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Verkehrsrecht III: Bewegungsdaten versus Zeugen, oder: Dringender Tatverdacht für Trunkenheitsfahrt?

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Und dann als dritte verkehrsrechtliche Entscheidung noch ein Beschluß des LG Itzehoe. Bei dem hatte die Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a StPO) wegen einer Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) Erfolg. Das LG hat im LG Itzehoe, Beschl. v. 11.10.2023 – 2 Qs 137/23 – den dringenden Tatverdacht für eine „Trunkenheitsfahrt“ verneint, und zwar mit einer ganz interessanten Begründung bzw. aufgrund einer interessanten „Beweiserhebung“:

„Voraussetzung einer Maßnahme nach § 111a Abs. 1 Satz 1 StPO ist das Vorliegen von dringenden Gründen für die Annahme, dass in einem Urteil die Maßregel nach § 69 StGB angeordnet werden wird. Dies erfordert dringenden Tatverdacht und einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht den Beschuldigten für ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen halten und ihm daher die Fahrerlaubnis entziehen werde (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 111a Rn. 2). Nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs anzusehen und die Fahrerlaubnis deshalb zu entziehen, wenn er ein Vergehen nach § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) begangen hat.

Derzeit ist aber nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB entzogen werden wird. Denn es liegen keine dringenden Gründe für die Annahme vor, dass der Angeklagte im Verkehr ein Fahrzeug geführt hat, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der war, das Fahrzeug sicher zu führen.

Die Zeugen pp. und pp. haben zwar angegeben, dass der Angeklagte mit seinem Fahrzeug neben ihnen (ein)parkte. Die vorgelegten Bewegungsdaten des Fahrzeugs, mit dem der Angeklagte sich auf den Parkplatz begeben hatte und bei dem es sich um einen Firmenwagen handelt, widersprechen dem aber. Danach ist nicht davon auszugehen, dass der Angeklagte zu einem Zeitpunkt um kurz vor 13.20 Uhr das Fahrzeug führte. Aus ihnen ergibt sich lediglich, dass das Fahrzeug um 11.27 Uhr entriegelt und um 13.16 Uhr verriegelt wurde. Eine Bewegung in der Zwischenzeit ist dem nicht zu entnehmen. Die Bewegungsdaten hat ausweislich der schriftlichen Angaben des Herrn pp. des Arbeitsgebers des Angeklagten, er selbst und nicht der Angeklagte ausgelesen. Dem Privatgutachten liegen zwar nur diese von Herrn pp. an den Angeklagten übermittelten Screenshots der Bewegungsdaten zugrunde, allerdings lässt sich dem Gutachten zumindest entnehmen, dass man die Daten nicht manipulieren könne. Der den 02.06.2023 betreffenden Übersicht kann man zudem auch geringe Entfernungen von unter einem Kilometer entnehmen, das System erfasst also auch sehr kurze Strecken.

Letztlich muss die Klärung des Sachverhalts der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben und der Widerspruch dort geklärt werden. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen ist aber nicht davon auszugehen, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB entzogen werden wird.“

Verkehrsrecht II: Vorläufige Entziehung nach Berufung, oder: Die Annahme einer „Retourkutsche“ liegt nahe

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Und als zweite verkehrsstrafrechtliche Entscheidung dann etwas zur (vorläufigen) Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB i.V.m. § 111a StPO).

Folgender Sachverhalt: Das AG hat den Angeklagten durch Urteil vom 17.01.2023 des unerlaubten Entfernens vom Unfallort für schuldig gesprochen. Es hat ihn verwarnt und ihn angewiesen, am nächsten Fahrsicherheitstraining teilzunehmen. Es hat ihm außerdem aufgegeben, einen Geldbuße in Höhe von 300,-EUR zu zahlen. Zudem entzog es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis und zog dessen Führerschein ein.

Das AG-Urteil hat festgestellt, dass der Angeklagten am Abend des 11.06.2022 auf einem Fest Alkohol in nicht mehr bestimmbarer Menge konsumiert hatte. Am 12.06.2022 trat er vor 01:00 Uhr zusammen mit einem Freund und einer Freundin den Heimweg an. Auf dem Heimweg steuerte zunächst der Freund den Pkw des Angeklagten, nach einem Fahrerwechsel steurte der Angeklagte selbst. Dabei verlor er wegen überhöhter Geschwindigkeit die Kontrolle über das Fahrzeug und stieß gegen drei am Fahrbahnrand geparkte Fahrzeuge. Durch die jeweiligen Kollisionen entstand an den drei Fahrzeugen Schäden. Das AG hat den insgesamt entstandenen Schaden an den drei Fahrzeugen auf mindestens 7.000,- EUR geschätzt.

