Archiv für den Monat: Februar 2010

Bundesrat will Verstümmelung weiblicher Genitalien unter Strafe stellen

In seiner Sitzung am 12.02.2010 hat der Bundesrat auf Antrag der Länder Baden-Württemberg, Hessen und Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz beschlossen, den Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes – Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien (BR-Drs. 867/09) in den Bundestag einzubringen.

Der Bundesrat möchte verhindern, dass die äußeren Genitalien von Frauen und Mädchen durch Beschneidung oder auf andere Weise verstümmelt werden. Deshalb sollen derartige Handlungen als eigener Straftatbestand normiert und auch Auslandstaten in die Strafbarkeit einbezogen werden, wenn das Opfer zur Zeit der Tat seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Die Strafverfolgungsverjährung soll künftig bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs des Opfers ruhen. Dadurch soll jeder Zweifel über die strafrechtliche Einordnung der Tat als schwerwiegender Verstoß gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Opfers beseitigt und ein eindeutiges Signal gesetzt werden, dass der Staat solche Menschenrechtsverletzungen keinesfalls toleriert, sondern energisch bekämpft. Als Strafmaß wird eine Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren oder – in minder schweren Fällen – von sechs Monaten bis zu fünf Jahren gefordert.

Die Verstümmelung weiblicher Genitalien sei eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung an Mädchen oder Frauen, wie die antragstellenden Länder betonten. In Deutschland seien ca. 20.000 Frauen betroffen und ungefähr 4.000 Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund müssten als gefährdet gelten, dieser Praxis unterworfen zu werden. Der Staat sei ihrer Ansicht nach verpflichtet, die gefährdeten Mädchen und Frauen vor diesem schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit zu schützen.

Folgende Dokumente finden Sie im Internetangebot des Bundesrates:

Den Gesetzantrag der Länder Baden-Württemberg und Hessen: BR-Drs. 867/09 (PDF)
Die Stellungnahme der beteiligten Ausschüsse: BR-Drs. 867/1/09 (PDF)
Den Gesetzentwurf des Bundesrates: BR-Drs. 867/09(B) (PDF)

Angriff mit einer Machete im Streit um vermeintliches Falschparken

Keine Meldung zu Karneval, sondern bitterer Ernst ist die PM des BGH vom 10.02.2009 zu einem Verfahren in Limburg. Dort heißt es u.a.:

„Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Staatsanwaltschaft das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Schwurgerichtskammer zurückverwiesen.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts führte der 71 Jahre alte Angeklagte seit Jahren Auseinandersetzungen mit Nachbarn und Besuchern, die ihre Autos auf der Straße in der Höhe seines Hauses parkten. Er fühlte sich durch auf der anderen Straßenseite geparkte Fahrzeuge in der Ausfahrt mit seinem eigenen Pkw behindert, obwohl eine Beeinträchtigung objektiv nicht bestand.

Am Morgen des 1. Oktober 2008 folgte der Angeklagte dem Geschädigten, einem Fahrer eines benachbarten Taxiunternehmens, der seinen eigenen Wagen auf der Straße gegenüber dem Haus geparkt hatte, in die Räume der Taxizentrale. Er forderte diesen vergeblich auf, das Auto wegzusetzen, und beschimpfte und beleidigte ihn. Als der Geschädigte ihn darauf verwies, sich an die Polizei zu wenden, was der Angeklagte in der Vergangenheit bereits mehrfach ohne Erfolg getan hatte, fasste er dies als Provokation auf und entschloss sich, den Geschädigten zu töten. Er holte aus dem Wohnzimmerschrank seiner Wohnung eine 70 cm lange Machete, kehrte zur Taxizentrale zurück und schlug ohne Vorwarnung mehrmals auf sein Opfer ein, ehe dessen Kollegen den Angeklagten überwältigen konnten. Der Geschädigte verlor einen Zeigefinger und erlitt neben weiteren Verletzungen einen offenen Schädelbruch.

