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Keine Nr. 4141 VV RVG bei Rücknahme der Revision, oder: Abschaffung der Gebühr

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Als zweite Entscheidung stelle ich den OLG Celle, Beschl. v. 20.05.2019 – 2 Ws 141/19 – vor. Ich beschränke mich aber auf die Leitsätze des Beschlusses. Den Rest muss man nicht unbedingt lesen. Der Beschluss enthält nämlich nichts wesentlich Neues. Die Begründung haben wir schon zig-mal gelesen. Und sie wird durch die dauernden Wiederholungen ja nicht richtiger. Es geht nämlich (mal wieder) um die Frage des Entstehens der Nr. 4141 Anm. 1 Satz 1 Nr. 3 VV RVG im Fall der Rücknahme der Revision.

Da ist das OLG – in Übereinstimmung mit anderen OLG – der unzutreffenden Auffassung:

1. Für das Entstehen der Gebühr Nr. 4141 VV RVG ist es erforderlich, dass eine Revisionshauptverhandlung anberaumt wurde oder konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre, wenn nicht die Revision zurückgenommen worden wäre (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des Senats, siehe Beschluss vom 19.07.2005, 2 Ws 151/05).

2. Ob eine Hauptverhandlung zu erwarten ist, lässt sich in der Regel erst beurteilen, wenn die Akten dem Revisionsgericht vorgelegt wurden.

3. Die Anknüpfung der Gebühr an die bloße Revisionsrücknahme oder das Vorliegen einer Revisionsbegründung widerspricht der gesetzgeberischen Intention, wonach eine Hauptverhandlung vermieden und eine Honorierung intensiver und zeitaufwendiger Tätigkeiten des Verteidigers erfolgen soll.

Der Wortlaut der Vorschrift gibt das nicht her. Und: Mit der Auffassung ist die Nr. 4141 VV RVG für das Revisionsverfahren im Grunde genommen abgeschafft. Aber das interessiert ein OLG ja nicht.

Der „vorerst schweigende“ Betroffene, oder Zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG?

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Am heutigen Gebührentag zwei AG-Entscheidung, die ich von der Gebührenabteilung der ARAG übersandt bekommen habe. M.E. sind beide Entscheidungen falsch; bei der ARAG wird man das mit Sicherheit anders sehen 🙂 .

Beide Entscheidungen kommen von Berliner Amtsgerichten. Die erste stammt vom AG Schöneberg. Das hat im AG Schöneberg, Urt. v. 06.02.2019 – 6 C 326/18 – den Anfall der Nr. 5115 VV RVG im Bußgeldverfahren verneint. Begründung:

Die Beklagte beanstandet zu Recht, dass der für den Kläger im Ermittlungsverfahren tätigeRechtsanwalt unter anderem die Verfahrensgebühr für die Mitwirkung am Verfahren zur Vermeidung der Hauptverhandlung nach Nr. 5115, 5101 VV RVG in Höhe von 65,00 € am 13. August 2018 in Rechnung gestellt hat. Die Mtwirkungsgebühr ist nicht angefallen.

Nach erteilter Deckungszusage vertrat die Rechtsanwaltskanzlei S.  den Kläger in einem Ermittlungsverfahren, in dem ihm vorgeworfen wurde, in der Folge eines Fahrstreifenwechsels einen Unfall verursacht zu haben. Nach anwaltlicher Beratung entschloss sich der Kläger, zunächst zu schweigen. Der in der Kanzlei tätige Rechtsanwalt pp. zeigte mit Schreiben vom 11. Juli 2018 die Verteidigung des Klägers gegenüber dem Polizeipräsidenten in Berlin an, bat um Akteneinsicht und teilte mit, dass sein Mandat vorerst von seinem Schweigerecht Gebrauch mache und sich eine Einlassung zur Sache nach Akteneinsicht vorbehalte. Etwa zwei Wochen später übermittelte der Polizeipräsident die Ermittlungsakte. Gleichzeitig wurde das gegen den Kläger geführte Ermittlungsverfahren nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO mit der Begründung eingestellt, dass ein Tatbeweis nicht möglich sei.

