Archiv für den Monat: Mai 2010

Makaber, makaber, womit sich das OLG Nürnberg beschäftigen musste

Es ist schon ein recht seltsamer – gelinde ausgedrückt – sachverhalt, mit dem sich das OLG Nürnberg in seinem Beschl. v. 20.11.2009 – 1 St OLG Ss 163/09 a – hat beschäftigen müssen: Mitarbeiter eines städtischen Krematoriums entnehmen nach der Einäscherung Verstorbener Zahngold aus der Knochenmühle.

Das OLG Nürnberg hat ausgeführt, dass die Wegnahme des Zahngoldes Verstorbener nach deren Einäscherung als Verwahrungsbruch strafbar sein kann. Das Zahngold eines Verstorbenen sei nach dessen Einäscherung aber keine Asche im Sinne der strafrechtlichen Vorschrift über die Störung der Totenruhe (§ 168 Abs. 1 StGB), sodass eine Bestrafung auf dieser Grundlage ausscheide.

Auch du mein Sohn Brutus…

…ist man gewillt zu denken, wenn man die Entscheidung des OLG Hamburg v. 05.05.2010 – 2 Ws 34/10 liest, in der sich das OLG der Auffassung in der Rechtsprechung angeschlossen hat, die die Tätigkeit des (beigeordneten) Zeugenbeistandes nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG honoriert und nicht nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG, was schnell mal fehlende 300 € in der Kasse ausmachen können.

An sich bringt die Entscheidung in dem Streit in der obergerichtlichen Rechtsprechung über die Frage der Abrechnung dieser Tätigkeit nichts Neues – die Argumente sind ausgetauscht und dem als Zeugenbeistand tätigen Rechtsanwalt bliebt nichts anderes übrige, als sich der Rechtsprechung des jeweils zuständigen OLG zu beugen. Ich berichte über die Entscheidung auch nur deshalb, weil vor kurzem das LG Hamburg die Frage noch anders entschieden hat.

Nach der Entscheidung des OLG wird es nun aber auch im Bezirk OLG Hamburg nur Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG geben. Schade, und zwar deshalb, weil die Auffassung m.E. nicht richtig ist.

Die Volksseele kocht

Einen haben wir noch: Zum Plan des NRW-IM Wolf, die Blutprobe (teilweise) abzuschaffen (oder doch nicht? :-; vgl. hier m.w.N.), gibt es ganz interessante Kommentare. Da wird mal richtig vom Leder gezogen. Wirklich amüsant. Nachzulesen hier.

Blasen allein reicht – nun doch nicht?, oder: Du heilige Scheinheiligkeit…

Man fasst es nicht. Da sind heute die Gazetten voll von dem Plan des (noch) Innenministers in NRW, dass NRW die Blutprobe abschaffen will (wenn man bei Google „NRW Blutprobe abschaffen“ eingibt, gibt es 21.000 Treffer), da wird hier gebloggt (vgl. hier und hier), da wird in WDR3 lang und breit berichtet und auch im Heute-Journal im ZDF und dann erklärt der Verursacher IM Wolf  bzw. sein Haus

Auch für das NRW-Innenministerium ist unstrittig, dass im Falle einer Weigerung die Blutprobe nach wie vor angewendet werden muss: „Der Vorteil unseres Vorschlags zielt darauf ab, dem Autofahrer das Ergebnis unmittelbar vor Augen zu führen, ohne dass weitere Kosten auf ihn zukommen“, relativierte Sprecher Wolfgang Beus. Aber es bleibe dabei, dass diese Methode sei im Sinne des Gesetzes in jedem Fall das mildere Mittel sei. Auf der Innenministerkonferenz in Hamburg wollte Wolf seinen Vorstoß einbringen.

(vgl. dazu dann auch hier und hier). Blasen allein reicht – nun doch nicht, aber wir schützen die Kasse des Beschuldigten?

