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Wenn die Rechtsschutzversicherung einen bestimmten SV wünscht, oder: Nicht mit dem BGH

Im samstäglichen „Kessel Buntes“ verweise ich dann heute zunächst auf das BGH, Urt. v. 14.08.2019 – IV ZR 279/17, das in einem Verfahren gegen einen Rechtsschutzversicherer ergangen ist.Der Kundige sieht: Tiefstes Versicherungsrecht, aber mit straßenverkehrsrechtlichem Einschlag und/oder straßenverkehrsrechtlicher Bedeutung.

In der Sache ging es nämlich um Folgendes: Der Kläger hat die beklagte Rechtsschutzversicherung auf Freistellung von Vergütungsansprüchen eines Sachverständigen in Anspruch genommen. Der Kläger ist mitversicherte Person eines bei der Beklagten unterhaltenen Rechtsschutzversicherungsvertrages. Dem Vertrag liegen unstreitig die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung 2010 (im Folgenden: ARB) zugrunde, in denen in § 17 das Verhalten nach Eintritt eines Rechtsschutzfalls geregelt ist.

Nachdem gegen den Kläger ein Bußgeldbescheid wegen eines Abstandsverstoßes ergangen war, beauftragte er einen Rechtsanwalt mit seiner Verteidigung. Dieser erbat von der Beklagten eine Kostendeckungszusage für ein Sachverständigengutachten, welche die Beklagte erteilte, und zwar wie folgt: „Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt …,bedingungsgemäß bestätigen wir Kostenschutz für ein Sachverständigengutachten. Bitte beauftragen Sie hiermit die…Sachverständigengesellschaft …Bitte betrachten Sie dieses als Weisung im Sinne unserer Versicherungsbedingungen und des VVGs!

Der anwaltliche Vertreter des Klägers beauftragte einen anderen Sachverständigen, der 711,80 € brutto berechnete. Die Beklagte erstattete 500 €. Zur Freistellung von der darüber hinausgehenden Vergütung sah sie sich nicht verpflichtet, weil bei Beauftragung der von ihr benannten Sachverständigengesellschaft lediglich eine Vergütung von 400 € netto angefallen wäre. Mit seiner Klage hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Freistellung von den restlichen Gutachterkosten in Höhe von 211,80 € nebst Zinsen beantragt. Damit hatte er weder beim AG noch beim LG Erfolg. Die Revision hatte Erfolg.

Der BGH macht in seinem Urteil einige Ausführungen zu einem von der Beklagten – die noch in der Revisionsinstanz anerkannt hatte – beantragten Anerkenntnisurteil. Damit befassen sich die Ziffern 1 und 2 der amtlichen Leitsätze. Die Ziffern 3 und 4 befassen sich mit der Sachfrage

1. Die Regelung des § 555 Abs. 3 ZPO ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen das Anerkenntnis erst nach Beginn der mündlichen Revisionsverhandlung erklärt worden ist.

2. Besteht der Kläger nach Anerkenntnis der beklagten Partei im Revisionsverfahren auf einer streitigen Entscheidung, unterliegt der Vortrag der beklagten Partei, sie habe die Klageforderung nach Erlass des Berufungsurteils erfüllt, gemäß § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts. Das gilt auch dann, wenn die Erfüllung unstreitig ist.

3. Die Schadensminderungsklausel des § 17 Abs. 1 c) bb) der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2010) ist intransparent.

4. Die Zurechnungsklausel des § 17 Abs. 7 ARB 2010 benachteiligt den Versicherungsnehmer unangemessen.

Mit der Entscheidung dürfte dann wohl die Praxis der Rechtsschutzversicherungen, Weisungen hinsichtlich der Beauftragung von Sachverständigen zu erteilen, erledigt sein. Wird die RSV und deren „Haus-und-Hof-Sachverständigen“ – wenn man sie so nennen will – nicht freuen.

