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Klassischer Fehler XII: Mal wieder letztes Wort nicht gewährt

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Über Verfahrensfehler in Zusammenhang mit der Gewährung/Nichtgewährung des letzten Wortes (§ 258 StPO) habe ich hier schon häufiger berichtet (vgl. z.B. Letztes Wort vergessen? Kein Problem. Machen wir es eben noch mal. – So geht es aber nicht., oder: Das letzte und (zunächst auch) das allerletzte Wort – das hat der Angeklagte). Fehler werden in dem Zusammenhang häufig gemacht, wenn nach dem zunächst gewährten letzten Wort – ich will es mal untechnisch ausdrücken – „in der Hauptverhandlung noch irgendetwas passiert“, dann aber dem Angeklagten ggf. nicht noch einmal die Gelegenheit zum letzten Wort gegeben worden ist.

So auch der Geschehensablauf, der dem BGH, Beschl. v. 24.06.2014 – 3 StR 185/14– zugrunde liegt. Da hatten der Angeklagte und der Nebenkläger im Hauptverhandlungstermin v. 16.12.2013  im Adhäsionsverfahren einen Vergleich über die Zahlung von 15.000 € geschlossen, wobei ein Teilbetrag von 5.000 € am 18.12.2013 fällig war. Nachdem dann die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und die Verteidiger des Angeklagten an demselben Prozesstag ihre Schlussvorträge gehalten und ihre Anträge gestellt hatten, hatte der Angeklagte das letzte Wort. Am darauf folgenden Sitzungstag, dem 18.12.2013, übergab der Angeklagte an den Nebenkläger 5.000 € in bar. Nach Beratung wurde sodann das Urteil verkündet, ohne dass dem Angeklagten (erneut) das letzte Wort gewährt wurde. Das Urteil enthält dann später die Feststellung der Zahlung von 5.000 €.

Der BGH hebt auf:

Diese Verfahrensweise verstieß gegen § 258 Abs. 2 Halbsatz 2, Abs. 3 StPO.

Im Falle des Wiedereintritts in die Hauptverhandlung müssen die in § 258 StPO vorgeschriebenen Worterteilungen – mithin auch das letzte Wort des Angeklagten im Sinne des § 258 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO – wiederholt werden. Ein Wiedereintritt in die Hauptverhandlung setzt keinen Gerichtsbeschluss oder eine sonstige ausdrückliche Anordnung voraus, sondern kann auch stillschweigend geschehen. Er liegt insbesondere bei allen Prozesshandlungen vor, die ihrer Natur nach in den Bereich der Beweisaufnahme gehören (vgl. LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 258 Rn. 4 ff., 7). So verhielt es sich hier:

Die sich aus den Urteilsgründen ergebende Feststellung des Landgerichts über die Barzahlung von 5.000 € war ein – selbständiges, nicht nur einen Annex zum Vergleichsschluss darstellendes – zur Beweisaufnahme im „materiellen Sinne“ (vgl. LR/Becker, aaO, § 244 Rn. 3) über die Wiedergutmachung des vom Angeklagten angerichteten Schadens gehörendes Prozessgeschehen. Es führte daher – auch ohne eine förmliche Anordnung der Fortsetzung der Beweisaufnahme – zum Wiedereintritt in die Hauptverhandlung und machte eine Wiederholung der in § 258 StPO vorgeschriebenen Worterteilungen einschließlich der Gewährung des letzten Wortes des Angeklagten erforderlich.

Dieser Rechtsfehler hat die Aufhebung des Strafausspruches zur Folge. Die Nichterteilung des letzten Wortes begründet nicht ausnahmslos die Revision, sondern nur dann, wenn und soweit das Urteil darauf beruht. Dies kann in-des nur in besonderen Ausnahmefällen ausgeschlossen werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 1968 – 4 StR 190/68, BGHSt 22, 278, 280 f.; LR/Stuckenberg, aaO, Rn. 60 ff., 69). Vorliegend kann der Senat im Hinblick auf die Beweislage zur Täterschaft des Angeklagten, der diese nach den Gesamtumständen eingeräumt hat, und die Tatsache, dass das nach dem letzten Wort des Angeklagten stattgefundene Prozessgeschehen ausschließlich für die Strafzumessung relevant war, ausschließen, dass der Schuldspruch auf dem Verfahrensverstoß beruht. Dies gilt indes nicht für den Strafausspruch (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 1999 – 4 StR 117/99, NStZ 1999, 473). Dieser bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.

M.E. ist/wäre man als Strafkammer „auf der sicheren Seite“, wenn man immer dann, wenn nach dem letzten Wort „noch etwas passiert“ ist, dem Angeklagten sicherheitshalber noch einmal das letzte Wort gewähren würde. Schaden kann das m.E. jedenfalls nicht.

