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Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad, oder: Untersagung des Führens von Fahrrad/Mofa?

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Als zweite Entscheidung heute dann – seit längerem – mal wieder eine verkehrsverwaltungsrechtliche. Es handelt sich um das VG Augsburg, Urt. v. 09.09.2019 – Au 7 K 18.1240. Es nimmt Stellung zur Anordnung einer MPU nach einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad.

Nach einer Trunkenheitsfahrt der Klägerin, bei der sie mit einem Fahrrad gefahren war, war eine MPU angefordert worden. Der Aufforderung war die Klägerin nicht nachgekommen. Daraus hatte die Verwaltungsbehörde dann auf mangelnde Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr geschlossen und der Klägerin das Führen erlaubnisfreier Fahrzeuge untersagt. Das VG hat das abgesegnet:

2. Der Beklagte hat im vorliegenden Fall zu Recht auf die Nichteignung der Klägerin zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen geschlossen, weil diese das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht hat (§ 3 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV).

Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (st. Rspr. des BVerwG, vgl. BVerwG, B. v. 9.6.2005 – 3 C 25/04NJW 2005, 3081; B. v. 11.6.2008 – 3 B 99/07NJW 2008, 3014; BayVGH, B. v. 5.6.2009 – 11 CS 09.69; BayVGH, B. v. 19.2.2009 – 11 ZB 08.1466; VG München, U. v. 10.7.2009 – M 6b K 08.1412).

Die Rechtmäßigkeit der Forderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ergibt sich hier aus § 3 Abs. 2 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV. Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde. Gemäß § 3 Abs. 2 FeV gilt dies auch für die Untersagung des Rechts zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge.

Nimmt eine Person mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr als Fahrradfahrer am Straßenverkehr teil, so ergeben sich hieraus nicht nur Zweifel an ihrer Eignung, Kraftfahrzeuge zu lenken, sondern es besteht vielmehr auch Grund zu der Besorgnis, dass sie künftig erneut bereit sein könnte, in erheblich alkoholisiertem Zustand wiederum Fahrräder oder andere Fahrzeuge, die ohne Fahrerlaubnis gelenkt werden dürfen, im öffentlichen Straßenverkehr zu führen (vgl. BayVGH, B. v. 22.10.2009 – 11 ZB 09.832; B. v. 8.2.2010 – 11 C 09.2200ZfS 2010, 296; B. v. 11.5.2010 – 11 CS 10.68; B. v. 12.10.2010 – 11 ZB 09.2575; U. v. 1.10.2012 – 11 BV 12.771).

3. Die Anwendung von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ist dabei auch gegenüber Personen gerechtfertigt, die lediglich fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge führen. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat seine bisher vertretene gegenteilige Rechtsauffassung (OVG RhPf, B. v. 25.9.2009 – 10 B 10930/09NJW 2010,457), welche vom Bevollmächtigten der Klägerin angeführt wurde, inzwischen aufgegeben (OVG RhPf, U. v. 17.8.2012 – 10 A 19284/12). Zudem ist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, soweit dieses dem Gesetz entnimmt, dass sich die pauschalierende Betrachtungsweise des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV gegenüber Personen, die lediglich fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge führen, nicht rechtfertigen lässt, ausdrücklich entgegengetreten (BayVGH, B. v. 28.12.2010 – 11 CS 10.2095 – juris Rn. 15).

4. Hinsichtlich der Forderung nach der Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist es rechtlich unbeachtlich, wenn derjenige, der durch eine entsprechende Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad auffällig geworden ist, nie eine Fahrerlaubnis besessen hat und auch in Zukunft keine erwerben will. Eine sachliche Differenzierung danach, ob der Radfahrer eine Fahrerlaubnis besitzt oder nicht, erscheint im Hinblick auf das vom alkoholisierten Radfahrer ausgehende Gefahrenpotential nicht gerechtfertigt (BayVGH, B. v. 11.5.2010 a.a.O.; U. v. 1.10.2012 a.a.O.). Entgegen der Ansicht der Klägerin könnte gerade hierin ansonsten ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegen.

