsfeststellungen einer rauschmittelbedingten Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit aufgrund vorangegangenen Drogenkonsum veröffentlicht worden.

In die Reihe reiht sich jetzt auch der Beschl. des OLG Hamm v. 29.06.2010 – III 3 RVs 45/10 ein, mit dem das AG wegen zu knapper Feststellungen aufgehoben worden ist. Das AG hatte nur festgestellt, dass der Angeklagte aufgrund vorherigen Kokainkonsums zur sicheren Führung von Kraftfahrzeugen nicht in der Lage. Dessen ungeachtet habeer seinen auf einem Parkplatz an der N-Straße in C abgestellten Pkw in Betrieb genommen. Obwohl der Angeklagte im Vorwärtsgang aus der Parklücke hätte herausfahren müssen, legte er – so das AG – infolge seiner rauschmittelbedingten Fahruntüchtigkeit versehentlich den Rückwärtsgang ein und fuhr auf den hinter ihm abgestellten PKW der G auf. Infolge des starken Aufpralls wurde dieser PKW auf den dahinter parkenden PKW des P geschoben. Beide Fahrzeuge wurden beschädigt.

Dem OLG haben die Feststellungen nicht gereicht. Anders als beim Alkoholkonsum eines Kraftfahrers sei eine Fahruntüchtigkeit nach Genuss von Drogen allein aufgrund eines positiven Wirkstoffspiegels im Blut nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft (noch) nicht zu begründen. Trotz der erheblichen Gefahren, die von der Teilnahme eines unter Rauschgifteinfluss stehenden Kraftfahrers im Straßenverkehr ausgehen können, kann der für die Erfüllung der geltenden §§ 316 StGB und 315 c Abs. 1 Nr. 1 a) StGB vorausgesetzte Nachweis der „relativen“ Fahruntüchtigkeit auch nach der gegenwärtigen Gesetzeslage grds. nur aufgrund des konkreten rauschmittelbedingten Leistungsbildes des Betreffenden im Einzelfall geführt werden. Dazu bedarf es außer des positiven Blutwirkstoffbefundes regelmäßig weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen.

Und Rückwärts statt Vorwärts reicht dafür nicht.

Die Entscheidung entspricht der ganz h.M. in der Rechtsprechung seit BGH 44, 219 (vgl. u.a. OLG Köln NJW 1990, 2945, 2946; OLG Düsseldorf NZV 1999, 174, 175; OLG Zweibrücken VRS 105, 125 = BA 2003, 321; DAR 2004, 409, OLG Hamm VA 2007, 183 = StRR 2007, 355 = VRR 2007, 394 und Beschl. v. 03.04.2003, 4 Ss 158/03; AG Hermeskeil DAR 2008, 222; AG Bielefeld VA 2008, 141 für Amphetamin-Genuss

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