Obwohl der Angeklagte den Unfall bemerkte, verließ er mit seinemFahrzeug die Unfallstelle. Er stellte das Fahrzeug etwa 500 Meter entfernt von der Unfallstelle an einem Feldwegrand ab, entfernte die Kennzeichen, verschloss den Wagen und begab sich mit der Bahn nach Hause. Eine am 12.06.2022 um 04:20 Uhr durchgeführte Atemalkoholprüfung ergab einen Wert von 0,70 Promille beim Angeklagten.

Der Angeklagte hat gegen seine Verurteilung Rechtsmittel eingelegt. Daraufhin hörte das AG ihn mit Schreiben vom 24.01.2023 zur beabsichtigen vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis an. Die Staatsanwaltschaft hat die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis beantragt. Das AG hat dann dem Angeklagten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass die Anordnung nach § 111a StPO bis zur Rechtskraft des Urteils zulässig sei. Es handle sich um eine Ermessensentscheidung. Im Vorfeld der Hauptverhandlung habe das Gericht hiervon keinen Gebrauch gemacht, da absehbar gewesen sei, dass zeitnah verhandelt werden würde und einer Entscheidung im Hauptverfahren Vorrang eingeräumt worden sei. Nachdem nunmehr für das Gericht die Verwirklichung des Tatbestandes, der die Annahme einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen indiziere, zweifelsfrei feststehe, sei nach Eingang des Rechtsmittels eine Anordnung nach § 111a StPO unerlässlich.

Dagegen die Beschwerde, die beim LG mit dem LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 13.03.2023 – 5/3 Qs 8/23 – Erfolg hatte:

„Die Beschwerde ist nach §§ 304, 305 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Mangels Vorlage der Akten an das Berufungsgericht nach § 321 StPO ist die Kammer auch als Beschwerdekammer für die unerledigte Beschwerde zuständig.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Nach § 111a StPO kann die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Fahrerlaubnis im Urteil entzogen werden wird (§ 69 StGB). Die Fahrerlaubnis wird nach § 69 Abs. 1 StGB entzogen, wenn jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt wird, wenn sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist.

Die Prüfungskompetenz der Beschwerdekammer ist in Fällen, in denen die Beschwerde eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis betrifft, die mit einem erstinstanzlichen Urteil erfolgt ist, eingeschränkt. Das Beschwerdegericht darf den erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt bei der Frage der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nicht anders würdigen als der frühere Richter im Urteil. Denn das Tatgericht verfügt aufgrund der durchgeführten Hauptverhandlung über eine größere Sachkenntnis und bessere Erkenntnismöglichkeiten als das Beschwerdegericht, das sich nur auf den Akteninhalt stützen kann. Dies bedeutet aber nicht, dass das gesetzlich vorgesehene Rechtsmittel in einem solchen Fall leer läuft. So ist eine Abweichung von der erstinstanzlichen Beurteilung insbesondere dann veranlasst, wenn nach der erstinstanzlichen Hauptverhandlung neue Umstände entstanden sind, wenn die erstinstanzlichen Feststellungen offensichtlich fehlerhaft sind, oder wenn die erstinstanzliche Bewertung der Eignungsfrage rechtsfehlerhaft ist (LG Berlin Beschl. v. 16.12.2011 — 517 Qs 142/11, BeckRS 2012, 1174 m.w.N.). Hierzu ist ferner auch die Frage zu zählen, ob die vorläufige Entziehung wegen Zeitablaufes unverhältnismäßig ist und das Tatgericht daher an einer vorläufigen Entziehung gehindert war.

Bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis handelt es sich um eine eilige vorbeugende Maßnahme, die die Allgemeinheit bereits vor Urteilserlass vor den Gefahren schützen sollen, die von einem ungeeigneten Kraftfahrer ausgehen (Huber, in: BeckOK StPO, 46. Ed. 1.1.2023, StPO § 111a Rn. 1). Mit zunehmender zeitlicher Distanz zwischen Tatgeschehen und dem Zeitpunkt des vorläufigen Entzuges der Fahrerlaubnis gehen daher erhöhte Anforderungen an die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs und dem Schutz der Allgemeinheit einerseits sowie dem Interesse des Fahrerlaubnisinhabers an der uneingeschränkten Nutzung seiner Fahrerlaubnis andererseits einher (vgl. Henrichs/Weingast, in: KK-StPO, 9. Aufl. 2023, StPO § 111a Rn. 3).