Das Scheiben vom· 11. Juli 2018 stellt keine für das Entstehen der Zusatzgebühr erforderliche Mitwirkung des Verteidigers an der Verfahrenseinstellung dar.

Die Erledigungsgebühr nach Nr. 5115 VV RVG entsteht nach Abs. 1 Nr. 1 der zugehörigen Anmerkung, wenn das Ordnungswidrigkeitenverfahren vor der Verwaltungsbehörde durch die anwaltliche Mtwirkung endgültig eingestellt wird. Nach Absatz 2 der Anmerkung entsteht sie nicht, wenn eine auf Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist. Zwar ist die für den Anfall der Erledigungsgebühr erforderliche Mitwirkung des Anwalts an der Einstellung des Verfahrens in einem weiten Sinn zu verstehen. Mitwirkung im Sinne der Nr. 5115 VV RVG bedeutet aber, wie Absatz 2 der Anmerkung zeigt, dass der Verteidiger durch seine Tätigkeit die endgültige Einstellung des Verfahrens zumindest gefördert haben muss.

Nach diesen Maßstäben kann die nach Nr. 5115 VV RVG erforderliche Mitwirkung gegeben sein, wenn der Verteidiger seinem Mandanten im Bußgeldverfahren rät, zu dem erhobenen Vorwurf zu schweigen, und er die entsprechende Entschließung seines Mandanten der Verwaltungsbehörde mitteilt. Die Behörde weiß nach einer solchen Mitteilung, dass sie einen Bußgeldbescheid nicht auf die Einlassung des Betroffenen stützen kann, sondern sich darüber klar werden muss, ob die übrigen Beweismittel für eine Ahndung ausreichen. Kommt sie zu dem Ergebnis, dass die übrigen Beweismittel nicht ausreichen und stellt sie deshalb das Verfahren ein, hat die Tätigkeit des Verteidigers diese Art der Verfahrenserledigung objektiv gefördert (BGH, Urteil vom 20. Januar 2011-IXZR 123/10-, Rn. 9,juris m.w.N.).

Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Das Schreiben vom 11. Juli 2018 hat die Einstellung in keiner Weise befördert. Bei der Einstellung des Verfahrens wusste die Behörde nicht, ob sie einen Bußgeldbescheid auf eine Einlassung des Klägers würde stützen können oder nicht. Das Schreiben vom 11. Juli 2018 enthält gerade keine endgültige Aussageverweigerung des Klägers; sondern nur die Mitteilung, dass er vorerst von seinem Schweigerecht Gebrauch macht, sich aber nach erfolgter Akteneinsicht eine Einlassung zur Sache vorbehalte. Die Behörde konnte dem Schreiben damit nicht entnehmen, dass sich der Kläger auch künftig zu dem Tatvorwurf nicht äußern würde. Dennoch hat die Behörde zeitgleich mit der Übersendung der Akten das Verfahren eingestellt. Sie hat weder die Akteneinsicht des klägerischen Verteidigers noch seine Erklärung abgewartet, ob sich der Kläger nun zur Sache einlässt oder nicht. Wenn die Verwaltungsbehörde das Verfahren aber unabhängig von einer Erklärung des Rechtsanwalts einstellt und das „Schweigen“ nicht abwartet, lässt die Tätigkeit des Rechtsanwalts keine Erledigungsgebühr entstehen (BGH, Urteil vom 20. Januar 2011 – IX ZR 123/10 -, Rn. 10, juris; AG Schöneberg, Urteil vom 27.08.2015, 106 C 124/15).2

Wie gesagt: Ist falsch. Man fragt sich nämlich: Warum hat die Verwaltungsberhörde denn dass Verfahren eingestellt? Nun, sicherlich auch, weil der Verteidiger mitgeteilt hatte, dass sich der Betroffene vorerst nicht einlässt. Das hat man abgewogen und ins Kalkül gezogen, dass es dabei bleibt. Dann hat man aber keine Chance für eine erfolgreiche Verfolgung gesehen und (auch) deshalb eingestellt. Das reicht auf jeden Fall für den Anfall der Nr. 5115 VV RVG. Etwas anderes folgt auch nicht aus der BGH-Entscheidung. Das war nämlich ein anderer Fall.

