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Nennt man es nun Ping-Pong, Jo-Jo oder Fahrstuhlrechtsprechung? Jedenfalls: Ein fürchterliches Hin und Her…

Der Kollege Hoenig hat gestern im Hinblick auf das Urt. des KG v. 07.03.2011 -1 Ss 423/10, über das ich aus anderen Gründen berichtet hatte (vgl. hier) über „Das Ping-Pong-Spiel der Justiz“ berichtet. Im KG-Urt. ging es nur um das Hin und Her zwischen AG, LG und KG.

Da kann man bequem noch einen drauf setzen, wenn man sich BGH, Beschl. v. 07.06.2011 – 4 StR 643/10 ansieht. Die behandelte Problematik ist u.a. ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht des Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 WÜK (heute geregelt in § 114b Abs. 2 Satz 3 StPO). In der Sache ging es auch um ein Beweisverwertungsverbot bei einem solchen Verstoß, dass der BGH übrigens abgelehtn hat. In dem Zusammenhnag wird dann sicherlich noch einmal über die Enstscheidung zu bereichten sein.

Interessant aber das Verfahren, das sich wie folgt darstellt:

  • Am 05.04.2002 Verurteilung des Angeklagten durch das LG wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren.
  • Am 29.03.2003 Verwerfung der Revision des Angeklagten gem. § 349 Abs. 2 StPO durch Beschluss des 5. Strafsenats des BGH – 5 StR 475/02 – (veröffentlicht in NStZ-RR 2004, 5) – Grund: Verstoß gegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
  • Aufhebung dieses Beschlusses sowie Zurückverweisung der Sache durch das BVerfG mit Kammerbeschluss vom 19.09.2006 (2 BvR 21115/01) u.a., NJW 2007, 499) wegen Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip)
  • Am 25.09.2007 erneute Verwerfung der Revision durch Beschluss des 5. Strafsenats des BGH (veröffentlicht in BGHSt 52, 48, 5 StR 116/01), allerdings mit der Maßgabe, dass von der verhängten Freiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten.
  • Am 08.07.2010 erneut Aufhebung des Beschl. v. 25.09.2007 auf die erhobene Verfassungsbeschwerde (2 BvR 2485/07, NJW 2011, 207) durch das BVerfG wegen eines Verstoßes gegen das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren. Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung an einen anderen Strafsenat des BGH.
  • Am 07.06.2011 nun die 3. Revisionsentscheidung des BGH in BGH, Beschl. v. 07.06.2011 – 4 StR 643/10.

Nennt man das nun Ping-Pong, Jo-Jo oder Fahrstuhlrechtsprechung? Jedenfalls ein fürchterliches Hin und Her, über das jetzt – weil das BVerfG vom 5. Strafsenat offenbar die Nase voll hatte, der 4. Strafsenat entscheiden durfte. Das ist – wie oben skizziert – geschehen. Sicherlich wird es noch eine 3. Auflage beim BVerfG geben, oder?

Einen Hinweis konnte sich der 4. Strafsenat übrigens nicht verkneifen – schönen Gruß an das BVerfG:

a) Der Senat sieht mit Blick auf die Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (§ 31 Abs. 1, § 93c Abs. 1 Satz 2 BVerfGG) davon ab, die Rüge gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO als unzulässig zu verwerfen, obwohl die Revision verschweigt, dass der Angeklagte sich am 20. November 2001 – nach Konsultation seines Verteidigers – erneut zur Sache eingelassen und die Richtigkeit seiner früheren Angaben bestätigt hat (Gerichtsakten Bl. 619-621). Diesem Umstand kommt, wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt, entscheidungserhebliche Bedeutung für die Frage nach einem Verwertungsverbot zu.“

Deutlicher Hinweis darauf, dass auch der 4. Strafsenat die Revision wohl als nicht ausreichend begründet ansieht (so schon der 5. Strafsenat am 29.03.2003). Man hält eben zusammen :-).

Fazit: Was hat es dem Angeklagten bisher gebracht: 6 Monate weniger Freiheitsstrafe. Mehr nicht. Die „Ersparnis“ hatte er aber schon im Beschl. v. 25.09.2007. An den hält sich der 4. Strafsenat nicht gebunden und kommt jetzt – fast vier Jahre später – erneut nur zu einer Kompensation von sechs Monaten.