Nach ständiger, gerichtsbekannter Rechtsprechung der 9. Strafkammer des Landgerichts Frankfurts, die für Beschwerden gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bei Erwachsenen im Landgerichtsbezirk ausschließlich zuständig ist, ist eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis dabei nach Ablauf von 6 Monaten im Regelfall unverhältnismäßig. Die Kammer tritt dieser Auffassung bei, da sie nicht nur klare und seit Jahren im hiesigen Bezirk etablierte Orientierung, sondern auch noch hinreichend Raum dafür lässt, die Sicherheitsbelange der Allgemeinheit und die weiteren Umstände des Einzelfalls, namentlich die Gründe des eingetretenen Zeitablaufs, in den Blick zu nehmen (hierzu: Hauschild, in MüKoStPO, 2. Aufl. 2023, StPO § 111a Rn. 17).

Die vom Amtsgericht durch das erstinstanzliche Urteil festgestellte Anlasstat erfolgte bereits am 12.06.2022, so dass bis zur vorläufigen Entziehung durch Beschluss vom 31.01.2023 über 7 Monate verstrichen sind. Es liegen keinerlei Erkenntnisse dafür vor, dass der Beschwerdeführer seither nochmals im Straßenverkehr aufgefallen ist. Vielmehr wurde sein zeitweise sichergestelltes Fahrzeug am 05.07.2022 durch die Staatsanwaltschaft freigegeben, die auch hiernach über Monate keinen Antrag nach § 111a StPO stellte. Der Beschwerdeführer hatte seither und bis zur Zustellung des angefochtenen Beschlusses die Möglichkeit der Teilnahme am Straßenverkehr, ohne dass zwischenzeitlich erneute verkehrsrechtliche Verstöße bekannt wurden. Wenn ein Beschuldigter indes nicht zeitnah nach Bekanntwerden der Tat daran gehindert wird, mit einem von ihm geführten Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen, so ist eine Entscheidung über die endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis abzuwarten, zumal diese vorliegend auch in Gestalt des erstinstanzlichen – wenn auch nicht rechtskräftigen – Urteils erging, ohne dass zugleich mit dem Urteil die vorläufige Entziehung angeordnet wurde. Es ist ohne neuerliche Verkehrsauffälligkeiten aufgrund des Zeitablaufs insoweit kein Raum mehr für eilige vorbeugende Maßnahme zum Schutze der Allgemeinheit nach § 111a StPO. Ein zur Schwere des Eingriffs in Verhältnis stehendes Eilbedürfnis kann nunmehr nicht mehr erkannt werden, zumal in Verfahren gegen Jugendliche oder Heranwachsende eine besonders sorgfältige und einzelfallorientierte Prüfung für erforderlich erachtet wird (Huber, in: BeckOK StPO, 46. Ed. 1.1.2023, StPO § 111a Rn. 3).

Die anderweitige Argumentation des Amtsgerichts vermag jedenfalls im hiesigen Fall nicht zu überzeugen. Zwar ist es im Grundsatz zutreffend, dass eine vorläufige Entziehung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens möglich ist. Wenn hiermit indes bei einem zur Tatzeit noch Heranwachsenden über 7 Monate und bis zur Einlegung eines Rechtsmittels gegen das erstinstanzliche Urteil zugewartet wird, dann lässt sich mit Blick hierauf und durch die seither bestehende Unauffälligkeit des Betroffenen kein hinreichendes Eil- und Sicherungsbedürfnis mehr begründen, das die vorläufige Entziehung noch verhältnismäßig erscheinen lässt. Eine andere Beurteilung rechtfertigt vorliegend auch die Schwere der erstinstanzlich festgestellten Tat oder ein vermeintliches Vorrangverhältnis einer Klärung im Hauptverfahren nicht. Es sind vorliegend auch keine Gründe aus der Sphäre des Beschwerdeführers ersichtlich, die hier den Zeitablauf bedingt haben könnten und eine andere Beurteilung rechtfertigen.“

Das LG begründet m.E. recht „vornehm“, warum die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nicht – mehr – zulässig war. Denn man hätte auch etwas dazu sagen können, dass die amtsgerichtliche Entscheidung schon den „Beigeschmack“ einer „Retourkutsche“ = Antwort auf die Berufungseinlegung hatte. Denn, wenn nicht biw zum Urteil und dann im Urteil entzogen wurde, fragt man sich schon, warum dann nach der Berufungseinlegung.