Das Landgericht hat die Tat als versuchten Totschlag in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung gewürdigt. Eine Bewertung als versuchten Mord hat es im Hinblick auf die affektive Erregung des Angeklagten und die Spontaneität seines Tatentschlusses verneint.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil auf die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft aufgehoben, weil die Verneinung der Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe rechtlicher Überprüfung nicht standhält. Das Landgericht hat nicht ausreichend begründet, weshalb der Angeklagte trotz seiner voll erhaltenen Fähigkeit zur Einsicht in das Unrecht seiner Tat nicht in der Lage gewesen sein soll, die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers und deren Bedeutung für die Tatausführung realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen. Es hat sich auch nicht damit auseinander gesetzt, dass die Tat, die der Angeklagte nach seiner Festnahme gegenüber der Polizei wie auch in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht als gerechtfertigt bewertet hatte, angesichts der Vorgeschichte einen Akt der Selbstjustiz darstellte.

Urteil vom 10. Februar 2010 – 2 StR 391/09

Dem ist m.E. nichts hinzuzufügen, außer: Fürchterlicher Sachverhalt und fürchterliche Folgen.

OLG Celle: Magath muss zu Fuß gehen

Das OLG Celle meldet gestern:

„Mit Beschluss vom 4. Februar 2010 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle (OLG) die Rechtsbeschwerde des Fußballtrainers Felix Magath gegen das Urteil des Amtsgerichts Uelzen vom 26. Oktober als unbegründet verworfen (Aktenzeichen: 322 SsBs 347/09). Das Urteil ist damit rechtskräftig.

Der Landkreis Uelzen hatte gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 18. Mai 2009 wegen einer am 30. März 2009 begangenen vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 320 € und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Auf den Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht unter dem 5. August 2009 Termin zur Hauptverhandlung auf den 26. Oktober 2009 anberaumt. Im Hauptverhandlungstermin am 26. Oktober 2009 erschienen weder der Betroffene noch sein Verteidiger. Das Amtsgericht verwarf darauf den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid vom 18. Mai 2009, weil der Betroffene nicht genügend entschuldigt sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Trainer mit der Rechtsbeschwerde und macht geltend, der Bußgeldrichter habe den Begriff der „genügenden Entschuldigung“ verkannt. Das Amtsgericht hätte den Termin verlegen müssen. Der Prozessbevollmächtigte habe mitgeteilt, verhindert zu sein und ein Erscheinen ohne ihn sei dem Betroffenen nicht zuzumuten gewesen.

Die Rüge des Trainers ist nach der Entscheidung des Strafsenats erfolglos. Das Amtsgerichtsurteil lasse einen Verfahrensfehler nicht erkennen. Auch habe der Trainer keine Tatsachen vorgetragen, die aus sich heraus einen solchen Fehler schlüssig nachvollziehen lassen. Das Amtsgericht habe sich ausführlich mit der Frage eines Entschuldigungsgrundes auseinander gesetzt und die beteiligten Interessen abgewogen. Für eine inhaltliche Prüfung durch den Senat fehle der erforderliche umfassende Vortrag, warum besondere Umstände eine Verlegung des Termins erfordert hätten.“

Also eine verfahrensrechtliche Entscheidung – auf die vorgetragenen Entschuldigungsgründe darf man im Volltext gespannt sein. Jedenfalls: Laufen ist angesagt.

OLG Hamm: 3. Strafsenat bleibt standfest und verlangt ausreichende personelle Ressourcen

Standfest bleibt der 3. Strafsenat des OLG Hamm im Hinblick auf seine Rechtsprechung zum Beweisverwertungsverbot bei Fehlen eines richterlichen Eildienstes. Diese verteidigt er auch gegen Angriffe aus dem eigenen Haus. Dazu ist der Beschl. v. 22.12.2009 – 3 Ss 497/09 lesenswert. Dem Satz: „Die Beachtung bzw. Auslegung strafprozessualer Regelungen durch die Strafgerichte kann nicht von der ausreichenden Gewährung von Ressourcen abhängen, sondern die Ressourcen müssen in einem Umfang zur Verfügung gestellt werden, dass den gesetzlichen Anforderungen Rechnung getragen werden kann (für die Ausstattung der Justiz mit richterlichem Personal zur Einrichtung eines nächtlichen richterlichen Eildienstes).“ ist m.E. nichts hinzuzufügen. Die Justizverwaltungensind am Zug.

Lesenswert ist der Beschluss auch wegen der Anforderungen an die Verfahrensrüge.