Mit Recht meint der Kollege Melchior dazu „Pustekuchen„. Ich meine, man kann noch einen Schritt weitergehen und sagen: Das ist an Scheinheiligkeit kaum noch zu überbieten. Jetzt ist es also eine Maßnahme, die dem Verkehrsteilnehmer „das Ergebnis unmittelbar vor Augen führen soll, ohne dass weitere Kosten auf ihn zukommen“.

Also eine Maßnahme zum Schutz des Beschuldigten/Verdächtigen? Quatsch. Man soll doch ehrlich sein und sagen, worum es geht: Man will den Richtervorbehalt in § 81a Abs. 2 StPO nach Möglichkeit umgehen/abschaffen, traut sich aber offenbar wohl nicht so richtig. Da versucht man es dann auf diese Weise und gibt vor, die Kasse des Beschuldigten schützen zu wollen. Aber in Wirklichkeit will man nur die eigene schützen, weil man richterlicher Eildienste zur Nachtzeit nicht einrichten will, und zwar ganz klar aus Kostengründen. Darauf ist im WDR3-Beitrag deutlich hingewiesen worden und das steht vermutlich auch im Hintergrund. Also: Seid doch ehrlich, wenn Euch die StPO nicht passt und ändert da. Das wird aber so einfach nicht gehen

Gut Ding will Weile haben

könnte man über den Beschluss des OLG Hamm vom 28.03.2010 – 3 RBs 28/09 schreiben, den mir heute ein Kollege hat zukommen lassen.

Nach der ersten Durchsicht dachte ich zunächst: Ei, ein Knaller, da schon wieder eine Messfahrzeugproblematik. Die war aber offenbar an mir vorbei gegangen bzw. mir aus letzter Zeit nicht bewusst. Bei näherem Hinsehen stellte ich dann fest, dass es sich  „nur“ um die alte, vom AG Lüdinghausen  „aufgedeckte“ 2007er CAN-Bus-Problematik handelt. Also kein Knaller. Aber dann: M.E. doch berichtenswert, weil man sich die Verfahrensdaten mal anschauen muss:

  • 31.01.2007: Tat
  • 06.11.2008: amtsgerichtliche Entscheidung
  • 27.01.2009: Verwerfungsantrag der GStA (= Verfahren ist beim OLG)
  • 28.03.2010: Entscheidung des OLG: Aufhebung und Zurückverweisung

Den Betroffenen wird dieser Zeitablauf freuen, denn das vom AG verhängte Fahrverbot wird wohl kaum noch einmal verhängt werden dürfen/können.

Die Frage, die sich im Übrigen stellt: Warum dauert das Verfahren so/zu lange; dass es zu lange gedauert hat, hat das OLG selbst erkannt, da es die Frage der Verfahrensverzögerung erörtert, aber noch nicht für kompensationswürdig hält, „wegen der zu entscheidenden Rechtsfragen“.  Aber, was war denn Dramatisches zu entscheiden?. Dass ein Beweisantrag nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG nur wegen Verspätung abgelehnt werden darf, wenn die Aufklärungspflicht die Beweiserhebung nicht gebietet, hatte der Senat doch schon 2004 entschieden. Das ist also nichts Neues. Und sonst? Schwierige Rechtsfragen kann man dem Beschluss nicht entnehmen. Damit bleibt es für mich im Dunklen, warum es so lange gedauert hat.

Es kann natürlich sein – und das würde das OLG retten – wenn die Antwort auf die Anfrage an das IM NRW, die der Senat am 28.04.2009 gestellt hat – jedenfalls verstehe ich den Beschluss so – so/zu lange hat auf sich warten lassen, dass erst im März 2010 eine Entscheidung des OLG möglich war. Aber das hätte man wahrscheinlich geschrieben. :-). Nichts desto trotz: Den Betroffenen wird das alles freuen, weil: Gut Ding will (eben) Weile haben; oder: Das Fahrverbot dürfte sich durch Zeitablauf erledigt haben.