Und kleiner Tipp: Die hier aufgetretenen gebührenrechtlichen Schwierigkeiten vermeidet man, wenn man als Verteidiger nicht mitteilt, dass der Mandant „vorerst“ schweigt. Er „schweigt“. Und gut ist es. Dass er sich ggf. doch einlässt, geht die Verwaltungsbehörde ja zunächst auch mal gar nichts an.

 

Und nochmals: Einziehungsgebühr nach neuem Recht, oder: Aller guten Dinge sind drei

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Und – wie heißt es immer: Aller guten Dinge sind drei. Daher bringe ich am „Gebührenfreitag“ dann noch einmal einen Beschluss des LG Berlin zur Nr. 4142 VV RVG nach neuem Recht. Ich habe darüber ja schon zweimal berichtet. Hier dann also der LG Berlin, Beschl. v. 13.04.2018 – (511 KLs) 255 Js 739/14 (11/17), den mir der Kollege K.Reese aus Berlin geschickt hat.

Der Kollege war Pflichtverteidiger. Im Verfahren hatte es einen dinglichen Arrest des AG in Höhe von 418.851,00 € gegeben. Der Kollege hat bei der Vergütungsfestsetzung dann auch Festsetzung der zuätzlichen Verfahrensgebühr gemäß der Nr. 4142 VV RVG nach einem Gegenstandswert von Euro 418.000,00, mithin in Höhe von 447,00 € geltend gemacht. Die Rechtspflegerin hat den Betrag nicht festgesetzt , weil der Arrest ausweislich seiner Begründung der Rückgewinnungshilfe gedient habe und eine solche Anordnung nicht unter den Gebührentatbestand der Nr. 4142 VV RVG falle. Dagegen die Erinnerung, die dann beim LG Berlin Erfolg hatte:

„a) Der Angeklagte pp. hatte sich vor dem Landgericht Berlin gegen eine drohende Einziehung gemäß §§ 73, 73c StGB neue Fassung, also gegen einen endgültigen Vermögensverlust im Sinne der Nr. 4142 VV RVG zu verteidigen. Infolge der Streichung von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB alte Fassung kann der Tatertrag oder ein seinem Wert entsprechender Geldbetrag auch dann abgeschöpft werden, wenn Schadensersatzansprüche von Tatgeschädigten im Raum stehen. Grundlegender Gedanke des neuen Rechts ist es, dass sich Straftaten nicht lohnen sollen. Entsprechend ist im Hauptverhandlungstermin am 18.12.2017 ein Hinweis erteilt worden, anhand welcher Kriterien die Höhe einer in Betracht kommenden Einziehung zu schätzen sein wird. Eine Einziehung nach §§ 73, 73c StGB unterfällt dem Gebührentatbestand der Nr. 4142 W RVG. Dieser Gebührentatbestand hat den Sinn und Zweck, den Verteidigeraufwand in Verfahren, in denen Abschöpfungsmaßnahmen infrage kommen, angemessen zu honorieren (vgl. KG, Beschluss vom 20.12.2017, 1 Ws 70/17, juris Rz. 3). Die Kammer schließt sich der Auffassung der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Berlin im Beschluss vom 16.01.2018 (501 Qs 127/17) an. Danach kann der Umstand, dass die in Ansatz gebrachte Gebühr Nr. 4142 VV RVG Rechtsanwalt R. nach der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung geltenden Rechtslage nicht zugebilligt worden wäre, weil der dingliche Arrest der Sicherung von Rückgewinnungsansprüchen der verletzten Opfer diente (vgl. hierzu KG, Beschluss vom 15.04.2008, 1 Ws 309 — 310/07, juris), nicht zur Versagung des Gebührenansatzes nach neuem Recht herangezogen werden (vgl. LG Berlin, a.a.O., juris Rz. 7). Der Anwendungsbereich von § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ist nicht eröffnet, da der Verteidiger nach altem Recht nicht etwa eine geringere, sondern überhaupt keine Gebühr hätte verlangen können.

