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Zement aus Bamberg, oder: Mia san mia

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Ich hatte ja neulich schon auf den OLG Bamberg, Beschl. v. 05.09.2016 – 3 Ss OWi 1050/16 – hingewiesen und angekündigt, dass ich auf den noch einmal zurückkomme. Das tue ich heute mit folgender Anmerkungen:

1. Der Beschluss verneint erneut, dass durch die bloße Nichtüberlassung der nicht zu den Akten gelangten sog. Rohmessdaten einer standardisierten Messung der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör beeinträchtigt wird. Das hatte das OLG schon im OLG Bamberg, Beschl. v. 04.04.2016 – 3 Ss OWi 1444/15 (dazu „Logik ist Ansichtssache“, oder: Zirkelschluss beim OLG Bamberg zur Einsichtnahme in die Messdatei bei ESO 3.0) getan. Und nun gibt es noch Zement oben drauf. Denn mit der neuen Entscheidung war es das jetzt in Bayern. Die AG können in dem Bereich im Grunde genommen machen, was sie wollen. Das OLG hält es. In der Entscheidung im Übrigen kein Wort der Auseinandersetzung mit dem OLG Celle, Beschl. v. 16.06.2016 – 1 Ss (OWi) 96/16 (dazu: OLG Celle: Messdaten und Token sind herauszugeben, oder: Sie – die OLG Rechtsprechung – bewegt sich doch). Nun gut, man kann sagen, das OLG Celle hat auch nichts zum OLG Bamberg, Beschl. v. 04.04.2016 – 3 Ss OWi 1444/15 – gesagt. Aber einfach nur:  „….wenn auch ohne nähere Begründung, in der Nichtüberlassung der (nicht bei den Akten befindlichen) Rohmessdaten einen Gehörsverstoß angenommen. Dem ist aus den dargelegten Gründen und insbesondere im Hinblick auf die zitierte höchstrichterliche Rspr. nicht zu folgen.“ ist dann vielleicht doch ein wenig dürftig. Oder ist das: Mia san mia?

2. Und der zweite Punkt betrifft die Ablehnung einer Divergenzvorlage an den BGH mit der bei den OLG immer mehr um sich greifenden Begründung: Wir befinden uns auf der Boden der Rechtsprechung des BGH. Das wird das OLG Celle sicherlich auch sagen und so haben wird dann die Situation, dass eine Frage nie zum BGH kommt, da sich ja alle OLG im Stande der heilig machen Gnade der schier unerschöpflichen Weisheit befinden.

Ich zitiere dazu im Übrigen aus der Anmerkung des Kollegen Deutscher für den VRR:

„Kühn und befremdlich erscheint die Begründung des OLG Bamberg, von einer Divergenzvorlage an den BGH abzusehen. BVerfG und BGH haben sich zwar bereits allgemein mit den Grundlagen des rechtlichen Gehörs im Zusammenhang mit dem (nicht) vorhandenen Akteninhalt befasst. Die gehörsspezifischen Auswirkungen des standardisierten Messverfahrens mit seinem Regel-Ausnahme-Verhältnis auf die Verteidigung des Betroffenen ist bislang von diesen Gerichten aber noch nicht entschieden worden. Es bleibt dabei: Eine Vorlage an den BGH ist zur Herbeiführung einer einheitlichen Rechtsanwendung dringend erforderlich.“

Recht hat der Kollege. Eine Entscheidung des BGH ist dringend erforderlich. Ich hoffe, dass irgendwann ein OLG endlich den Mut findet vorzulegen. Das OLG Bamberg wird es allerdings nicht sein. Davon bin ich überzeugt. Denn Mia san mia.

Messdaten: In Bayern nicht, oder: Anderer Rechtskreis bzw. „mia san mia“

Poliscan Speed - RadarIn Bayern läuft hinsichtlich der Einsicht in die Messunterlagen nichts bzw. kaum was. Darauf hat schon vor einigen Tagen der Kollege Gratz im Verkehrsrechtsblog hingewiesen, als er den AG Würzburg, Beschl. v. 21.07.2016 – 262 OWi 962 Js 11069/16 – vorgestellt hat. Das AG hat den Antrag des Verteidigers auf Einsichtnahme in die digitale Messdatei (TUFF-Datei) durch deren Überlassung samt TOKEN-Datei und Passwort und einen Terminsverlegungsantrag des Verteidigers – mal wieder – als unbegründet abgelehnt. Zur Begründung wird ausgeführt:

I.
Das Amtsgericht bestimmte nach Absprache mit dem Verteidiger am 27.06.2016 Hauptverhandlungstermin auf 08.08.2016. Die Ladung wurde am 05.07.2016 dem Verteidiger und dem Betroffenen zugestellt.

Am 19.07.2016 teilte der Verteidiger mit, dass der Betroffene ein Gutachten über die Messung in Auftrag gegeben habe. Daher beantragte der Verteidiger, den Hauptverhandlungstermin zu verlegen und ihm die TUFF-Datei, die TOKEN-Datei und das Passwortes zu übersenden.

II.
1. Der Antrag auf Überlassung der digitalen Messdatei ist unbegründet.

Ein Anspruch auf Überlassung der digitalen Messdatei folgt nicht aus dem in § 46 I OWiG i. V. m. § 147 I 1. Alt. StPO geregelten Akteneinsichtsrecht der Verteidigung, da die digitale Messdatei als solche nicht Bestandteil der dem Gericht vorliegenden Akten ist.