Es liegt auf der Hand, dass Verkehrsunfälle, die ungeeignete Fahrer fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge verursachen, ebenfalls mit schwerwiegenden Folgen für Gesundheit, Leben und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer verbunden sein können (BayVGH, B. v. 11.5.2010 – a.a.O.; B. v. 22.10.2009 – a.a.O.; OVG Nds, B. v. 1.4.2008 – 12 ME 35/08). Wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 21. Mai 2008 (3 C 32/07BVerwGE 131, 163, vgl. auch U. v. 27.9.1995 – 11 C 34/94BVerwGE 99, 249) ausgeführt hat, bedeutet die Teilnahme am Straßenverkehr unter erheblicher Alkoholisierung mit jedem Fahrzeug eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs. Diese Einschätzung liegt auch § 316 StGB zugrunde, der nicht nur die Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug unter Strafe stellt. Radfahrer sind mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille absolut fahruntüchtig (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. 2010, § 316 StGB Rn. 18). Der Forderung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV, ab einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, liegt die Annahme des Verordnungsgebers zugrunde, dass nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen Fahrer mit einer Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille über deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit verfügen (BayVGH, U. v. 1.10.2012 – 11 BV 12.771). Diese Personen werden doppelt so häufig rückfällig wie Personen mit geringeren Blutalkoholkonzentrationen. Nicht an Alkohol gewöhnte Personen sind mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille nicht in der Lage, ihr Fahrzeug aufzufinden, es in Gang zu setzen und es über eine gewisse Strecke zu bewegen. Dies gilt auch bzw. sogar besonders bei einem Fahrrad, dessen Gebrauch ein gesteigertes Maß an Balance erfordert und damit besondere Anforderungen an den Gleichgewichtssinn stellt (vgl. HessVGH vom 6.10.2010 – 2 B 1076/10 Blutalkohol 2010, 436).

Es ist deshalb gerechtfertigt, von solchen Personen die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu fordern.

5. Die Klägerin ist bereits am 11. Juni 2013 ebenfalls mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, damals mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,86 Promille, auffällig geworden. Selbst bei erstmaligem Verstoß aber ist bei einem Fahrradfahrer, der sich mit hoher Blutalkoholkonzentration am Straßenverkehr beteiligt und damit eine Verkehrsstraftat nach § 316 StGB begeht, in der Regel bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründet, er werde in alkoholisiertem Zustand nicht stets die nötige Selbstkontrolle aufbringen, vom Führen eines Fahrzeuges abzusehen (vgl. BVerwG 21. Mai 2008 – 3 C 32/07BVerwGE 131, 163, U. v. 27.9.1995 – 11 C 34/94BVerwGE 99, 249 für den Kraftfahrzeugführer; BayVGH, U. v. 1.10.2012 – 11 BV 12.771). Die Frage, ob ein Wiederholungsrisiko besteht, auch im Hinblick auf die Persönlichkeitsmerkmale der Klägerin, ist gerade erst mit der angeordneten Begutachtung zu klären. Es ist Sache des Betroffenen, im Rahmen der medizinischen und der psychologischen Untersuchung zur Überzeugung zunächst des Sachverständigen und daraufhin der Entscheidungsträger bei den Behörden und den Gerichten darzutun, warum er trotz des anlassgebenden Sachverhalts zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen geeignet ist. Weiter ist es zunächst Aufgabe der Begutachtungsstelle, zu beurteilen, ob ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug unter bestimmten Beschränkungen bzw. Auflagen geführt werden kann…..“

Senior mit Demenz/Alzheimer, oder: Entziehung der Fahrerlaubnis

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Und die zweite Entscheidung im „Kessel Buntes“ ist dann der VG Augsburg, Beschl. 15.12.2016 – Au 7 S 16.1493. Der behandelt die Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis bei einem „Senior“ – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Mit „Senioren im Straßenverkehr hatte sich ja auch ein AK des 55. VGT 2017 in Goslar befasst.

Im VG Augsburg-Beschluss ging es um einen 75 Jahre alte Antragsteller, der Anfang 2016 an einem sog. Kleinunfall beteiligt war. Nach dem Unfall machte er einen verwirrten und unsicheren Eindruck auf die herbeigerufenen Polizeibeamten. Durch die Polizei wurde eine medizinische Überprüfung der Fahreignung angeregt. Das Landratsamt forderte den Senior unter Hinweis auf diesen Unfall und einen weiteren aus dem Jahr 2011 auf, ein Gutachten eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation für Neurologie und/oder Psychiatrie zur Frage seiner Fahreignung beizubringen. Es wurde dann das Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Nervenheilkunde vorgelegt, in dem dem Senior Demenz, und zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Alzheimer-Typ, attestiert wurde und Bedenken hinsichtlich der Fahreignung für Fahrzeuge der Gruppe 1 geäußert wurden. Zur genaueren Einordnung der Defizite wurde eine neuropsychologische Zusatzuntersuchung mit einem geeigneten objektivierbaren psychologischen Testverfahren empfohlen. Eine solche „Verkehrspsychologische Zusatzuntersuchung“ wurde erstellt. In ihr wurde festgestellt, dass der Antragsteller nicht mehr über ein ausreichendes Leistungsvermögen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1, Klasse 1 und 3 verfüge. Von einer Ausgleichbarkeit sei nicht auszugehen.