Den Beschluss hat mir übrigens die Kollegin Bender-Paukens geschickt. Ja, das ist die Kollegin, die die schöne Werbung für meine Handbücher gemacht hat (vgl. hier: Wenn „Staatsanwältinnen“ Werbung machen, oder: „Das Strafverfahren steht Kopf“). Sie kann also nicht nur „Staatsanwältin“ 🙂 .

 

Verkehrsrecht II: Vorläufige Entziehung nach § 111a StPO, oder: Nach 16 Monaten noch verhältnismäßig?

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In dem zweiten Entscheidung des Tages behandelt das OLG Stuttgart im OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.10.2021 –1 Ws 153/21 – die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 11a StPO) durch Berufungsgericht.

Das AG hatte den Angeklagten wurde wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort am 25.3.2021 zu einer Geldstrafe verurteilt. Ferner hat das AG im Urteil die Entziehung der Fahrerlaubnis, die Einziehung des Führerscheins und eine Sperrfrist von acht Monaten angeordnet. Die Tat soll am 04.06.2020 begangen worden sein, der Schaden etwa 3.000 € betragen. Angeklagter und StA haben gegen das Urteil Berufung eingelegt. Mit Beschluss vom 30.08.2021 hat dann das LG dem Angeklagten die Fahrerlaubnis nach § 111a Abs. 1 Satz 1 StPO vorläufig entzogen. Die Beschwerde des Angeklagten blieb beim OLG erfolglos:

„2. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist – auch in Anbetracht des Zeitablaufs – gewahrt. Eine Fahrerlaubnis kann mit zunehmender zeitlicher Distanz zum Tatgeschehen noch (vorläufig) entzogen werden, wenn nach einer sorgfältigen, am Einzelfall orientierten Abwägung das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der Schutz der Allgemeinheit das Interesse des Fahrerlaubnisinhabers an der uneingeschränkten Nutzung seiner Fahrerlaubnis überwiegt (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 1. April 2011, – 3 Ws 153/11 –, juris).

a) Der Senat verkennt dabei nicht, dass seit der vorgeworfenen Tat fast sechzehn Monate und seit dem erstinstanzlichen Urteil nunmehr sieben Monate vergangen sind. Er hat bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit auch die von der Verteidigung vorgebrachte Rechtsprechung der Landgerichte Ravensburg, Saarbrücken und Koblenz berücksichtigt, die in den dortigen Einzelfällen bei sechs, acht bzw. neun Monaten Zeitablauf die Entziehung der Fahrerlaubnis als unverhältnismäßig beurteilen (vgl. LG Ravensburg, Beschluss vom 22. Mai 1995 – 1 Qs 139/95 –; LG Saarbrücken, Beschluss vom 15. März 2007 – 3 Qs 70/07 – und LG Koblenz, Beschluss vom 10. Oktober 2017 – 3 Qs 84/17 –; jeweils juris).

Doch rechtfertigt der bloße bisherige Zeitablauf nicht zwangsläufig die Annahme, der durch die Tatbegehung indizierte Eignungsmangel sei im Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung entfallen (so auch OLG Koblenz, Beschluss vom 10. Oktober 2007 – 1 Ws 513/07 –, NZV 2008, 47 f., beck-online; ähnlich KG Berlin, Beschluss vom 8. Februar 2017, – 3 Ws 39/17 –, juris). Auch das Bundesverfassungsgericht hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO im Einzelfall der Sicherheit des Straßenverkehrs der Vorrang gegenüber dem eingetretenen Zeitablauf und der bei der Staatsanwaltschaft zu beobachtenden Verfahrensverzögerung eingeräumt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. März 2005 – 2 BvR 364/05 –, NJW 2005, 1767 ff., beck-online).

b) Dieser Grundsatz gilt umso mehr, wenn die eingetretene Verfahrensverzögerung nicht auf Seiten der Staatsanwaltschaft oder der Gerichte, sondern in der Sphäre des Angeklagten und seines Verteidigers zu beobachten ist. Zwar stellt § 111a StPO eine vorläufige Maßnahme zur Sicherheit des Straßenverkehrs dar, weswegen der Zeitablauf selbstredend nicht unendlich sein kann. Liegt die Verantwortung für einen überschaubaren Zeitablauf von sechzehn Monaten jedoch auch in der Sphäre des Angeklagten und der Verteidigung, so kann und muss dieser Umstand bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer späteren Maßnahme nach § 111a StPO Berücksichtigung finden. Ein etwaiger Vertrauensschutz bezüglich der im bisherigen Verfahren unterbliebenen vorläufigen Entziehung wiegt nicht so schwer, als dass die angefochtene Entscheidung ermessensfehlerhaft erscheint (so auch KG Berlin, Beschluss vom 8. Februar 2017, – 3 Ws 39/17 –; juris). Vielmehr kann ein Angeklagter kein hinreichend schutzwürdiges Vertrauen auf den (vorläufigen) Erhalt der Fahrerlaubnis gründen, wenn er selbst durch sein Prozessverhalten zu einer Verfahrensverzögerung beigetragen hat.

