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„… Mandant wird auf meinen Rat derzeit schweigen“, oder: Auch das ist Mitwirkung, „liebe“ RSV

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Und dann als zweite Gebührenentscheidung am vorweihnachtlichen Donnerstag das AG Augsburg, Urt. v. 20.12.2021 – 21 C 2535/21. Also recht frisch. Und schön 🙂 . Ein vorweihnachtliches Schmankerl.

Es geht um die Nr. 5115 VV RVG. Die will die beklagte Rechtsschutzversicherung – trotz Deckungszusage – nicht zahlen. Gegen den Kläger war ein Bußgeldbescheid erlassen worden, gegen den die Verteidigerin Einspruch eingelegt hatte, und zwar wie folgt: „…Namens und im Auftrag meines Mandanten lege ich gegen den Bußgeldbescheid vom 16.04.2021 Einspruch ein. Eine Begründung des Rechtsmittels bleibt vorbehalten. Mein Mandant wird sich derzeit auf meinen ausdrücklichen Rat hin nicht zu der Sache äußern. Ich beantrage die Gewährung von Akteneinsicht …“ Mit Schreiben vom 28.04.2021 stellte die Stadt Augsburg als Ordnungsbehörde das Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Kläger ein und führte u.a. aus: „„Sehr geehrte Frau Rechtsanwältin, nach Prüfung ihres Einspruchs zu oben genannten Bußgeldbescheid in Verbindung mit der Herstellerinformation …

Das AG Augsburg hat die zusätzliche Verfahrensgebühr zugesprochen. Das hat es sehr umfangreich, aber auch sehr schön begründet. Wegen des besonderen Tages 🙂 stelle ich nicht die ganze Begründung hier ein. Sie ist aber lesenswert und man kann daraus sicherlich schöne Textbausteine fertigen, nicht nur für die Nr. 5115 VV RVG, sondern auch für die Nr. 4141 VV RVG. Daher ein besonderer Dank an die Kollegin B.Biernacik aus Augsburg für die Übersendung des Beschlusses. So etwas schicken RSV natürlich nicht, die schicken, wenn überhaupt, in der Regel nur für den Verteidiger ungünstige Entscheidungen.

Hier dann also der Leitsatz:

Auch die Mitteilung des Rechtsanwalts, dass sich sein Mandant „derzeit“ auf seinen ausdrücklichen Rat hin nicht zu der Sache äußern wird, genügt als Mitwirkung i.S. der Nr. 5115 VV RVG.

Kleine Anmerkung. M.E. kann man das „Derzeit“ getrost weglassen. Das ändert in der Sache nichts, denn die Mitteilung, dass geschwiegen wird, bedeutet ja nicht, dass das für alle Zukunft gilt. Man muss keinen Vorbehalt machen. Lässt man das „derzeit“ weg, erspart man sich solche Diskussionen 🙂 mit der RSV.

 

Die Beförderungserschleichung des Überzeugungstäters

Das LG Berlin hatte folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

„Der Angeklagte nutzt die öffentlichen Verkehrsmittel in Berlin ständig bewusst ohne Bezahlung. So ist er auch zur hiesigen Berufungsverhandlung mit der U-Bahn gefahren, ohne einen Fahrschein bezahlt zu haben.

Zu den folgenden Zeitpunkten wurde er von Kontrolleuren der Berliner Verkehrsbetriebe angetroffen, als er jeweils mit der U-Bahn unterwegs war, ohne zuvor einen Fahrschein, insbesondere einen Einzelfahrschein im Wert von 2,10 Euro gelöst zu haben oder im Besitz eines gültigen Fahrausweises wie z.B. einer Monatskarte zu sein, weil er die Auffassung vertritt, für diese Leistung nicht zahlen zu wollen. Beim Betreten der U-Bahn-Wagen und während der Fahrt trug er an seiner Kleidung etwa in Brusthöhe ein Schild etwa in Größe einer Scheckkarte mit dem Aufdruck ´Für freie Fahrt in Bus und Bahn` und ´Ich zahle nicht` sowie in der Mitte einem Foto augenscheinlich von drei Bussen der BVG mit dem Querdruck ´Streik`. Dabei handelt es sich um folgende Tage:…

Die Berliner U-Bahn erlaubt den Fahrgästen einen barriere- und kontrollfreien Zugang zu den Bahnsteigen und den Zügen. Allerdings hat der Fahrgast beim Antritt der Fahrt im Besitz eines gültigen Fahrausweises zu sein, um zur Fahrt mit der U-Bahn oder anderer Verkehrsmittel aus dem Verkehrsverbund berechtigt zu sein.“

Auf der Grundlage ist der Angeklagte wegen Beförderungserschleichung (§ 265a StGB) verurteilt worden.

Dagegen seine Revision, über die das KG, Beschl. v.02.03.2011 – (4) 1 Ss 32/11 (19/11) entschieden hat. Das KG geht davon aus, dass die Beförderung durch ein Verkehrsmittel auch derjenige erschleicht, der bei dessen Betreten den allgemeinen äußeren Anschein erweckt, er sei im Besitz eines gültigen Fahrausweises und komme den geltenden Beförderungsbedingungen nach. Ein für den Fall einer Fahrscheinkontrolle vorgesehener Vorbehalt in der Form eines auf der Kleidung angebrachten scheckkartengroßen Schildes, mit dem die fehlende Zahlungswilligkeit zum Ausdruck gebracht wird, sei jedenfalls nicht geeignet, den äußeren Anschein zu erschüttern oder zu beseitigen.

Dazu u.a.: Weiterlesen