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OWi II: Vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung, oder: Fahrverbot beim „viel beschossenen“ Hasen?

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Die zweite Entscheidung kommt dann auch vom AG Landstuhl. Im AG Landstuhl, Urt. v. 09.02.2024 – 3 OWi 4211 Js 11910/23 – geht es um die Rechtsfolgen bei einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung.

Das AG hat den Betroffenen wird wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 1.160 EUR verurteilt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Dre Betroffene war auf einer BAB anstelle der zulässigen 80 km/h mit 133 km/h gefahren. Der Betroffene ist verkehrsrechtlich bislang auch schon einige Male in Erscheinung getreten, und zwar gibt es eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis am 21.12.2013, die Verurteilung nach § 316 StGB am 09.01.2014 zu einer Geldstrafe mit einer Maßregel nach §§ 69, 69a StGB, einen Abstandsverstoß am 22.2.2022 und einen Geräteverstoß.

Das AG begründet seine Rechtsfolgenentscheidung wie folgt:

„Durch den genannten Verstoß hat der Betroffene zunächst eine Geldbuße zu tragen. Diese ergibt sich zunächst als Regelsatz in Höhe von 480 EUR gemäß Ziffer 11.3.8 des Anhangs zur BKatV, die für das Gericht in Regelfällen einen Orientierungsrahmen bildet (BeckOK StVR/Krenberger, § 1 BKatV, Rn. 1). Von diesem kann das Gericht bei Vorliegen von Besonderheiten nach oben oder unten abweichen. Vorliegend bestehen keine Umstände, die ein Abweichen vom Regelsatz nach unten bedingen würden. Angesichts der vorsätzlichen Begehensweise ist die Regelgeldbuße auf 960 EUR zu verdoppeln, § 3 Abs. 4a BKatV.

Zudem sind hier Umstände gegeben, die eine Erhöhung der Geldbuße nach sich ziehen, § 17 Abs. 3 OWiG. Der Betroffene ist, wie unter I. festgestellt, bereits verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. Der zeitliche und auch inhaltliche Zusammenhang der geahndeten Verstöße mit der jetzigen Handlung gebietet eine moderate Erhöhung der Regelgeldbuße um 100 EUR (Abstand) sowie 100 EUR (Geräteverstoß) auf 1160 EUR.

Die Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen haben ergeben, dass der Betroffene die ausgeurteilte Geldbuße wirtschaftlich verkraftet.