Zentral ist dabei eine sorgfältige, am Einzelfall orientierte Abwägung der von § 111a StPO geschützten Rechtsgüter mit dem Grundsatz der effektiven Verteidigung nach Art. 6 Abs. 3 EMRK. Eine zulässige Verteidigung darf sich im Ergebnis nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirken. Zugleich ist aber ein einfaches „Abwarten und Bestreiten“ nicht immer zielführend (vgl. hierzu auch Gübner/Krumm, Verteidigungsstrategien bei drohender Fahrerlaubnisentziehung, NJW 2007, 2801 ff., beck-online).

c) Im vorliegenden Fall verlief das bisherige Prozessgeschehen auffallend schleppend, obwohl sowohl die Ermittlungsbehörden als auch die Gerichte das Verfahren am Beschleunigungsgrundsatz orientiert betrieben und gefördert haben. Die Verfahrensverzögerung ist demgegenüber in der Sphäre des Angeklagten und der Verteidigung entstanden. Dabei ist wesentlich, dass nicht die einzelnen Punkte an sich, wohl aber die Gesamtschau der Vorkommnisse zu einer beachtlichen Verfahrensverzögerung geführt haben.

Im Einzelnen:

Der ursprüngliche Strafbefehl wurde am 14. Dezember 2020 erlassen und am 17. Dezember 2020 an die Meldeadresse in B. zugestellt. Er war bereits rechtskräftig geworden, bis der Angeklagte im Rahmen des an eine verworfene Wiedereinsetzung sich anschließendes Beschwerdeverfahren auf einen „Zweitwohnsitz“ in S. aufmerksam machte. Auch fortan konnte keine Zustellung in angemessener und üblicher Zeit erfolgen, da trotz mehrfacher Einwohnermeldeamtsanfragen der Angeklagte fortwährend verschiedene Meldeadressen in B. und S. geltend machte. Dies führte zwischenzeitlich zu einer Doppelzustellung der Beschlüsse.

Bei der Terminierung folgten weitere Verfahrensverzögerungen: Auf Antrag der Verteidigung wurde die erstinstanzlich terminierte Verhandlung auf einen späteren Zeitpunkt verlegt. Das Empfangsbekenntnis des Verteidigers zur zweitinstanzlich terminierten Verhandlung kam nicht in den Rücklauf.

Die Berufungshauptverhandlung am 26. Juli 2021 konnte nicht durchgeführt werden. Der Verteidiger trug insoweit – trotz vorheriger Terminsabstimmung – vor, nicht erscheinen zu können. Seine gegen die Terminierung erhobene Beschwerde zum Oberlandesgericht Stuttgart blieb ebenso erfolglos (1 Ws 118/21) wie sein Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende Richterin wegen Nichtverlegung des Termins. Das diskrepante Verhalten des Verteidigers setzte sich fort, indem er dann zum Termin entgegen seines Vortrags, verhindert zu sein, doch erscheinen konnte.

Die Durchführung des zweitinstanzlichen Termins scheiterte dann jedoch an dem Fernbleiben des Angeklagten. Dieser begab sich am Morgen des Verhandlungstags nicht pflichtgemäß zum Gericht, sondern stellte sich zehn Minuten nach Verhandlungsbeginn einem ihm bis dato völlig unbekannten Arzt vor. Der Angeklagte machte „Durchfall“ geltend, da er Eier gegessen habe. Der Arzt konstatierte, dass der Gesundheitszustand des Angeklagten für eine etwaige Infektion mit Salmonellen zu gut sei. Dem Begehren des Angeklagten, dass er ein Attest für eine Verhandlungsunfähigkeit benötigen würde, kam der Arzt schließlich für einen Tag nach.

Hinsichtlich eines neuen von Seiten der Vorsitzenden der Berufungskammer vorgeschlagenen Termins haben weder der Angeklagte noch der Verteidiger auf die möglichen Verfügbarkeiten eines geeigneten Sachverständigen reagiert, was erneut zu einer Verfahrensverzögerung geführt hat.