b) Auch die von Rechtsanwalt R. angesetzte Höhe der Wertgebühr Nr. 4142 VV RVG ist berechtigt. Gemäß § 49 RVG ist bei einem Gegenstandswert von über Euro 30.000,00 eine Gebühr in Höhe von Euro 447,00 (netto) zu vergüten. Für die Bestimmung des Gegenstandswertes ist nach Ansicht der Kammer nicht maßgeblich, in welcher Höhe eine Einziehung im Urteil am 08.02.2018 angeordnet worden ist, sondern in welcher Höhe eine Einziehung drohte. Nach den Gründen des dinglichen Arrestes vom 19.10.2016 wurde die Höhe der zu sichernden Ansprüche nach der Anzahl der Bestellungen der verletzten Opfer durch Freier in den Bordellen „Kino 3″ und „Le Bar“ sowie im Escort-Service in der Zeit von Januar 2013 bis September 2016 berechnet. Unter Heranziehung des ebenfalls am 19.10.2016 erlassenen Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten (Blatt 91 ff. Band Il Kostenband) dem Angeklagten pp. seinerzeit Taten zu Lasten von 1 1 Prostituierten vorgeworfenn nämlich zu Lasten der pp. In der Anklageschrift vom 06.03.2017 (Blatt 2 ff. Band I Kostenband) wurde zwar der Tatvorwurf zu Lasten der pp. nicht aufrechterhalten. Jedoch wurden dem Angeklagten pp. Tatvorwürfe zu Lasten weiterer 13 Prostituierter unterbreitet, so zu der pp. Die Tatvorwürfe zu Lasten der insgesamt 23 Prostituierten bestanden nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung am 01.07.2017 fort. Nach allem ist nicht zu beanstanden, dass der Verteidiger die Verteidigung des Angeklagten pp. darauf ausgerichtet hat, eine drohende Einziehung in Höhe von insgesamt Euro 418.000,00 abzuwenden. Abgesehen davon hat die Staatsanwaltschaft in der Sitzung am 05.02.2018 in Bezug auf den Angeklagten pp.  eine Einziehung in Höhe von insgesamt Euro 291.930,40 beantragt. Aber selbst die im Urteil der Kammer angeordnete Einziehung eines Wertersatzes von insgesamt Euro 41.840,00 rechtfertigt einen Gebührenansatz in Höhe von Euro 447,00 netto.“

Ich wage – ist kein großes Wagnis 🙂 – die Behauptung: Das wird die Bezirksrevisorin (auch) nicht schlucken. Und damit wären dann wahrscheinlich drei Verfahren in der weiteren Beschwerde beim KG. Auf Leute, an die Arbeit….

Kampf gegen (erweiterten) Verfall, oder: Der Rechtsanwalt verdient nicht nur die zusätzliche Verfahrensgebühr

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Bei der zweiten gebührenrechtlichen Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den KG, Beschl. v. 20.12.2017 – 1 Ws 70/17. Ergangen zu einer Problematik der Nr. 4142 VV RVG, allerdings: Nicht zu früh freuen, der Beschluss betrifft noch das alte Recht vor der Änderung der Vermögensabschöpfung am 01.07.2017. Aber: Er hat Bedeutung auch für das neue Recht.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Vor dem LG wurde gegen den Verurteilten V, dem der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet war, und gegen weitere Personen ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das BtMG geführt, und zwar zunächst vor der 4. großen Strafkammer, die jeden der damaligen Angeklagten durch Urteil vom 16.10.2015 zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe verurteilte und gegen alle den erweiterten Verfall von Wertersatz in Höhe von insgesamt 253.490,00 € anordnete. Nachdem dieses Urteil auf die Revisionen des Verurteilten V sowie weiterer damaliger Angeklagter aufgehoben und das Verfahren an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen worden war, war die 25. große Strafkammer mit dem Verfahren befasst. In der sodann am 3., 20. und 25. 4. 2017 im Umfang der Aufhebung und Zurückverweisung durchgeführten neuen Hauptverhandlung, an der auch der Rechtsanwalt teilnahm, wurde im Hinblick auf eine etwaige „Einziehungs- oder Verfallsentscheidung“ nach § 430 Abs. 1 StPO a.F. verfahren, und zwar betreffend den Verurteilten V, der während des gesamten Verfahrens inhaftiert war, verbunden mit der Überbürdung der Kosten des Revisionsverfahrens, während seine notwendigen Auslagen für das Verfahren vor der 25. große Strafkammer der Landeskasse auferlegt wurden. Der Rechtspfleger hat für das Verfahren vor der 25. großen Strafkammer neben der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4142 VV RVG eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4113 VV RVG und drei Terminsgebühren gemäß Nr. 4115 VV RVG festgesetzt. Gegen die Festsetzung dieser Gebühren hat die Bezirksrevisorin Rechtsmittel eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4142 VV RVG die gesamte Tätigkeit des RA im Verfahren vor der 25. großen Strafkammer, wo es bezüglich des Verurteilten V allein um die erweiterte Wertersatzverfallsanordnung in Höhe von 239.700,00 € gegangen sei, abdecke. Die Rechtsmittel des Bezirksrevisors hatten keinen Erfolg.