Die Fahrerlaubnisbehörde hat dem Antragsteller daraufhin die Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3 (Ziffer 1) entzogen. Der Senior hat Widerspruch eingelegt und beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs herzustellen (§ 80 Abs. 5 VwGO). Sein Antrag hatte keinen Erfolg. Das VG sagt: Scheitert ein Fahrerlaubnisinhaber in einem psychologischen Testverfahren, weil er diesem nicht mehr gewachsen ist und die Testanweisung nicht versteht, führt das nicht dazu, wegen mangelnder gutachterlicher Erkenntnisse vom Vorliegen einer auch nur bedingten Fahreignung auszugehen. Vielmehr kann die Fahrerlaubnis sofort entzogen werden.

In der Entscheidung geht das VG davon aus, dass der Senior ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinn von § 2 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 FeV und den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV sei. Das ergebe sich eindeutig aus dem Gutachten „Verkehrspsychologische Zusatzuntersuchung“. Die dortige Untersuchung des Antragstellers sei in Form von Einzeltests an einem computergesteuerten Testgerät mit programmierter Instruktions- und Testvorgabe am Bildschirm, durchgeführt von einer Diplom-Psychologin (Fachpsychologin für Verkehrspsychologie BDP) erfolgt. Dabei habe es sich um eine Überprüfung der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit des Antragstellers durch Leistungstests nach Nr. 2.5 der Begutachtungs-Leitlinien für Kraftfahrereignung. Mit den Testverfahren können die Belastbarkeit, die Orientierungs-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistung sowie die Reaktionsfähigkeit untersucht werden (vgl. Beurteilungskriterien – Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 3. Aufl. 2013, Nr. 8.2.1) gehandelt. Die Gutachterin – eine Fachpsychologin für Verkehrspsychologie BDP – habe im Rahmen der Bewertung der testpsychologischen Befunde u. a. ausgeführt, dass beim Antragsteller ausgeprägte verkehrsbedeutsame Beeinträchtigungen offenkundig seien. Insbesondere würden die in den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung geforderten Normwerte nicht einmal ansatzweise erreicht. Die gravierenden Leistungsschwächen seien als weitgehend ausfallartig zu sehen. Eine Kompensation derart weitreichender Defizite durch ausreichende Leistungen in anderen Bereichen oder durch Erfahrung sei nicht zu erwarten. Aufgrund der mangelnden Wahrnehmung der Einschränkungen sowie der Leistungsdefizite könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller diesen durch besondere Vorsicht oder Umsicht begegnen könne. Entgegen den Ausführungen der Antragstellerseite kann das …-Gutachten („Verkehrspsychologische Zusatzuntersuchung“) zur Beurteilung der Fahreignung des Antragstellers auch herangezogen bzw. verwertet werden. Der fachärztliche Gutachter hat genau die Testverfahren zur Klärung der Fahreignung des Antragstellers für erforderlich erachtet, die dann auch durchgeführt wurden. Auch die Ableistung einer praktischen Fahrverhaltensbeobachtung hat er nur für den Fall (noch) für erforderlich gehalten, sollten nach den psychologischen Testverfahren „dann noch Zweifel bestehen oder keine eindeutige Aussagekraft vorliegen“. Dass der Antragsteller den psychologischen Testverfahren nicht mehr gewachsen war und bei den durchgeführten Tests den Mindestprozentrang nicht einmal annähernd erreichte oder z. B. den „Test zur Messung der Belastbarkeit und des Reaktionsvermögens“ deswegen nicht ableisten konnte, weil er die Testanweisung nicht verstand, kann demnach nicht dazu führen, von noch nicht ausgeräumten Zweifeln an seiner Fahreignung, geschweige denn vom Vorliegen einer auch nur bedingten Fahreignung auszugehen.

Tja, das war es dann. Denn aufgrund der gutachtlich festgestellten Fahrungeeignetheit des Antragstellers hatte die Fahrerlaubnisbehörde dessen Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen; ein Ermessen stand ihr bei dieser Entscheidung nicht zu.

Fahrtenbuch, oder: Und was ist mit dem „Stinkefinger“?

entnommen openclipart.org

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Das VG Augsburg, Urt. v. 12.05.2016 – Au 3 K 15.1218 – hat eine Fahrtenbuchauflage zum Gegenstand, um deren Rechtsmäßigkeit nach folgendem (Verkehrs)Geschehen gestritten worden ist:

„Der 1965 geborene Kläger ist wohnhaft in pp.. Er ist u. a. Halter eines Motorrads des Typs Suzuki GSX-R 1000 mit dem amtlichen Kennzeichen ppp. (Fahrzeug-Ident-Nr. JS1B6111100ppp.).