<<Werbemodus an >> „Miterstritten“ hat das Urteil übrigens die VUT aus Saarbrücken. Deren Geschäftsführer Herr H.-P. Grün ist Mitherausgeber des Buches „Messungen im Straßenverkehr“, dessen 5. Auflage kurz vor dem Erscheinen steht (zur Vorbestellung geht es hier); die VUT hatte ja auch schon vor ein paar Tagen auf dieses Urteil in ihrem Newsletter hingewiesen. Und deshalb das Bild 🙂 <<Werbemodus aus>>

Führungsaufsicht II, oder: Wenn das Tätigkeitsverbot zu einem Berufsverbot wird

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Und dann noch einmal zu Weisungen für die Dauer der Führungsaufsicht, und zwar der KG, Beschl. v. 06.12.2016 – 2 Ws 248/16. Es geht um ein sog. Tätigkeitsverbot gegen einen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern Verurteilten. Dem ist u.a. die Weisung erteilt worden:

„a) keinerlei berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit auszuüben, bei denen er mit Kindern und Jugendlichen Kontakt hat, wie Dozent im Bildungseinrichtungen oder Schulen, Erzieher, Jugendtrainer, Jugendbetreuer pp. sowie ohne jegliche Altersbeschränkung keinerlei berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit im Zusammenhang mit Flüchtlingen auszuüben (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB); (…)

Das KG sieht das als rechtmäßig an:

aa) Soweit der Beschwerdeführer sich gegen die Weisung wendet, keinerlei berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit im Zusammenhang mit Flüchtlingen auszuüben, gilt das Folgende:

(1) Die Weisung findet ihre gesetzliche Grundlage in § 68b Abs. 1 Nr. 4 StGB. Zu der Überprüfung, ob eine Weisung im Einzelfall gesetzeswidrig ist, gehört neben der Prüfung, ob die angefochtene Entscheidung in der angewendeten Vorschrift eine ausreichende Rechtsgrundlage hat, auch in jedem Fall die Prüfung, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten ist (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Juni 2008 – 2 Ws 239/08 – [juris] = StraFo 2008, 408). Das folgt bereits aus § 68b Abs. 3 StGB, wonach „keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung der verurteilten Person gestellt werden“ dürfen.

Dabei ist zunächst der Zweck der Maßregel zugrunde zu legen. Die Führungsaufsicht (nach § 68f StGB) hat die Aufgabe, auch nach Haftentlassung noch gefährliche oder mindestens gefährdete Täter in ihrer Lebensführung in Freiheit über einen kritischen Zeitraum hinweg zu unterstützen und zu überwachen, um sie von weiteren Straftaten abzuhalten (vgl. BVerfGE 55, 28, 29 = NStZ 1981, 21). Um die notwendige Hilfe und Kontrolle zu gewährleisten, sind regelmäßig Weisungen sinnvoll und erforderlich, die auf die von dem Verurteilten ausgehende Gefährlichkeit möglichst genau abzustimmen sind. Bei der Auswahl und Anordnung solcher Weisungen hat die Strafvollstreckungskammer einen Ermessensspielraum (vgl. zu diesen Grundsätzen insgesamt: ThürOLG, Beschluss vom 2. März 2006 – 1 Ws 66/06 – [juris]). Bei dieser Ermessensentscheidung sind unter anderem die Taten des Verurteilten, seine Entwicklung im Vollzug, seine Persönlichkeit und sein Umfeld zu berücksichtigen.

Die im angefochtenen Beschluss ausgesprochene Untersagung einer Tätigkeit im Zusammenhang mit Flüchtlingen auszuüben, stellt für den Verurteilten ein sein durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschütztes Grundrecht auf freie Berufswahl einschränkendes (und dem Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG unterliegendes) Verbot dar. Das Grundrecht gewährleistet, jede erlaubte Tätigkeit zu ergreifen; das gilt unabhängig davon, ob sie einem traditionell oder rechtlich fixierten Berufsbild entspricht (vgl. Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 4. März 2008 – 2 Ws 205/07 – [juris]).