Dazu das KG mit folgendem Leitsatz:

„Für den Vollverteidiger, der den Betroffenen auch gegen Abschöpfungsmaßnahmen verteidigt, entstehen nach revisionsgerichtlicher Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung in der neuen Tatsacheninstanz nicht nur die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG, sondern  auch die (gerichtliche) Verfahrensgebühr und Terminsgebühren, und zwar auch dann, wenn das Urteil nur im Ausspruch über die Abschöpfungsmaßnahme aufgehoben worden ist.“

Das ist richtig und entspricht auch den Kommentierungen in der gebührenrechtlichen Literatur. Sehr schön auch die Passage in dem Beschluss, in dem das KG zutreffend, der insoweit vom OLG Karlsruhe zum Anfall der Verfahrensgebühr und Terminsgebühr für eine vergleichbare Konstellation im Bußgeldverfahren (Nr. 5116 VV RVG) vertretenen anderen Ansicht, eine Absage erteilt:

„Auch die von der Bezirksrevisorin für ihre Auffassung reklamierte Rechtsprechung führt zu keinem anderen Ergebnis, wobei es im Hinblick auf den Beschluss des Kammergerichts vom 22. Mai 2006 – 4 Ws 7/06 – bei der zutreffenden Begründung der angefochtenen Entscheidung verbleibt, wonach dieser Beschluss, der nicht die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4142 VV RVG, sondern diejenige gemäß Nr. 4143 VV RVG betraf, keine Aussage zum Verhältnis der Gebührentatbestände aus Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 VV RVG und Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 5 VV RVG trifft. Im Übrigen hält der Senat dafür, dass es sich auch bei der Gebühr für die Verteidigertätigkeit im Adhäsionsverfahren um eine im vorstehenden Sinne zusätzliche Gebühr handelt, wenn dem Rechtsanwalt wie hier die Vollverteidigung übertragen war (vgl. dazu nur Hartmann, a.a.O., Nr. 4143 VV RVG Rdn. 1 und 8). Soweit die Bezirksrevisorin auf den Beschluss des OLG Karlsruhe vom 10. April 2012 – 1 AR 70/11 – verweist, wird lediglich angemerkt, dass die dort vertretene Ansicht zum Verhältnis der entsprechenden Regelungen im Bußgeldverfahren nach Teil 5 Abschnitt 1 VV RVG, welche – soweit ersichtlich – vereinzelt geblieben ist, aus den vorstehenden Gründen keine Zustimmung verdient.“

Und:

„Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die dargestellten Grundsätze auch bei der Festsetzung der notwendigen Auslagen eines Verteidigers gemäß §464b StPO zu beachten sind, die Rechtsanwalt F. gleichfalls beantragt hat, aber bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens zurückgestellt worden ist.“

Die RSV und der anwaltliche Rat zum Schweigen, oder: Zusätzliche Verfahrensgebühr?

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Zum Glück sind mir in der letzten Woche zwei gebührenrechtliche Entscheidungen übersandt worden. Sonst wäre es heute mau mit meinen gebührenrechtlichen Postings, da ich derzeit kaum gebührenrechtliche Entscheidungen, die sich für eine Berichterstattung eignen, vorliegen habe.