Diese einzelnen Verzögerungsaspekte wären für sich genommen jeweils unerheblich, in ihrer Gesamtschau führen sie jedoch zu einem erheblichen Zeitablauf, der aus der Sphäre des Angeklagten und seines Verteidigers resultiert. Der Angeklagte konnte daher kein schützenswertes Vertrauen auf den (vorläufigen) Erhalt der Fahrerlaubnis bilden. Der Grundsatz einer effektiven Verteidigung führt insoweit zu keiner anderen Betrachtungsweise. Im Gegenteil: Berücksichtigt man, dass der Angeklagte in der nun vergangenen Zeit sechzehn Monate lang die jederzeitige Entziehung seiner Fahrerlaubnis befürchten musste, jedoch die ursprünglich vorgesehenen acht Monate Sperrzeit zwischenzeitlich bereits zweimal abgelaufen gewesen wäre, ist darüber nachzudenken, ob eine Verfahrens-verzögerung durch „Abwarten und Bestreiten“ zielführend ist.

Die (vorläufige) Entziehung der Fahrerlaubnis ist daher auch in Anbetracht des Zeitablaufs verhältnismäßig.“

Man ist schon erstaunt, dass das OLG das Prozessverhalten des Angeklagten ins Spiel bringt. Man fragt sich, was das im Hinblick auf die Verkehrssicherheit für eeine Bedeutung für die Entscheidung nach § 111a StPO hat? Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier Angeklagter und Verteidiger wegen der Verfahrensverzögerungen – die wir nicht näher kennen – abgestraft werden sollen. Das zeigt aber: Man darf den Bogen auch nicht überspannen 🙂 .

Erstmaliger Verstoß eines Gelegenheitskonsumenten, oder: Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis?

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Die zweite Entscheidung kommt vom VGH Baden-Württemberg. Das hat im VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 14.09.2021 – VGH 13 S 2350/21 – zur Frage der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach nicht erfüllter Aufforderungen, ein ärztliches Gutachten beizubringen, Stellung genommen. Das VG hatte die Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde gehalten. Der VGH gibt dem Antragsteller Recht:

„…..

Auch ist hier entgegen der von der Fahrerlaubnisbehörde verwendeten missverständlichen Formulierung durch die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht zu klären, ob der Antragsteller „tatsächlich zwischen dem gelegentlichen Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs (Verkehrsteilnahme am 02.03.2020) trennen“ konnte. Voraussetzung für die Verneinung der Fahreignung ist nach dem erstmaligen Verstoß eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten gegen das Trennungsgebot vielmehr die Prognose, dass er auch künftig nicht zwischen einem seine Fahrsicherheit möglicherweise beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen wird. Der Antragsgegner hätte sich daher bei der Ermessensausübung mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der konkrete anlassgebende Vorfall eine psychologische Exploration des Antragstellers zur Klärung der Frage notwendig macht, ob dieser das von der Fahrerlaubnisbehörde angenommene bisherige Konsummuster auf Grund eines stabilen Einstellungswandels aufgegeben hat, oder aber zukünftig gelegentlichen Cannabiskonsum von dem Fahren trennen kann. Im Übrigen dürfte die vom Antragsgegner aufgeworfene Fragestellung aus den vorstehend dargestellten Gründen auch in formeller Hinsicht Bedenken begegnen.

Vorliegend kann auch nicht angenommen werden, gerade die Funktion der medizinisch-psychologischen Begutachtung als Gefahrerforschungsmaßnahme, die in ihrer Eingriffsintensität für den Betroffenen hinter einer abschließenden Entscheidung wie der Entziehung der Fahrerlaubnis zurückbleibe, spreche dafür, die Anforderungen an die Ermessensbetätigung und die Begründung der maßgeblichen Erwägungen nicht zu hoch anzusetzen. Denn es ist für den Betroffenen durchaus mit nicht unbeträchtlichen Belastungen verbunden, wenn er sich einer medizinisch-psychologischen Begutachtung unterzieht. Abgesehen davon stehen die Beibringensaufforderung der Fahrerlaubnisbehörde, die Reaktion des Betroffenen hierauf und eine abschließende Entscheidung der Behörde auf der Grundlage von § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV in engem Zusammenhang. Mit der Entscheidung des Betroffenen, ein von ihm gefordertes Fahreignungsgutachten nicht vorzulegen, ist auch bereits die Entscheidung über eine Entziehung der Fahrerlaubnis vorgezeichnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2016 a. a. O. Rn. 37).