Eine weitgehende Beschränkung ist indessen grundsätzlich zulässig und hier auch im Einzelfall rechtmäßig. Der Senat hat sich der letztlich überzeugend begründeten Auffassung der Oberlandesgerichte Hamburg und Hamm angeschlossen (vgl. Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 4. März 2008 – 2 Ws 205/07 – [juris]; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 90 mit weit. Nachweisen auch zur Gegenauffassung; vgl. Senat, Beschluss vom 2. September 2015 – 2 Ws 198/15 – [juris]). Danach ist es im Rahmen der Führungsaufsicht auf der Grundlage von § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB grundsätzlich möglich, auch Tätigkeitsverbote auszusprechen, die in ihrer Wirkung einem Berufsverbot gleichkommen. Dem Wortlaut des § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB ist eine Beschränkung der Weisungsbefugnis auf Tätigkeitsverbote, die die Wirkung eines Berufsverbotes nicht erreichen, nicht zu entnehmen. Auch der Regelungszusammenhang und der Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten eine derartige einschränkende Auslegung nicht. Die Vorschrift konkurriert –  jedenfalls in den hier interessierenden Fällen der nachträglichen Weisung – in Wahrheit auch nicht mit den §§ 70 ff. StGB, weil sie vor allem auf den (erfolglosen) Vollzugsverlauf bezogen ist, während die §§ 70 ff. StGB an die Tat(en) und die Persönlichkeit des Täters vor der Einwirkung des Strafvollzuges anknüpfen. Damit liegt der tatrichterlichen Gefahrenabwehrprognose (in Bezug auf § 70 StGB) und der vollstreckungsgerichtlichen (in Bezug auf § 68b StGB) praktisch nie eine völlig identische Tatsachenbasis zu Grunde (vgl. auch Peglau in: jurisPR-StrafR 11/2008 Anm. 1) und die Gefahr einer Urteilskorrektur im Vollstreckungsverfahren – wie sie von der Gegenansicht befürchtet wird (vgl. Groß, jurisPR-StrafR 1/2016 Anm. 5; Schneider in: Leipziger Kommentar, StGB 12. Aufl., § 68b Rdn. 25, 26) – besteht somit regelmäßig nicht. So ist es auch hier. Im Erkenntnisverfahren hatte das verurteilende Gericht (ausweislich der Urteilsgründe) ein – wie auch immer geartetes – Berufsverbot nicht geprüft.

(2) Es bleibt im Einzelfall zu erwägen, ob eine derartige Weisung verhältnismäßig ist, wobei diese Prüfung auch zum Prüfungsumfang des Beschwerdegerichtes nach §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 2 StPO gehört (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 14. November 2013 – III-3 Ws 279/13 – [juris]). Die Strafvollstreckungskammer hat in ihrer Entscheidung die Weisung damit begründet, dass der Verurteilte ausweislich der Gründe der Urteile des Landgerichte Landshut und Berlin eine sexuelle Präferenzstörung in Bezug auf pubertierende und postpubertierende männliche Jugendliche aufweise. Zudem bestehe eine Affinität zu Kindern und Jugendlichen aus anderen Kulturkreisen….

Das Urteil des Landgerichts Landshut enthält dazu u.a. folgende Feststellungen: Der Verurteilte X habe auf einer seiner Reisen nach Haiti im März 2010 … einen … Straßenjungen kennengelernt und das Kind auf seine Kosten privat zunächst in Haiti und später in der Dominikanischen Republik untergebracht. Bereits unmittelbar nach dem Kennenlernen als auch bei zwei weiteren Aufenthalten des Verurteilten in Haiti und in der Dominikanischen Republik im Jahre 2010 sei es in vier Fällen zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten auf das noch nicht 14 Jahre alte Kind gekommen.

Das Urteil des Landgerichts Berlin enthält folgende Feststellungen: Während einer Reise in die Dominikanische Republik habe der Verurteilte an zwei Tagen zwischen dem 27. Januar 2011 und dem 11. Februar 2011 in einem Hotelzimmer … an zwei ihm bereits seit längerem bekannten Kindern den Oralverkehr durchgeführt. Dabei sei ihm aufgrund des knabenhaften Äußeren der beiden Geschädigten bewusst gewesen, dass sie sich noch im Kindesalter befanden.

Das Landgericht Landshut stellte weiter fest, dass der Verurteilte zusammen mit einem weiteren Täter einen Jungen (mit dessen Einverständnis) am 12. Februar 2011 nach München gebracht habe. Wie vorab mit dem Verurteilten X und dem Jungen vereinbart, sei der Mittäter bei der Grenzkontrolle als Vater des Jungen aufgetreten und habe für seinen angeblichen Sohn einen echten, aber auf falsche Personalien lautenden, brasilianischen Reisepass vorgelegt, um den Jungen nach Deutschland einzuschleusen. Dadurch habe der Mittäter, der selbst aufgrund der Heirat mit einer deutschen Staatsangehörigen im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland gewesen sei, in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit dem Verurteilten X auch den Aufenthalt des Jungen in der Bundesrepublik Deutschland ermöglichen wollen, obwohl beide Mittäter wussten, dass das Kind weder im Besitz eines gültigen Reisepasses noch eines Aufenthaltstitels war. … Bereits bei der Einreise am Flughafen München seien der Beschwerdeführer und der zwischenzeitlich ebenfalls abgeurteilte Mittäter festgenommen worden.

