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Schneckenpost aus Karlsruhe – das BVerfG schafft 1,75 Worte/Tag

© Elena Schweitzer - Fotolia.com

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Was ist an dem BVerfG, Beschl. v. 02.12.2014 – 1 BvR 3106/09 – so interessant, dass ich ihn hier im Blog bringe und er ja auch schon in anderen Blogs „gelaufen“ ist? Ist es die vom BVerfG in einem Zivilverfahren entschiedene Frage zu Rechtsmitteln in Zusammenhang mit richterlichen Mitteilungen aus dem Verfahren an nichtverfahrensbeteiligte Dritte, die zu dem Leitsatz:

„Die richterliche Mitteilung von Informationen an nichtverfahrensbeteiligte Dritte ist nicht allein deshalb eine der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG entzogene spruchrichterliche Tätigkeit, weil sie aus einem laufenden Rechtsstreit heraus erfolgt.“

geführt hat? Das OLG Düsseldorf hatte einen Antrag des Beschwerdeführers, der sich gegen die Übersendung eines OLG-Beschlusses aus einer familienrechtlichen Akte an den Dienstherrn gewandt hatte, als unzulässig angesehen und das Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG verneint. Zur Begründung hatte es sich auf die richterliche Unabhängigkeit des Amtsrichters, der die Auskunft erteilt hatte, bezogen. Auch § 299 ZPO hatte das OLG als nicht einschlägig angesehen. So weit, so gut – das BVerfG hat das anders gesehen und unter Hinweis auf Art. 19 Abs. 4 GG einen wirkungsvollen Rechtsschutz eingefordert.

Aber das macht die Entscheidung für einen Strafrechtler m.E. nicht so interessant, zumal die Fragen im Strafrecht in den §§ 474 ff. StPO auch hinsichtlich der Rechtsmittel einigermaßen geklärt sind. Nein, interessant finde ich den zeitlichen Ablauf in dem Verfahren. Und zwar:

Der angegriffene Beschluss des OLG Düsseldorf datiert vom 25.11.2009 (ja, 2009 – kein Schreibfehler). Wann er dem Beschwerdeführer zugestellt worden ist und wann der Verfassungsbeschwerde eingelegt hat, kann man dem Beschluss nicht entnehmen. Aber es muss noch 2009 gewesen sein, da der Beschluss ein Aktenzeichen aus 2009 trägt. Ergangen ist die Entscheidung des BVerfG am 02.12.2014 (ja, 2014 – auch das ist kein Schreibfehler). Der Einfachheit halber kann man sagen, also wahrscheinlich genau oder fast genau 5 Jahre (ja, auch kein Schreibfehler) nach Erlass der Entscheidung und/oder Eingang der Verfassungsbeschwerde. Das sind also rund 1.825 Tage, die das BVerfG für diese Entscheidung gebraucht hat.

Die Statistik bei Word sagt mir, dass der Beschluss 347 Zeilen, 3.208 Worte, 20.426 Zeichen und 23.635 Buchstaben mit Leerzeichen hat. Das bedeutet: Das BVerfG hat pro Tag

  • 0,19 Zeilen,
  • ca. 1,75 Worte,
  • 11,20 Zeichen und/oder
  • 12,95 Buchstaben mit Leerzeichen

geschrieben. Daraus folgt z.B., dass man für das Wort „Bundesverfassungsgericht“, das 24 Buchstaben hat, rund zwei Tage gebraucht hat. Und das in einem Verfahren, in dem es um „wirkungsvollen Rechtsschutz“ geht. Da fragt man sich dann, jedenfalls frage ich mich, ob da nicht der „wirkungsvolle Rechtsschutz“ ad absurdum geführt wird, wenn man dem Beschwerdeführer nach fünf Jahren bescheinigt, dass ihm nicht ausreichender Rechtsschutz gewährt worden ist. Und da ist m.E. der Begriff „Schneckenpost“ berechtigt, oder?

Ich weiß, ich weiß. Das BVerfG ist überlastet. Das zeigt ja hier auch das Aktenzeichen – „3106/09“ -, also mehr als 3.000 Verfahren  beim 1. Senat des BVerfG im Jahr 2009. Aber ist man so überlastet, dass man für 3.208 Worte fünf Jahre braucht? Ich wage, da leichte Zweifel anzubringen. M.E. heben solche Abläufe wie in 1 BvR 3106/09 auch nicht unbedingt die Bereitschaft der Instanzgerichte, Entscheidungen des BVerfG anzuerkennen, wenn sie vom BVerfG, z.B. im Strafverfahren wegen Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes in Haftsachen,  gerügt werden. Also etwas schneller könnte/sollte es schon gehen.