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Geschäftsreise des Anwalts nach Leipzig zum BVerwG?, oder: Kanzleisitz außerhalb?

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Und heute dann RVG – allerdings vorab mit dem Aufruf – nochmals -: Ich brauche bitte Entscheidungen. Mein Ordner ist ziemlich leer.

Ich stelle dann hier zunächst eine Entscheidung des BVerwG zur Frage einer Geschäftsreise und der Erstattung der insoweit angefallenen Kosten vor.

Von den Rechtsanwälten, die den Kläger beim BVerwG vertreten haben, waren verschiedene Auslagenpositionen geltend gemacht. Die sind nicht festgesetzt worden. Dagegen dann die Erinnerung, die mit dem BVerwG, Beschl. v. 27.03.2023 – 3 KSt 1/22 – nur geringen Erfolg hatte.

Zu den geltend gemachten Reisekosten führt das BVerwG aus:

„1. Die Kosten für die Reise der Rechtsanwälte B. und S. von Würzburg nach Leipzig zur mündlichen Verhandlung vom 25. bis 27. Oktober 2017 in Höhe von 850,68 € sind keine Auslagen im Sinne von § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO, Teil 7 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG – im Folgenden: VV). Die Reise war keine Geschäftsreise im Sinne von Vorbemerkung 7 Absatz 2 VV. Nach dieser Vorschrift liegt eine Geschäftsreise vor, wenn das Reiseziel außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Rechtsanwalts befindet. Der Begriff Kanzlei umfasst nicht nur den Hauptsitz, sondern auch an anderen Orten betriebene Zweigstellen (BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2017 – 9 KSt 4.17NJW 2017, 3542 Rn. 3). Da ein Rechtsanwalt im Bezirk der Rechtsanwaltskammer, deren Mitglied er ist, eine Kanzlei einrichten und unterhalten muss, kann eine weitere Niederlassung allerdings auch eine selbständige Kanzlei sein. Voraussetzung hierfür ist, dass eine in der Niederlassung tätige Rechtsanwältin bzw. ein dort tätiger Rechtsanwalt Mitglied der für die Niederlassung örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammer ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2017 a. a. O.). Dass Rechtsanwältin Dr. H., die im Briefkopf des Schriftsatzes vom 29. September 2017 – dem letzten Schriftsatz vor der mündlichen Verhandlung – neben Rechtsanwalt B. der Zweigstelle Leipzig zugeordnet war, Mitglied der Rechtsanwaltskammer Sachsen (gewesen) sei, hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Nach dem Bundesweiten Amtlichen Anwaltsverzeichnis gehört Rechtsanwältin Dr. H. der Kammer Bamberg an. Hiernach ist davon auszugehen, dass die Niederlassung in Leipzig keine gegenüber der Kanzlei in Würzburg selbständige Kanzlei, sondern – wie im Briefkopf angegeben – eine Zweigstelle dieser Kanzlei war, das Reiseziel also nicht außerhalb der Gemeinde lag, in der sich die Kanzlei befand. Der Auffassung, dass eine Geschäftsreise unabhängig vom Ort der Kanzlei vorliege, wenn das Reiseziel außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich der Wohnsitz des Rechtsanwalts befindet (so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Februar 2012 – 10 W 97/11NJW-RR 2012, 764), folgt der Senat nicht (wie hier OLG Koblenz, Beschluss vom 27. April 2015 – 7 WF 407/15 – NJW-RR 2015, 1408; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24. Februar 2016 – 3 Ws 409/15 – juris Rn. 6; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, VV 7003-7006 Rn. 10). Aufwendungen für Reisen zwischen der Wohnung eines Rechtsanwalts und seiner Kanzlei gehören zu den allgemeinen Geschäftskosten; einem besonderen Geschäft können sie nicht zugeordnet werden. Liegt das Gericht in der Gemeinde, in der sich der Sitz seiner Kanzlei befindet, entstehen durch die Fahrt vom Wohnsitz zum Gericht keine zurechenbaren Mehrkosten (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, VV 7003-7006 Rn. 18).

