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Vorbeifahrt am Linienbus – gefährdet muss ein „Fahrgast“ sein

In § 20 Abs. 4 StVO heißt es:

„An Omnibussen des Linienverkehrs und an gekennzeichneten Schulbussen, die an Haltestellen (Zeichen 224) halten und Warnblinklicht eingeschaltet haben, darf nur mit Schrittgeschwindigkeit und nur in einem solchen Abstand vorbeigefahren werden, daß eine Gefährdung von Fahrgästen ausgeschlossen ist. Die Schrittgeschwindigkeit gilt auch für den Gegenverkehr auf derselben Fahrbahn. Die Fahrgäste dürfen auch nicht behindert werden. Wenn nötig, muß der Fahrzeugführer warten.

Wer sich daran nicht hält, muss mit einer Geldbuße rechnen, vgl. Nr. 95 ff. BKat. Und wenn es dabei zu einer Gefährdung eines Fahrgastes kommt, sind nach Nr. 95.2 BKatV 50 € fällig. Was ist nun, wenn nicht mit Schrittgeschwindigkeit gefahren wird, es zu einer Gefährdung kommt,e s sich bei dem Gefährdeten aber nicht um einen „Fahrgast“ gehandelt hat? Nun dann liegt es m.E. auf der Hand, dass dann eine Geldbuße nach Nr. 95.2 BKatV nicht festgesetzt werden kann. Das hatte aber ein AG in Bayern anders gesehen und den Betroffenen dennoch nach § 20 Abs. 4 StVO i.V.m. Nr. 95.2 BKatV verurteilt.

Es musste sich nun vom OLG Bamberg im OLG Bamberg, Beschl. v. 29.01.2013 – 3 Ss OWi 24/13 – eines Besseren belehren lassen.

„Die dem Betroffenen zur Last liegende fahrlässige Ordnungswidrigkeit (Tatzeit: 27.06.2011) liegt jedenfalls in der qualifizierten und für die konkrete Bußgeldbemessung ausschlaggebenden „Gefährdungsvariante“ des § 20 Abs. 4 StVO (i.V.m. Nr. 95.2 BKat) nicht vor, da es sich bei dem Verletzen gerade nicht um einen „Fahrgast“ des Linienomnibusses gehandelt hat. Gerade diese Fahrgasteigenschaft ist überdies zumindest vorrangiger Schutzzweck der Norm, wenn auch die in § 20 StVO genannten erhöhten Sorgfaltspflichten beim Vorbeifahren letztlich dem Schutz aller Fußgänger und nicht nur derjenigen dienen mögen, die im räumlichen Bereich des Verkehrsmittels (unachtsam) die Fahrbahn überqueren (vgl. hierzu z.B. König in Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht 41. Aufl. § 20 StVO Rn. 6 m.w.N.).“

Und da aus dem Unfallereignis keine schwerwiegenden Verletzungsfolgen resultierten und der Betroffene als straßenverkehrsrechtlich unbelastet anzusehen war, hat das OLG nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt, weil ihm „eine bußgeldrechtliche Ahndung ausnahmsweise nicht geboten“ erschien. Zu denken wäre etwa an § 1 StVO gewesen.