Das Verbot jedweder Tätigkeit im Rahmen der Flüchtlingshilfe hat die Strafvollstreckungskammer damit begründet, dass eine Trennung zwischen erwachsenen Flüchtlingen und den mit ihnen familiär oder auch nur (z.B. durch die Unterbringung) sozial verbundenen Kindern, nicht möglich sei. Die Weisung solle das Abgleiten des Verurteilten in „pädosexuelle Aktivitäten“ frühzeitig verhindern helfen.

Der Beschluss weist aus, dass die Strafvollstreckungskammer, das ihr eingeräumte Ermessen nicht nur erkannt, sondern auch ausgeübt hat. Eine Korrektur dieser Entscheidung käme nur in Betracht, wenn sie die Grenzen ihres Ermessens verkannt oder im engeren Sinne unverhältnismäßig entschieden hätte.

Es kann im Hinblick auf die letzte Verurteilung des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung seiner Vorstrafen, die seit 1996 wiederholt Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern betrafen, jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass der Verurteilte versucht sein könnte, wenn er im Rahmen einer sozialen Tätigkeit für Familien tätig würde, vergleichbare Straftaten zu begehen. Die Weisung hält sich damit nicht nur im Rahmen des Gesetzes, sondern ist auch im Einzelfall nicht unverhältnismäßig, denn die Verhinderung von Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern ist ein Schutzziel, das den Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG rechtfertigt.“

Abstinenzweisung beim Suchtkranken? – Geht nicht = unzulässig….

© macrovector - Fotolia.com

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Eine Frage, die in der Praxis immer wieder eine – für die Betroffenen – erhebliche Rolle spielt und die nicht unumstritten ist, entscheidet (noch einmal) der schon etwas ältere OLG Saarbrücken, Beschl. v. 13.07.2015 – 1 Ws 114/15. Es ist die Frage nach der Zulässigkeit der sog. Abstinenzweisung bei einem langjährig und manifest suchtkranken Verurteilten (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB). Zulässig oder unzulässig, weil es sich um einen unzumutbaren Eingriff in die Lebensführung des Verurteilten handelt. Das OLG geht davon aus:

„a) Mit der durch das am 18. April 2007 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung (BGBl. I, S. 531) neu in den nach 145a StGB strafbewehrten Katalog der Weisungen nach § 68b Abs. 1 StGB eingefügten Möglichkeit einer „Abstinenzweisung“ gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB wollte der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass der Missbrauch von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln in vielen Fällen einen zentralen Risikofaktor für eine gelungene Resozialisierung darstellt, weshalb es „für einen rückfallfreien Verlauf“ vielfach entscheidend darauf ankomme, Tendenzen des Abgleitens in einen erheblichen Suchtmittelmissbrauch frühzeitig zu erkennen und ihnen zu begegnen (vgl. BT-Drucks. 16/1993, S. 19). Als Weisungsadressaten kommen daher vor allem im Straf- oder Maßregelvollzug erfolgreich behandelte alkohol- oder drogensüchtige Straftäter in Frage, denen die Weisung dazu dienen soll, in der Zeit nach ihrer Entlassung die erforderliche Abstinenz gegen Rückfälle abzusichern (vgl. Schneider, NStZ 2007, 441, 443; Fischer, aaO., § 68b Rn. 12; OLG Hamm, Beschl. vom 10.01.2013 – 5 Ws 358/12 und 5 Ws 359/12, Rn. 39 nach juris).