2. Die Auslagen für die Teilnahme einer Rechtsanwältin bzw. eines Rechtsanwalts an der Vorbesprechung bei der Klägerin am 11. Juli 2017 sind in Höhe von insgesamt 294,64 € erstattungsfähig. Für die Fahrtkosten Leipzig – Fürth (177,60 €) ergibt sich das aus § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO, Vorbemerkung 7 Absatz 1 Satz 2 VV i. V. m. § 675 und § 670 BGB, Nr. 7003 VV, für das Abwesenheitsgeld (70 €) aus Nr. 7005 VV und für die Umsatzsteuer (47,04 €) aus Nr. 7008 VV. Gemäß Vorbemerkung 7 Absatz 1 Satz 2 VV kann der Rechtsanwalt, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist, Ersatz der entstandenen Aufwendungen (§ 675 i. V. m. § 670 BGB) verlangen. Nach § 670 BGB, der gemäß § 675 Abs. 1 BGB auf einen Geschäftsbesorgungsvertrag entsprechende Anwendung findet, ist der Auftraggeber, wenn der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen macht, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, zum Ersatz verpflichtet (vgl. OVG Münster, Beschlüsse vom 15. März 1991 – 16 B 23603/90NVwZ-RR 1992, 54 <55> und vom 25. Februar 2013 – 12 E 28/13 – juris Rn. 8). Unter den hier gegebenen Umständen durften die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Besprechung mit deren Mitarbeitern zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung für erforderlich halten, allerdings nicht – wie geltend gemacht – mit drei Rechtsanwälten, sondern nur mit einer Rechtsanwältin bzw. einem Rechtsanwalt. Es ging um eine umfangreiche Planfeststellungssache mit einer Vielzahl von in tatsächlicher Hinsicht streitigen Fragen. Das Gericht hatte die mündliche Verhandlung auf zwei Tage angesetzt mit etwaiger Fortsetzung an einem dritten Verhandlungstag. Die mündliche Verhandlung hat auch tatsächlich drei Tage gedauert. Die Klägerin hatte umfangreiche Einwendungen erhoben, insbesondere gegen eine Nutzen-Kosten-Untersuchung, auf die die Beklagte ihre Abwägung zugunsten der Verschwenk- und gegen die Bündelungstrasse gestützt hatte (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 2017 – 3 A 4.15BVerwGE 160, 263 Rn. 97 – 146). Die Einwendungen waren fachlich maßgebend von zwei Mitarbeitern des Stadtplanungsamtes der Klägerin vorbereitet worden. Eine Besprechung bei der Klägerin abzuhalten, um die Präsentation dieser Einwendungen in der mündlichen Verhandlung vorzubereiten, war sachdienlich und auch aus Sicht eines kostenbewussten Beteiligten angemessen. Warum die Teilnahme von mehr als einer Rechtsanwältin bzw. einem Rechtsanwalt erforderlich gewesen sein soll, ist hingegen weder dargelegt noch ersichtlich; die insoweit entstandenen weiteren Auslagen (Fahrtkosten 123,60 €, Abwesenheitsgelder 140 €, Umsatzsteuer 50,08 €) sind nicht erstattungsfähig.“

Wegen der restlichen geltend gemachten Positionen verweise ich auf den Volltext.

Zweigstelle ist auch Kanzlei

Im Beschl. v. 07.06.2010 – 2 Ws 93/10 – hat das OLG Dresden zu den Fahrtkosten (Nr. 7003 VV RVG) Stellung genommen. Und zwar in Zusammenhang mit den Begriffen „Zweigstelle“ und „Kanzlei“ . Das Ergebnis:

Von dem Begriff „Kanzlei“ im Sinne der Vorbemerkung zu Teil 7 VV-RVG wird auch die Zweigstelle einer Rechtsanwaltskanzlei erfasst. Fahrtkosten für eine Geschäftsreise zu einem Ziel innerhalb der Gemeinde, in der die Zweigstelle unterhalten wird, können deshalb nicht gemäß Nr. 7003 VV-RVG erstattet werden.“  🙁