Des Weiteren ist vorliegend auch ein Regelfahrverbot anzuordnen, § 4 Abs. 1 BKatV. Durch die oben festgestellte Handlung hat der Betroffene eine objektiv so gefährliche und subjektiv so vorwerfbare Verhaltensweise im Straßenverkehr an den Tag gelegt, dass im Sinne des § 25 StVG ein Fahrverbot anzuordnen ist. Es bestand vorliegend kein Grund, wegen abweichender Umstände vom Regelfall das Fahrverbot zu erhöhen. Vorliegend bestand kein Grund, vom Wegfall des Fahrverbots ausgehen zu müssen. Soweit der Betroffene vorgetragen hat, seinen Arbeitsplatz zu verlieren und für die Berufstätigkeit auf die Fahrerlaubnis angewiesen zu sein, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Insbesondere trifft die Anordnung des Fahrverbots den Betroffenen nicht mit einer unzumutbaren Härte. Gewöhnliche Belastungen, die ein Verzicht auf den PKW für die Dauer des Fahrverbots mit sich bringt, sind hinzunehmen. Die Konsequenz der Anordnung des Fahrverbots ist selbstverschuldet (OLG Celle Beschl. v. 26.1.2015 – 321 SsBs 176, 177/14, BeckRS 2015, 16403). Die Gleichbehandlung mit anderen Verkehrsteilnehmern, die ein Regelfahrverbot verwirkt haben, muss gewährleistet sein (BVerfG NZV 1996, 284), sodass nur unzumutbare Härten aus rechtlicher Sicht relevant sein können, nicht das persönliche Befinden des Betroffenen (BeckOK StVR/Krenberger, § 25 StVG, Rn. 90). Solche sind hier nicht gegeben. Zwar kann der Verlust des Arbeitsplatzes eine unzumutbare Härte darstellen. Ausweichmöglichkeiten im Betrieb sind, so der Zeuge pp., nicht gegeben und auch eine unbezahlte Urlaubnahme kann angesichts der Spezialisierung des Betroffenen vom Unternehmen nicht aufgefangen werden. Der Betroffene befindet sich noch in der Probezeit und kann deshalb unter erleichterten Bedingungen gekündigt werden. Jedoch ist hier zu beachten: Zum einen stammt der Bußgeldbescheid vom 16.8.2023, sodass der Betroffene das Fahrverbot noch vor Antritt der Arbeitsstelle bei der Firma pp. sozialkonform hätte ableisten können, wozu er auch verpflichtet gewesen wäre (OLG Hamm NZV 2005, 495; AG Landstuhl DAR 2015, 415). Er hätte, wenn es ihm nur um die Geldbußenhöhe und den Schuldvorwurf gegangen wäre, den Einspruch auf die Höhe der Geldbuße bei gleichzeitiger Akzeptanz des Fahrverbots beschränken können (AG Dortmund NZV 2022, 540), um den neuen Arbeitsplatz nicht zu gefährden. Und schließlich kann der Grundsatz der Unverhältnismäßigkeit nicht für den Betroffenen streiten, der in Kenntnis der Notwendigkeit der Fahrerlaubnis und des Führerscheins für seine Berufstätigkeit durch verkehrswidriges Verhalten seine Berufstätigkeit gefährdet: Ein Kraftfahrzeugführer, der ein Fahrverbot durch mangelnde Verkehrsdisziplin riskiert, kann nicht geltend machen, auf den Führerschein angewiesen zu sein (KG SVR 2015, 427). Könnte sich ein Betroffener bei vorhandenen Vorahndungen immer wieder aufs Neue auf eine drohende Existenzgefährdung berufen, wären die für ihn unzumutbaren Folgen eines Fahrverbots ein Freibrief für wiederholtes Fehlverhalten (OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2010, 26343; OLG Karlsruhe NZV 2004, 316). Hinzu kommt hier der Vorsatz des Vorwurfs bei erheblicher Geschwindigkeitsüberschreitung im Baustellenbereich (AG Zeitz BeckRS 2015, 18698). Schließlich müsste der Arbeitsplatzverlust auch zu einer existenzvernichtenden Härte führen (OLG Karlsruhe NZV 2006, 326). Dies ist nicht erkennbar. Denn der Betroffene ist als Bauleiter mit Asbestberechtigung hoch spezialisiert und dementsprechend begehrt auf dem Arbeitsmarkt, so der Zeuge pp. Wenn er also eine vorübergehende Zeit, in der er auch Anspruch auf staatliche Leistungen hat, nicht im Abhängigkeitsverhältnis beschäftigt ist, vernichtet dies nicht seine bürgerliche Existenz.“

Ok, ein „viel beschossener Hase“. Aber dennoch erscheint mir die Entscheidung angesichts der für den Betroffenen sprechenden Umstände nicht angemessen, zumal die Trunkenheitsfahrt 10 Jahre zurück liegt. Dass und warum ein Betroffener verpflichtet sein soll, ein Fahrverbot ggf. noch vor Antritt der Arbeitsstelle bei seiner Firma „sozialkonform“ – was immer das auch ist – abzuleisten, erschießt sich mir (auch) nicht. Denn dabei wird m.E. übersehen, dass der Betroffene ggf. noch nicht rechtskräftig verurteilt ist.

Stopp, keine Entziehung der FE, denn: Getilgt ist getilgt

© massimhokuto - Fotolia.com

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Wie hieß es bei Heinz Erhard immer? Richtig: Und noch ein Gedicht. Das wandele ich ab und mache daraus: Und noch ein Verwertungsverbot (vgl. vorhin hier: Auch eine StVK sollte mal rechnen, oder: Verwertungsverbot für getilgte Vorstrafen).

Dieses Mal im VG Neustadt/NW, Beschl. v. 29.06.2015 – 1 L 437/15.NW, ergangen im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren. Die Fahrerlaubnisbehörde hat die Entziehung der Fahrerlaubnis auf eine schon länger zurück liegende Drogenfahrt (§ 24a Abs. 2 StVG) gestützt. Und dabei übersehen:

„Eine solche Einzelfallbewertung durch die Fahrerlaubnisbehörde muss hier nämlich unterbleiben, weil die Tat, auf die allein die Anordnung der MPU durch die Antragsgegnerin gestützt wurde, im Verkehrszentralregister, nunmehr Fahreignungsregister, gemäß § 29 StVG am 1.11.2014 zu löschen war. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 StVG a.F. beträgt die Tilgungsfrist für Entscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit zwei Jahre. Nach Aktenlage wurde gegen den Antragsteller wegen des Vorfalls vom 3.7.2012 lediglich eine Geldbuße von 500 € sowie ein Fahrverbot von einem Monat (rechtskräftig seit 1.11.2012) verhängt. Eine Fristhemmung ist nach Aktenlage nicht erfolgt. Auch die Übergangsbestimmungen (hier § 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG) ändern nichts an der Tilgungsreife der einschlägigen Eintragung. War damit aber die Eintragung am 1.11.2014 zu löschen, durfte die Antragsgegnerin ihre Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht mehr auf den Vorfall vom 3.7.2012 stützen. Denn die damit vom Gesetzgeber festgelegte Frist, nach deren Ablauf frühere Eintragungen der hier in Rede stehenden Art einem Verwertungsverbot unterliegen, bindet auch die Fahrerlaubnisbehörde (BVerwG, 3 C 21.04). Mit der Tilgung der Eintragung gilt, dass sich der Betroffene im Rechtssinne bewährt hat (OVG RP, Beschluss vom 23.6.2010 – 10 B 11226/09).“

Viele Voreintragungen – das gibt auf jeden Fall ein Fahrverbot, auch wenn es lange her ist

entnommen Wikimedia.org, Quelle: Bundesdruckerei: Fotoarchiv

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Quelle: Bundesdruckerei: Fotoarchiv

Mit einer – auch in meinen Augen (der Kollege, der mit die Entscheidung geschickt hat, sieht es mir hoffentlich nach – recht eindeutigen Fahrverbotsfrage befasst sich der OLG Schleswig, Beschl. v. 30.09.2014 –  1 Ss OWi 171/14 (177/14). Es geht nämlich um die Frage des Zusammenspiels einer großen Zahl (acht) auch einschlägiger früherer Verkehrsverstöße und längerem Zeitablauf auf die Verhängung eines Fahrverbots. Der eine Umstand spricht ja ggf. für ein Fahrverbot, der andere dagegen. Das OLG hat sich für „dagegen“ entschieden:

„Der Zeitablauf allein von weniger als zwei Jahren rechtfertigt noch nicht das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots, wie die Staatsanwaltschaft zutreffend ausführt. Das Amtsgericht hat richtig gesehen, dass bei Vorliegen besonderer Um stände von der Verhängung des Regelfahrverbots abgesehen werden kann und hat sich dabei ausführlich mit der Frage befasst, ob Umstände vorliegen, die gegen eine grobe Pflichtverletzung sprechen oder für eine Existenzgefährdung oder anderweitige besondere Härten sprechen könnten, und diese verneint. Es hat dabei entscheidend darauf abgestellt, dass durch das Schweigen des Angeklagten insgesamt keine Gesichtspunkte dafür bekannt geworden seien, dass hier von dem Regelfahrverbot abzusehen sei. Ohne dies ausdrücklich auszusprechen, umfasst die Argumentation des Amtsgerichts damit aber alle Umstände, die allein anhand der Angaben des Betroffenen aufgedeckt werden können. Dafür, dass der Betroffene durch die relativ lange Verfahrensdauer so beeindruckt worden sei, dass der Besinnungs- und Erziehungseffekt auch auf andere Weise als durch ein Fahrverbot erreicht werden könne, kann ohne entsprechende Angaben des Betroffenen nicht festgestellt werden. Für diese Annahme spricht auch nach den Urteilsgründen nichts. Vielmehr drängt sich wegen der großen Zahl (acht) auch einschlägiger früherer Verkehrsverstöße die Verhängung eines Fahrverbots geradezu auf, um den Betroffenen endlich zur Besinnung zu bringen.“

Geldbuße – massive Erhöhung bei Voreintragungen

Ich komme noch einmal auf OLG Bamberg, Beschl. v. 29.11.2010 – 3 Ss OWi 1660/10 zurück, über den ich schon in anderem Zusammenhang berichtet hatte. Das ist der Beschluss, in dem das AG u.a. auf die Tätigkeit des Betroffenen als Landtagsabgeordneter abgestellt hatte.

Das OLG hat, was zu beachten ist, in dem Beschluss auch zur Erhöhung der Geldbuße Stellung genommen und führt aus, dass eine Geldbuße von 500 € wegen Nichteinhaltung des erforderlichen Abstandes zu einem vorausfahrenden Fahrzeug und damit eine massive Erhöhung des vorgesehenen Regelsatzes von 100 € verhältnismäßig ist, wenn der Betroffene zuvor in kurzer zeitlicher Abfolge mehrere gravierende Verkehrsverstöße begangen hat. Die beharrliche Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers liege dann nahe. Unerheblich sei dabei, ob der Betroffene ein sogenannter Vielfahrer sei.