Diese vorstehend aufgezeigten Mängel sind auch nicht deshalb unerheblich, weil die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf Null vorgelegen hätten. Dahingestellt bleiben kann, ob das gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV eröffnete Ermessen im Regelfall dahingehend intendiert ist, dass die Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Aufklärung der Eignungszweifel anzuordnen hat. So geht etwa der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 08.11.2017 – 11 CS 17.1850 – juris Rn. 12) davon aus, dass bei einer Fahrt unter deutlicher Einwirkung von Cannabis vieles dafür spreche, dass der Ermessensspielraum bei der Entscheidung über die Anordnung der medizinisch-psychologischen Untersuchung eingeschränkt sei. Ausgehend hiervon wäre eine vertiefte Auseinandersetzung der Behörde mit den für und gegen eine Begutachtungsanordnung sprechenden Gründen bei gelegentlichen Cannabiskonsumenten, die einmalig gegen das Trennungsgebot verstoßen haben, nur unter besonderen Umständen erforderlich. Auch wenn diesem Verständnis von § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV zu folgen sein sollte, war hier auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalles eine ausdrückliche Ermessensbetätigung und die Darlegung der entsprechenden Erwägungen durch die Fahrerlaubnisbehörde erforderlich. Diese Notwendigkeit folgt bereits daraus, dass nach den Darlegungen in der Gutachtensanordnung die Zusatztatsache einer Fahrt unter dem Einfluss von Cannabis ausweislich des in der Blutprobe festgestellten THC-Wertes von 0,9 ng/ml nicht mit der gebotenen Sicherheit angenommen werden kann……“

Den Rest im Volltext bitte selbst lesen. Ist auch hier mal wieder recht viel.

Verkehrsrecht II: StrEG wegen vorläufiger Entziehung, oder: Hat der Beschuldigte eine Fahrerlaubnis?

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Die zweite Entscheidung stammt vom LG Koblenz. Das hat im LG Koblenz, Beschl. v. 16.1.2020 – 2 Qs 73/20 – zur Entschädigung nach dem StrEG in den Fällen der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis Stellung genommen. Das besondere in dem Fall: Der vormals Beschuldigte war gar nicht der richtige Beschuldigte des Verfahrens, sondern das war ein anderer, der sowohl einen sehr ähnlichen Nachnamen als auch den gleichen zweiten Vornamen wie der Beschwerdeführer trägt und zudem am selben Tag, wenn auch in einem anderen Geburtsjahr, wie dieser geboren wurde. Im Rahmen einer Verkehrskontrolle war der bulgarische Führerschein dieses weiteren Beschuldigten aufgrund des Verdachts einer Trunkenheitsfahrt, gemäß §§ 94, 98 StPO beschlagnahmt und sichergestellt worden. Im nachfolgenden Ermittlungsverfahren wurde sodann durch die Staatsanwaltschaft aufgrund der Namensverwechselung ein § 111a-Beschluss gegen den vormals Beschuldigten erlassen. Die Führerscheinstelle teilte dann aber mit, dass der der Beschwerdeführer, der „falsche Beschuldigte“ nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis sei. Er hat dann nach der Einstellung des Verfahrens gegen ihn eine Entschädigung für die erlittenen Strafvollstreckungsmaßnahmen beantragt. Damnit hatte er keinen Erfolg:

In der Sache bleibt der sofortigen Beschwerde. jedoch der Erfolg versagt.

„Die Entschädigungspflicht nach § 2 StrEG ist gemäß § 8 Abs. 1 StrEG im vorliegenden Verfahren zunächst lediglich dem Grunde nach festzustellen. Sie bindet nur hinsichtlich der Person des Berechtigten, hinsichtlich Art und Zeitraum (§ 8 Abs. 2 StrEG) der erlittenen Strafverfolgungsmaßnahme und hinsichtlich etwaiger Versagungsgründe (§§ 5, 6 StrEG).

Diese Grundentscheidung steht damit unter dem stillschweigenden Vorbehalt, dass dem Angeklagten durch die vollzogene Strafverfolgungsmaßnahme möglicherweise ein Schaden entstanden ist. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird erst im Betragsverfahren nach §§ 10, 13 StrEG geprüft. Von einer Grundentscheidung über die Entschädigungspflicht des Staates für eine bestimmte Strafverfolgungsmaßnahme darf deshalb grundsätzlich nicht unter Hinweis auf mangelnde Kausalität abgesehen werden (vgl. OLG Bamberg, NStZ 1989, 185).

Die Voraussetzungen für eine Entschädigung nach § 2 StrEG liegen jedoch schon dem Grunde nach nicht vor.