b) Gegenüber einem – wie hier – langjährig und manifest suchtkranken Verurteilten, der bislang nicht oder nicht erfolgreich behandelt werden konnte, scheidet eine Weisung nach 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB hingegen nach vom Senat für zutreffend erachteter Auffassung aus, da sie an die Lebensführung des Verurteilten unzumutbare Anforderungen stellen würde (vgl. OLG Dresden NJW 2009, 3315, 331; OLG Celle NStZ-RR 2010, 91 f. – Rn. 6 ff. nach juris; Schneider, aaO.; Fischer, aaO., § 68b Rn. 12, 12b; Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, aaO.; LKSchneider/StGB, 12. Aufl., § 68b Rn. 36; a. A.: OLG Köln NStZ.RR 2011, 62 f. – Rn. 10 ff. nach juris; OLG Rostock NStZ-RR 2012, 222 f. – Rn. 15 ff. nach juris; differenzierend: OLG Hamm, aaO., das auf die Umstände des Einzelfalls abstellen will; OLG München NStZ-RR 2012, 324 f. – Rn. 12 nach juris, das eine Abstinenzweisung bei Unfähigkeit zur Ab-stinenz für unzumutbar hält, Abstinenzfähigkeit aber bei einem Heroinabhängigen bejaht, der im Strafvollzug abstinent war und hierzu auch „in einer geschützten Umgebung bei lebensbegleitender Therapie“ in der Lage wäre; OLG Bamberg, Beschl. v. 18.06.2014 – 3 Ss 76/14, Rn. 3 nach juris). Denn von ihm würde ein Verhalten – nämlich Suchtmittelfreiheit – verlangt, zu dem er bedingt durch seine Suchterkrankung von vornherein nicht in der Lage ist. Weder während seiner neun Tage andauernden therapeutischen Behandlung im Rahmen der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG im Dezember 2013 noch im anschließenden Strafvollzug ist es dem Verurteilten gelungen, drogenfrei zu leben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird er, da lediglich eine erfolgreich absolvierte stationäre Drogentherapie eine realistische Chance auf eine Heilung von der langjährigen Drogensucht böte, auch nunmehr in Freiheit abermals Betäubungsmittel (insbesondere Heroin und Kokain) konsumieren. Ein nach § 145a StGB mit Strafe bedrohter Weisungsverstoß wäre daher vorprogrammiert. Entsprechend dem Zweck der Führungsaufsicht, gefährliche oder rückfallgefährdete Straftäter in ihrer Lebensführung in Freiheit über gewisse kritische Zeiträume hinweg zu unterstützen und zu überwachen, um sie von künftigen Straftaten abzuhalten (vgl. OLG Celle, aaO., Rn. 8 nach juris; Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, aaO., § 68 Rn. 3; Fischer, aaO., Vor § 68 Rn. 2; LK-Schneider, aaO., Vor § 68 Rn. 3), sollen Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht dazu dienen, den Verurteilten von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten oder die insoweit bestehende Gefahr zumindest zu verringern (vgl. Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, aaO., § 68b Rn. 1; Fischer, aaO., § 68b Rn. 2). Durch eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB gegenüber einem langjährig und manifest Drogenabhängigen würde dieser Zweck geradezu in sein Gegenteil verkehrt, indem bereits ein ansonsten straffreier bloßer Konsum von Drogen unter Strafe gestellt wird. Die von dem Verurteilten im Rahmen seiner Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer erklärte Überlegung, „ins Substitutionsprogramm zu gehen“, ändert hieran nichts, sondern bestätigt gerade das Fortbestehen der Suchterkrankung.

c) Die Argumente der Gegenauffassung geben dem Senat keine Veranlassung für eine hiervon abweichende Beurteilung…….“

Das zulässige Verbot der Internetnutzung als Bewährungsauflage….

© Maksim Kabakou Fotolia.com

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Auch mit Strafvollstreckung zu tun hat der OLG Hamm, Beschl. v. 10.11.2015 – 1 Ws 507 u. 508/15. Der Verurteilte ist wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften zu mehreren Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt worden. Die StVK hat die Vollstreckung der Strafreste in beiden Sachen nach Verbüßung von Zwei-Dritteln der erkannten Strafen zur Bewährung ausgesetzt. In dem Beschluss hat es dem Verurteilten (u.a.) folgende Weisung erteilt: „5. Dem Verurteilten wird darüber hinaus untersagt, einen Internetanschluss zu betreiben oder in sonstiger Weise vorzuhalten und zu nutzen.“ Die Weisung hat der Verurteilte angegriffen. Er hat dazu angeführt, dass er für eine angestrebte Umschulung bei der E Akademie das Internet benötige. Ferner sei eine Arbeitsplatzsuche ohne Internet kaum möglich und die Kommunikation mit Ämtern und die Wohnungssuche sei wesentlich erschwert. Die Umschulungsmaßnahme erfordert eine Internetnutzung „vor Ort“, während Hausaufgaben nicht aufgegeben werden. Die Bewährungshelferin des Verurteilten hat sich  dafür ausgesprochen, dem Verurteilten eine Internetnutzung in den Räumlichkeiten der E Akademie zu gestatten. Diese Gestattung hat die StVK dann ausgesprochen.