Damit kommt der digitalen Messdatei allenfalls die Funktion eines amtlich verwahrten Beweisstücks i. S. d. § 46 I OWiG i. V. m. § 147 I 2. Alt. StPO zu. Für ein solches bestünde allerdings nur ein Besichtigungsrecht am amtlichen (hier: polizeilichen) Verwahrungsort und gerade nicht auf Überlassung der gegebenenfalls kopierfähigen Messdatei und der entschlüsselten Rohmessdaten (Vgl. § 147 IV 1 StPO).

Auch aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 I,III b MRK) folgt kein entsprechender Anspruch, weil die Überprüfung der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung in der Beweisaufnahme erfolgen kann (OLG Bamberg, Beschluss vom 04.04.2016 – 3-Ss OWi 1444/15).

2. Der Antrag auf Terminsverlegung wird nach pflichtgemäßen Ermessen als unbegründet abgelehnt.

Dabei wurden namentlich der Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung mit den Interessen der Beteiligten, hier dem Recht auf ein faires Verfahren abgewogen. Dabei überwiegt der Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung, denn die Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung kann in der in Beweisaufnahme überprüft werden. Daher wird das Recht auf ein faires Verfahren durch die Ablehnung des Terminsverlegungsantrags nicht verletzt.“

Dass das falsch ist, habe ich ja schon öfters dargelegt. Ich will das jetzt nicht alles wiederholen, man wird allmählich müde. Aber die AG (in Bayern) nicht. Warum auch? Sie können sich entspannt zurücklehnen. Denn sie brauchen noch nicht einmal die Aufhebung durch das zuständige OLG Bamberg zu fürchten. Das deckt diese Praxis mit dem OLG Bamberg, Beschl. v. 04.04.2016 – 3-Ss OWi 1444/15 (dazu:„Logik ist Ansichtssache“, oder: Zirkelschluss beim OLG Bamberg zur Einsichtnahme in die Messdatei bei ESO 3.0). Und nicht nur das: Es hat jetzt noch einen „draufgesetzt“ im OLG Bamberg, Beschl. v. 05.09.2016 – 3 Ss OWi 1050/16, übrigens mal wieder mit einem vor Zitaten strotzenden amtlichen Leitsatz. In dem Beschluss, auf den ich noch zurückkomme, wird eine Vorlage an den BGH im Hinblick auf den OLG Celle, Beschl. v. 16.06.2016 – 1 Ss (OWi) 96/16 (dazu: OLG Celle: Messdaten und Token sind herauszugeben, oder: Sie – die OLG Rechtsprechung – bewegt sich doch) abgelehnt. Wer sich auf „Bewegung“ in der Rechtsprechung der OLG gefreut oder auf diese gehofft hat, wird enttäuscht. Es gilt eben: „mia san mia“ oder „anderer Rechtskreis“. Und was andere machen, interessiert uns wenig.

Vorlage/auf zum BGH: Die Fahrlässigkeit bei der „OWi-Drogenfahrt“

© macrovector - Fotolia.com

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Ich habe hier im Blog ja schon häufiger über die in der OLG-Rechtsprechung umstrittene Frage zu den Anforderungen an die Fahrlässigkeit bei der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG (so u.a. über den KG, Beschl. v. 14.10.2014 – 3 Ws (B) 375/14 – 162 Ss 93/14 und dazu Drogenfahrt: Weiß doch jeder, dass man nach Kiffen nicht fahren darf….- jetzt auch in Berlin?). Zuletzt habe ich in dem Zusammenhang den OLG Celle, Beschl. v. 30.04.2015 – 321 SsBs 42/15, in dem das OLG eine bisherige Rechtsprechung aufgegeben hat und sich der wohl im Vordringen befindlichen Rechtsprechung angeschlossen hat, die sich von der „Längeren Zeitrechtsprechung“ abwendet, vorgestellt.

Im letzten Posting hatte ich eine Vorlage an den BGH „angemahnt“, damit die Frage nun endlich entschieden wird und wir die „Kuh vom Eis haben – so oder so. Nun, es ist soweit. Ein Leser des Blog hat mich – herzlichen Dank – auf den OLG Oldenburg, Beschl. v. 04.08.2015 – 2 Ss OWi 142/15 – hingewiesen. Das OLG Oldenburg hat sich (endlich) ein Herz gefasst und die Frage dem BGH vorgelegt, und zwar mit folgendem Leitsatz:

„Ist auf eine Sorgfaltspflichtverletzung und den subjektiven Sorgfaltsverstoß bezüglich des Fahrens unter Einwirkung berauschender Mittel zu schließen, wenn der analytische Grenzwert von 1,0 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) bei der Fahrt erreicht ist, solange nicht reale Anhaltspunkte vorliegen, die den Rückschluss vom Überschreiten des analytischen Grenzwertes auf eine Sorgfaltspflichtverletzung und den subjektiven Sorgfaltsverstoß entkräften, und das Tatgericht veranlassen müssen, sich mit der Möglichkeit eines abweichenden Tatverlaufs auseinanderzusetzen?“

Ich bin mal gespannt, was der BGH macht: Entscheidet er in der Rechtsfrage oder hat er dazu keine Lust/Zeit und sagt: Tatsachenfrage, da es nicht/weniger weniger um die rechtliche Beurteilung des Maßstabs der Fahrlässigkeit geht, sondern eher um die Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen und die richterliche Beweiswürdigung. Aber auch das sind Fragen, die der BGH beantworten kann. Es bleibt also spannend.