Im Gegensatz zu der in § 1 StrEG geregelten Entschädigung für Urteilsfolgen sieht das Gesetz in § 2 StrEG vor, dass eine Entschädigung für vorläufige Strafverfolgungsmaßnahmen von deren Vollzug abhängt. Sonstige, nicht aus dem Vollzug, sondern infolge der bloßen Anordnung einer Maßnahme entstandenen Schäden sind demnach schon dem Grunde nach nicht entschädigungsfähig (KG Berlin, Beschluss vom 20. Januar 2009 – 4 Ws 118/08 – juris).

Ein solcher Vollzug der Maßnahme ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwar ist die Anordnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis grundsätzlich bereits mit der Zustellung der Entscheidung vollzogen, da sie bereits dann ihre volle Wirkung gegenüber dem Führerscheinberechtigten entfaltet. Der hier betroffene Fall weicht jedoch von dem Regelfall, in dem eine tatsächlich erteilte Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wird, ab. Zustellung des Beschlusses und tatsächlicher Vollzug der Maßnahme fallen vorliegend auseinander, da die bloße Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis gegenüber dem vormals Beschuldigten nicht die bezweckte Wirkung entfaltet, da er selbst gar keine Fahrerlaubnis besitzt. Die von § 2 Abs. 2 Nr. 5 StrEG abgesicherte Rechtsposition ist für den Beschwerdeführer hier durch die Zustellung des Beschlusses deshalb gar nicht betroffen.

Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, dass ein Vollzug der Maßnahme deshalb gegeben sei, weil nach der Zustellung, unabhängig davon ob tatsächlich eine Fahrerlaubnis erteilt sei, der Entzug der Fahrerlaubnis der Fahrerlaubnisbehörde mitgeteilt werde und ein entsprechender Eintrag in das Verkehrsregister erfolge, führt dies zu keiner anderen Bewertung.

Zunächst ist zu beachten, dass die von dem Beschwerdeführer begehrten Schäden, namentlich die Kosten eines Verteidigers zur Abwendung einer Strafverfolgungsmaßnahme, nicht unmittelbar aus den vom Beschwerdeführer bezeichneten Maßnahmen zum Vollzug der Strafverfolgungsmaßnahme ‚herrühren. Der Schaden muss jedoch unmittelbar durch die betroffene Strafverfolgungsmaßnahme entstanden sein, um eine Erstattungsfähigkeit dem Grunde nach zu begründen (vgl. Kunz in Münchner Kommentar zur StPO, 1. Auflage 2018, § 2 StrEG Rn. 15).

Darüber hinaus ist aber auch unter Berücksichtigung dieser über den tatsächlichen Entzug der Fahrerlaubnis hinausgehenden Folgen kein Vollzug der Maßnahme nach § 111a StPO feststellbar. Der Schutzzweck des § 111a StPO als vorbeugende Maßnahme umfasst allein die Absicherung der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB. Sie sichert dagegen z. B. nicht die isolierte Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB (vgl. Meyer-Goßner/ Schmitt, Strafprozessordnung, 63. Auflage 2020, § 111a Rn. 1). Die genannten Anordnungen und Eintragungen können daher auch nicht als Grundlage für den Vollzug der Maßnahme herangezogen werden, da sie im vorliegenden Fall nicht über, den Schutzzweck der Maßnahme des § 111a StPO hinaus gehen dürfen und deshalb im vorliegenden Fall des Fehlens einer Fahrerlaubnis keine weitergehende Wirkung entfalten konnten als die Anordnung selbst. Diese war für den vormals Beschuldigten jedoch mangels bestehender Fahrerlaubnis wirkungslos.

Zwar kann auch die – von § 2 Abs. 2 Nr. 5 StrEG explizit nicht geregelte – bloße Anordnung einer Maßnahme nach § 111a StPO verschiedene negative Auswirkungen für den Betroffenen haben.

Eine allgemeine entsprechende Anwendung des StrEG auf weitere, vom Wortlaut nicht erfasste Maßnahmen und Sachverhalte ist jedoch grundsätzlich nicht zulässig, da die Rechtsordnung spezielle Regelungen zur entsprechenden Anwendung des StrEG enthält und im Wege des Umkehrschlusses eine analoge Anwendung ausscheidet (KG Berlin, Beschluss vom 20. Januar 2009 – 4 Ws 118/08 – juris).

Im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit bei der Anwendung des § 2 StrEG muss die Entschädigungspflicht des Staates deshalb auf die Fälle beschränkt sein, in denen der durch § 2 StrEG ausdrücklich festgelegte Schutzbereich betroffen ist.“