Inzwischen hat er erneut die Aufhebung der Weisung beantragt. Den Antrag hat die StVK zurückgewiesen. Das OLG hat das bestätigt:

„….Die Weisung selbst ist ebenfalls hinreichend bestimmt. Sie untersagt den Betrieb jeglichen Internetanschlusses durch den Verurteilten selbst, bzw. das sonstige Vorhalten und die Nutzung eines jeglichen Internetanschlusses durch den Verurteilten. Durch das Schreiben der Strafvollstreckungskammer wurde hiervon die Nutzung eines Internetanschlusses (also nicht der eigene Betrieb oder das sonstige Vorhalten) zum Zwecke der Durchführung der Qualifizierungsmaßnahme ausgenommen.

Einer Zustimmung des Verurteilten zu der vorliegenden Weisung bedurfte es nicht (vgl. § 56c Abs. 3 StGB).

Die Weisung stellt keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten (§ 56c Abs. 1 S. 2 StGB). Sie verstößt nicht gegen das Grundrecht der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, auf das sich der Verurteilte mit seinen Hinweisen auf die Gepflogenheiten der heutigen Kommunikation, insbesondere bzgl. der Erschwernisse bei dem Inhalt von Informationen im Rahmen der Arbeits- und Wohnungssuche, offenbar berufen will. Zwar ist der Schutzbereich der Informationsfreiheit betroffen, da die Informationsfreiheit der Internetnutzer die Beschaffung und Entgegennahme von Informationen aus dem Internet als einer allgemein zugänglichen Quelle erfasst (BVerfG NJW 2012, 3423; VG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.2014 – 27 K 7499/13 – [juris]). Das Internet ist technisch geeignet und dazu bestimmt, der Allgemeinheit, d. h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen (vgl. zu dieser allgemeinen Voraussetzung: BVerfG, Beschl. v. 25.04.1972 – 1 BvL 13/67 – [juris] = BVerfGE 33, 52).

Das Grundrecht ist aber nicht vorbehaltslos gewährleistet. Eine Weisung nach § 56c Abs. 1 StGB unterfällt dem Gesetzesvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 1. Alt. GG; danach finden die Rechte aus Art. 5 Abs. 1 GG „ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze“. § 56c Abs. 1 StGB ist ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 1. Alt. GG. Ein allgemeines Gesetz liegt vor, wenn es sich nicht gegen eine bestimmte Meinung richtet (BVerfG, Beschl. v. 25.04.1972 – 1 BvL 13/67 – [juris] = BVerfGE 33, 52). Die gesetzliche Grundlage für die Erteilung von Weisungen im Rahmen der Bewährung richtet sich nicht gegen die Abgabe oder den Erhalt bestimmter Meinungen, ist also „allgemein“ (vgl. auch: OLG Frankfurt, Beschl. v. 07.09.2010 – 3 Ws 839/10 – [juris]). ….“

Der Fernfahrer, der Berlin nicht verlassen darf – Berufsverbot?

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Die Führungsaufsicht ist unbeliebt, eben weil sie doch tief in die Lebensführung des Probanden eingreift. Das musste jetzt auch ein Verurteilter aus Berlin erfahren. Der stand nach einer Verurteilung wegen schwerer Vergewaltigung u.a. unter Führungsaufsicht. Eine der Weisungen ging dahin, dass der Verurteilte, der beruflich als Fernfahrer tätig war/sein wollte, seinen Wohn- und Aufenthaltsort Berlin nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle verlassen durfte. Darin sah der Verurteilte ein Berufsverbot und hatte sich gegen diese Weisung an das KG gewandt. Dort hatte er keinen Erfolg. Denn diese Weisung findet – so das KG, im KG, Beschl. v. 11.06.2015 – 2 Ws 124/15:

„findet ihre gesetzliche Grundlage in § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB. Sie bezweckt, der Aufsichtsstelle die planmäßige Überwachung des Verurteilten zu erleichtern. Der Verurteilte soll sich dieser Aufsicht nicht dadurch entziehen, dass er den Bereich, in dem die Aufsicht wirksam ausgeübt werden kann, verlässt (Senat, Beschluss vom 23. Januar 2014 a.a.O.). Hierdurch wird zudem die kurzfristige Erreichbarkeit für etwaige „Gefährderansprachen“ oder sonstige erforderliche Kontakte zwischen Verurteilten einerseits und (vor allem) Führungsaufsichtsstelle und Bewährungshelfer andererseits gewährleistet. Die Weisung ist ferner örtlich und – entgegen dem Vorbringen des Verteidigers – auch zeitlich hinreichend bestimmt. Grundsätzlich ist es im Rahmen einer Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB möglich, dem Verurteilten – wie hier geschehen – jegliches Verlassen, also auch ein nur kurzfristiges Verlassen eines Gebietes zu untersagen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 11. März 2013 – 1 Ws 307/12 – [juris]; Senat, Beschluss vom 23. Januar 2014 a.a.O.). Die Weisung ist auch verhältnismäßig. Insbesondere stellt sie keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung des Beschwerdeführers (§ 68b Abs. 3 StGB) und weist keine Ermessensfehler auf. Das Landgericht hat die Weisung mit der Delinquenzgeschichte des Beschwerdeführers hinreichend begründet. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte fünf von den im vorangegangenen Urteil festgestellten neun Verstößen gegen die Weisungen während der Führungsaufsicht außerhalb Berlins begangen. Die Kammer sieht zudem einen Rückfall des Verurteilten in frühere Verhaltsmuster vor allem auf Grund der Angaben des Verurteilten zu seiner zukünftigen Lebensplanung und dem geäußerten Wunsch nach Umgang zu Minderjährigen als überwiegend wahrscheinlich an. Unter diesen Umständen ist die durch die Kammer vorgenommene Abwägung zwischen den persönlichen Interessen des Verurteilten und den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf die Größe des Berliner Stadtgebiets und seiner vielfältigen Einkaufs-, Arbeits-, Erholungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten beschneidet die Weisung die Lebensführung des Verurteilten nicht in unzumutbarer Weise.

Dies gilt auch, soweit die Weisung klarstellt, dass die Aufnahme einer über die Landesgrenze Berlins hinausgehenden beruflichen Tätigkeit als Fernfahrer der Erlaubnis der Aufsichtsstelle bedarf. Gesetzliche Grundlage ist auch insoweit § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB und nicht § 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB. Denn die Weisung untersagt dem Verurteilten nicht generell die Ausübung einer Tätigkeit als Kraftfahrer, sondern nur die Ausübung der Tätigkeit außerhalb der Grenzen Berlins. Sie knüpft damit nicht an die Tätigkeit als solche, sondern an den Ort ihrer Ausübung an. Die Weisung kommt entgegen dem Vorbringen der Verteidigung auch keinem Berufsverbot gleich. Ein generelles Berufsverbot beinhaltet die Weisung gerade nicht. Denn dem Verurteilten, der keinen Beruf erlernt hat, bleibt zum einen mit Ausnahme des von der Weisung umfassten Verbots hinsichtlich der Aufnahme einer ihn außerhalb Berlins führenden Tätigkeit als Fernfahrer jedwede andere Berufstätigkeit gestattet, insbesondere auch eine solche als Kraftfahrer mit Einsatzgebiet innerhalb Berlins. Zum anderen spricht die Weisung kein generelles Verbot der Aufnahme einer Tätigkeit als Fernfahrer aus, sondern stellt eine solche nur unter den Vorbehalt der Erlaubnis der Aufsichtsstelle. Die Weisung enthält damit lediglich ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt innerhalb der Berufsausübung (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Januar 2011 – 3 Ws 1208/10 – [juris]) und ist als solches zumutbar und verhältnismäßig. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG auf der Stufe der Berufsausübung ist verfassungsrechtlich bereits dann gerechtfertigt, wenn er durch vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls legitimiert ist (BVerfG, Entscheidung vom 11. Juni 1958 – 1 BvR 596/56 – [juris]). Vorliegend rechtfertigt der in der angefochtenen Entscheidung genannten Schutz der Allgemeinheit vor erneuten Straftaten des Verurteilten den Eingriff (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 20. August 2009 – 2 Ws 207/09 –).“