Hier dann also zunächst  das AG Düsseldorf, Urt. v. 10.10.2017 – 22 C 102/17, das mir der Kollege Demuth aus Düsseldorf übersandt hat. Er hat einen „Rückzahlungsprozess“ gewonnen, den eine Rechtsschutzversicherung gegen ihn geführt hatte. Der Kollege hatte – offenabr im Vorschussweg – als Verteidiger im Bußgeldverfahren auch die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG angesetzt. Die RSV hatte die gezahlt und forderte sie nun vom Kollegen zurück. Begründung: Der vom Kollegen erteilte Rat zum Schweigen, der dann zur Einstellung des Verfahrens geführt habe, habe nicht zum Entstehen der Nr. 5115 VV RVG geführt. Der Kollege hat sich geweigert, zurück zu zahlen. Und: Mit Recht, wie ihm das AG bescheinigt hat.

Das AG hat nämlich die Klage der RSV abgewiesen. Die Berechnung der Nr. 5115 VV RVG sei zu Recht erfolgt. Das AG bezieht sich zur Begründung seiner Auffassung auf die Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH NJW 2011, 1605 = AGS 2011, 128 = RVGreport 2011, 182 = VRR 2011, 118 = StRR 2011, 201 = RVGprofessionell 2011, 85 = JurBüro 2011, 244):

„Nach diesen Maßstäben kann die nach Nr. 5115 VV RVG erforderliche Mitwirkung gegeben sein, wenn der Verteidiger seinem Mandanten im  Bußgeldverfahren rät, zu dem erhobenen Vorwurf zu schweigen, und er die  entsprechende Entschließung seines Mandanten der Verwaltungsbehörde mitteilt (so genanntes gezieltes Schweigen; AG Charlottenburg AGS 2007, 309, 310; Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl. Nr. 5115 VV RVG Rn. 6; N. Schneider in AnwKommRVG, 5. Aufl. Nr. 5115 VV RVG Rn. 32; Bischof/Uher, RVG, 3. Aufl. Nr. 5115-5116 VV RVG Rn. 30b; Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl. Nr. 5100-5200 VV RVG Rn. 18; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl. Nr. 5115 VV RVG Rn. 1; Hartung in Hartung/Schons/Enders, RVG, Nr. 5115 VV RVG Rn. 9; zu S 84 Abs. 2 BRAGO: AG Bremen AGS 2003, 29; a.A. AG Hannover JurBüro 2006, 79; AG Halle AGS 2007, 85; AG Meinerzhagen AGS 2007, 454; AG Potsdam, Urt. v. 16. April 2009 – 36 C 31/09, n.V.; zu S 84 Abs. 2 BRAGO: AG Dinslaken JurBüro 1996, 308; AG Achern JurBüro 2001, 304). Die Behörde weiß nach einer solchen Mitteilung, dass sie einen Bußgeldbescheid nicht auf die Einlassung des Betroffenen stützen kann, sondern sich darüber klar werden muss, ob die übrigen Beweismittel für eine Ahndung ausreichen.  …….“

So liegt der Fall hier aber nicht. Denn die Klägerin hat nicht dargetan, dass die Behörde das Verfahren hat verjähren lassen, weil der Mandant des Beklagten aus offenkundigen Gründen nicht die dem Verfahren zu Grunde liegende Ordnungswidrigkeit begangen haben konnte. Der Verfahrensablauf spricht vielmehr dafür, dass die Behörde der Auffassung war, ohne Einlassung des Mandanten des Beklagten keine tatsächliche Grundlage für den Erlass eines Bußgeldbescheides zu haben. Es ist gerichtsbekannt, dass in diesen Fällen aus „optischen Gründen“ die Verfahren der „Verjährung zugeführt“ werden.“

Ich kenne den genauen Sachverhalt nicht. Aber es stellt sich dennoch die Frage: Wieso braucht die RSV für die Frage ein amtsgerichtliches Urteil?

In eigener Sache: Ich bin immer für die Übersendung gebührenrechtlicher Entscheidungen dankbar. Stelle sie dann gerne auf der Hoempage ein und berichte hier darüber. Auch, wenn sie falsch sind 🙂 .