Klassischer Fehler V: Der übersehene Wiedereintritt in die Beweisaufnahme

© Corgarashu – Fotolia.com

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Die Reihe: „Klassischer Fehler….“ setze ich dann heute mal fort mit dem BGH, Beschl. v. 11.03.2014 – 5 StR 70/14: Nichts Weltbewegendes, aber in meinen Augen eben doch ein klassischer Fehler, der immer wieder zur Aufhebung führt. Nämlich der übersehene Wiedereintritt in die Beweisaufnahme und das danach nicht noch einmal gewährte letzte Wort, also ein Verstoß gegen § 258 StPO. Dazu ganz klassisch und kurz der BGH:

„a) Am 21. Hauptverhandlungstag wurde die Beweisaufnahme geschlossen; der Staatsanwalt hielt seinen Schlussvortrag. Am folgenden Hauptverhandlungstag plädierten die Verteidiger; der Angeklagte S. gab eine Schlusserklärung ab, der Angeklagte G. nahm die hierzu eingeräumte Gelegenheit nicht wahr. Nachdem beide Angeklagte das letzte Wort gehabt hatten, wurde die Sitzung unterbrochen. Zu Beginn des letzten Hauptverhandlungstages stellte der Verteidiger des Angeklagten S. mehrere Beweisanträge, zu denen der Staatsanwalt Stellung nahm, denen sich der Verteidiger des Angeklagten G. anschloss und die sodann mit gerichtlichen Beschlüssen zurückgewiesen wurden. Im Anschluss wurde das Urteil verkündet, ohne dass die Angeklagten nochmals Gelegenheit zum letzten Wort gehabt hätten.

b) Diese durch das Sitzungsprotokoll bewiesene (§ 274 Satz 1 StPO) Verfahrensweise hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Denn das Landgericht war wieder in die Beweisaufnahme eingetreten, indem es Beweisanträge entgegengenommen, hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und die Anträge durch Beschlüsse zurückgewiesen hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1988 – 4 StR 543/88, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 6). Das nahm den vorausgegangenen Schlusserklärungen der Angeklagten (bzw. der Gelegenheit hierzu) die Bedeutung des letzten Wortes und machte dessen nochmalige Gewährung erforderlich (BGH, Urteil vom 25. Juli 1996 – 4 StR 193/96, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 8; BGH, Beschluss vom 10. März 1998 – 1 StR 32/98). Ein Fall, in dem dies ausnahmsweise für entbehrlich erachtet werden könnte, liegt nicht vor.

c) Der Verfahrensverstoß macht die Aufhebung des Urteils, soweit es die Beschwerdeführer betrifft, notwendig. Die Nichterteilung des letzten Wortes begründet zwar nicht stets und ausnahmslos die Revision, sondern nur dann, wenn und soweit das Urteil auf dem Fehler beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Dies ist hier indes nicht auszuschließen. Denn die Angeklagten haben zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen geschwiegen; möglicherweise hätten sie sich erstmalig zur Sache geäußert, wenn ihnen die Gelegenheit zum letzten Wort noch einmal eingeräumt worden wäre (vgl. BGH aaO).“

Mal wieder das „letzte Wort“ nicht gewährt…

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Letztes/allerletztes Wort spielt im Bereich der revisionsrechtlichen Verfahrensrügen insofern eine große Rolle, weil Verfahrensfehler in dem Bereich i.d.R. zur Aufhebung führen. Fehler werden hier insbesondere dann gemacht, wenn dem Angeklagten zwar das letzte Wort gewährt, dann aber noch Erörterungen in der Hauptverhandlung stattfinden und danach dann dem Angeklagten nicht noch einmal das (aller)letzte Wort gewährt wird. Und die Gefahr, in der die Instnazgerichte bzw. deren Urteile an der Stelle schweben, ist, wie der BGH, Beschl. v. 18.09.2013 – 1 StR 380/13 beweist groß, bzw. es ist nur ein schmaler Graft, auf dem man wandelt. In dem in einem Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern ergangenen Beschluss heißt es:

„1. Zwar ist dem Angeklagten nach Beendigung der Beweisaufnahme und den Schlussvorträgen von Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung zunächst die Möglichkeit zum letzten Wort gewährt worden, die er auch zu Ausführungen genutzt hat. Jedoch ist das Landgericht nach einer Unterbrechung der Hauptverhandlung und geheimer Beratung des Gerichts wieder in die Verhandlung eingetreten und hat der Neben- und Adhäsionsklägerin durch Beschluss für das Adhäsionsverfahren Prozesskostenhilfe gewährt. Hieran anschließend hätte dem Angeklagten erneut Gelegenheit zum letzten Wort erteilt werden müssen, weil – worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist – jeder (auch stillschweigende) Wiedereintritt in die Verhandlung den vorausgegangenen Ausführungen des Angeklagten die rechtliche Bedeutung als Schlussvortrag und als letztes Wort nimmt und die erneute Beachtung des § 258 StPO erforderlich macht (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 1 StR 3/10, NStZ-RR 2010, 152 mwN). Diese Verpflichtung besteht nur dann nicht, wenn nach dem letzten Wort ausschließlich Vorgänge erörtert wer-den, die auf die gerichtliche Entscheidung keinen Einfluss haben können (vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 1987 – 1 StR 94/87, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 2). Solches war hier jedoch nicht der Fall, weil die Strafkammer (unter Einschluss der Schöffen) nach Gewährung des letzten Wortes die Erfolgsaussicht des Adhäsionsantrags geprüft und dann in öffentlicher Verhandlung mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe die hinreichende Aussicht dieses Antrags auf Erfolg auch bejaht hat. Die somit gebotene erneute Erteilung des letzten Wortes ist unterblieben. Dies stellt einen Verstoß gegen § 258 Abs. 2 StPO dar….“

Als Vorsitzender kann man sich gegen Fehler an der Stelle m.E. nur dadurch schützen, dass man, auch wenn dem Angeklagten schon das letzte Wort gewährt ist, ihn noch mal reden lässt, wenn nach dem „letzten Wort“ noch etwas erörtert worden ist.