Schlagwort-Archive: Zuziehung eines Rechtsanwalts

Entschädigung I: Rechtsanwalt nicht nötig?, oder: „Schäbiges“ Land NRW

© G.G. Lattek – Fotolia.com

Heute ist dann mal ein Entschädigungstag. D.h.: Die drei vorgestellten Entscheidungen werden Entschädigungsfragen zum Gegenstand haben, sich also mit dem StrEG befassen. Das ist eine Thematik, die hier leider bisher ein wenig kurz gekommen ist. Daher dann heute gleich drei Entscheidungen.

Den Opener macht das LG Düsseldorf, Urt. v. 03.02.2017 – 2b 0 4/16. Es geht um die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts im sog. Betragsverfahren. Gegen den Kläger war im Jahr 2011/2012 ein Sicherungsverfahren beim LG Duisburg geführt worden. Hierin wurde er durch einen Rechtsanwalt verteidigt. Der Antrag auf Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde abgelehnt. Auf Antrag seines Prozessbevollmächtigten im „StrEG-Verfahren“ wurde ausgesprochen, dass der Kläger für die in der Zeit vom 12.06.2011 bis zum 09.02. 2012 in der Unterbringungssache erlittene vorläufige Unterbringung zu entschädigen ist. Später wurde für den Kläger wegen einer chronifizierten Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis die gesetzliche Betreuung angeordnet und Herr Rechtsanwalt pp. zum Betreuer des Klägers für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögensangelegenheiten und Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern bestellt.

Auf die Anträge seines Prozessbevollmächtigten 2015 wurde der dem Kläger zu leistende Entschädigungsbetrag mit Bescheid vom 07.10.2015 auf 6.075,00 € festgesetzt. Dabei wurde ein beantragter Teilbetrag in Höhe von 649,74 € für Rechtsanwaltskosten im Entschädigungsverfahren nicht anerkannt. Nach Verrechnung mit einer Justizkostenforderung wurde ein Betrag in Höhe von 1.922,29 € ausgezahlt. Gestritten wurde dann um die Rechtsanwaltskosten. Das beklagte Land NRW war der Auffassung, die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Entschädigungsverfahren sei nicht notwendig gewesen. Die Antragstellung sei äußerst einfach gewesen. Jedenfalls hätte der zwischenzeitlich zum Betreuer des Klägers bestellte Rechtsanwalt die Antragstellung im Rahmen seiner Betreuungstätigkeit übernehmen können. Zumindest habe der Kläger anwaltliche Hilfe im Rahmen von Beratungshilfe zu Kosten von nur 15,00 € in Anspruch nehmen können.

Das LG Düsseldorf sieht das – zu Recht und Gott lob – anders:

„Dem Kläger steht ein Anspruch auf weitere Entschädigung wegen der vorläufigen Unterbringung im Sicherungsverfahren (LG Duisburg) in Höhe von 649,74 EUR zu.

Nach § 7 Abs. 1 StrEG ist Gegenstand der Entschädigung der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden. Dabei sind notwendige Auslagen für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts im Grundverfahren und im Betragsverfahren erstattbar (Meyer, StrEG, § 7 Rn. 17 „Anwaltskosten“). Als nicht notwendig wird die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Betragsverfahren angesehen, wenn völlige Klarheit über die Höhe der Haftung besteht, etwa wenn der Beschuldigte ausschließlich immateriellen Schaden verlangt (Meyer a.a.O. „b) Justizverwaltungsverfahren“ m.w.N.).

Gleichwohl erachtet das Gericht die Zuziehung des Rechtsanwalts im Betragsverfahren vorliegend wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles als notwendig. Das Gericht ist nach den Erkenntnissen aus der beigezogenen Betreuungsakte und der persönlichen Anhörung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2016 überzeugt, dass es dem Kläger nicht zuverlässig möglich gewesen wäre, den – auch noch so einfachen – Entschädigungsantrag selbst zu stellen. Nach den Erkenntnissen in der Betreuungsakte bestehen immer wieder produktive Erkrankungsphasen. Er hat es in der Vergangenheit nicht geschafft seine Ansprüche gegenüber dem Arbeitsamt angemessen vorzutragen, vielmehr ist ihm dort offenbar ein Hausverbot erteilt worden. Nach den Feststellungen des nervenärztlichen Gutachtens von Dr. pp. vom 11. November 2014 kann er sämtliche gerichtlichen und außergerichtlichen Rechts- und Behördenangelegenheiten nicht selbst besorgen. Sinn und Wesen einer Betreuung seien ihm nicht zu vermitteln. Behandlungsmöglichkeiten nehme er erkrankungsbedingt nicht wahr. Auch in seiner persönlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Gericht nicht den Eindruck gewonnen, dass der Kläger die Informationen über das Entschädigungsverfahren aus dem Schreiben vom 15. April 2015 hätte verstehen und sachgerecht umsetzen können. Ihm war auch in seiner Anhörung der Sinn der Betreuung nicht klar, vielmehr nahm er an, diese beruhte auf Bewährungsauflagen.

Nach Dafürhalten des Gerichts kann ihm auch nicht vorgeworfen werden, den bestellten Betreuer nicht mit der Geltendmachung der Entschädigungsansprüche befasst zu haben. Das Betreuungsverfahren lief in etwa zeitgleich mit der Beauftragung des hiesigen Prozessbevollmächtigten. Die Schilderung des Klägers in seiner Anhörung, er habe seinen Prozessbevollmächtigten als Verteidiger für ein neues Strafverfahren beauftragt, in diesem Zusammenhang sei die Entschädigungsproblematik zur Sprache gekommen, ist absolut lebensnah. Die ersten Anträge sind durch den Prozessbevollmächtigten auch bereits im Dezember 2014 und damit vor Anordnung der gesetzlichen Betreuung im März 2015 gestellt worden. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass in der Rechtsprechung der Fall, dass ein Betreuer für seinen Betreuten als Strafverteidiger tätig wird, nicht mehr von dem allgemeinen Aufgabenkreis der Vertretung gegenüber Behörden als gedeckt angesehen wird (z. B. OLG Schleswig, NJW RR 2008, 91; OLG Frankfurt, NJW RR 2005, 1166). Insoweit erscheint auch fraglich, ob eine Tätigkeit im Betragsverfahren als Annex zum Strafverfahren im Rahmen der gesetzlichen Betreuung vorliegend überhaupt zulässig gewesen wäre. Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Gebührenschneiderei liegen nach Dafürhalten des Gerichts nicht vor.

Soweit das beklagte Land schließlich einwendet, der Kläger habe Beratungshilfe in Anspruch nehmen können, schließt die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Beratungshilfe den Gebührenanspruch gegen den Prozessgegner nicht aus (BGH VII ZR 169/10).“

Ich finde es immer wieder „schäbig“, wie von den Ländern in diesen Verfahren teilweise argumentiert wird………