Ausweislich eines polizeilichen Ermittlungsberichts vom 22. September 2014 wurde am Sonntag, den 17. August 2014 hinsichtlich des genannten Fahrzeugs bei der Polizeiinspektion L. folgender Sachverhalt zur Anzeige gebracht, der sich am selben Tag gegen 10.00 Uhr auf der Bundesautobahn A96 (Fahrtrichtung Lindau, Höhe L.) ereignet habe: Während dichten Verkehrs auf beiden Fahrspuren sei der Fahrer des Motorrads mit dem amtlichen Kennzeichen ppp. – nachdem dieser sich bereits zuvor ständig an anderen Fahrzeugen vorbeigedrängt habe – auf den gerade ein anderes Fahrzeug auf der linken Spur überholenden Pkw des Anzeigeerstatters zunächst sehr dicht – weniger als 2 m – aufgefahren und habe diesen schließlich rechts überholt. Der Anzeigeerstatter habe die Hupe betätigt, als der Motorradfahrer etwa auf gleicher Höhe gewesen sei, „um zu signalisieren, dass es so nicht geht“. Nachdem der Motorradfahrer vor dem Pkw des Anzeigeerstatters wieder eingeschert sei und verkehrsbedingt habe abbremsen müssen, habe der Motorradfahrer dem Anzeigeerstatter mit der linken Hand den sog. Stinkefinger gezeigt. Sodann habe der Motorradfahrer beschleunigt und sei davon gefahren. Abschließend gab der Anzeigeerstatter an, dass auch seine beifahrende Freundin den Vorfall bestätigen könne und diese auch Lichtbilder von der Situation gefertigt habe. Der Anzeigeerstatter stellte Strafantrag wegen Beleidigung.“

Das VG stellt in seinem doch recht umfangreichen Urteil zu den Voraussetzungen des § 31a StVZO fest:

Auch bei erstmaliger Begehung eines Verkehrsverstoßes, der im Fall seiner Ahndung zur Eintragung von wenigstens/nur einem Punkt im Fahreignungs-Bewertungssystem bzw. Verkehrszentralregister geführt hätte (hier: unzulässiges Rechtsüberholen außerhalb geschlossener Ortschaften), ist  – die Auferlegung eines Fahrtenbuchs nach § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO gerechtfertigt und verhältnismäßig.

Die Feststellung des Kraftfahrzeugführers ist unmöglich i.S.v. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO, wenn die Behörde alle nach den Umständen des Einzelfalls angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, ihn zu ermitteln. Dazu gehört es grundsätzlich, den Fahrzeughalter unverzüglich – regelmäßig innerhalb von zwei Wochen – von der Zuwiderhandlung zu informieren. Eine verzögerte Anhörung ist unschädlich, wenn feststeht, dass sie für die unterbliebene Feststellung des Fahrzeugführers nicht ursächlich  geworden ist.

Verweigert der Fahrzeughalter seine Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers, darf die Behörde in der Regel davon ausgehen, dass die Feststellung des Kraftfahrzeugführers unmöglich i.S.v. § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO ist; naheliegenden und mit wenig Aufwand durchführbaren Ansätzen zur Fahrerermittlung muss die Behörde aber auch dann nachgehen.

Was natürlich noch interessiert, ist die Frage: Und was ist mit dem „Stinkefinger“? Spielt er eine Rolle? Das VG sagt: Nein, denn:

„Ebenfalls hat eine etwaige vom Fahrer des klägerischen Fahrzeugs durch Zeigen des sog. Stinkefingers begangene Beleidigung nach § 185 StGB bei der Anordnung der Fahrtenbuchauflage außer Betracht zu bleiben, denn ihr fehlt der spezifische Verkehrsbezug; mit der Beleidigung als solcher wird nicht gegen Verkehrsvorschriften zuwider gehandelt (vgl. VG München, U. v. 10.9.2009 – M 23 K 09.2395 – juris Rn. 19).“

Na ja, aber lieber doch nicht…. 🙂 .

Amphetamin drin, Fahrerlaubnis weg

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Das VG Augsburg, Urt. v. 06.06.2013 – AU 7 K 13.465 – schreibt noch einmal fest, was einhellige Meinung in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist: Bereits der einmalige Konsum eines Betäubungsmittels – mit Ausnahme von Cannabis – hat im Regelfall den Verlust der Fahreignung zur Folge, und zwar erst Recht dann, wenn unter Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug geführt wird. Hier ging es um Amphetamin:

„Es entspricht allgemeiner Überzeugung in der Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2006 – 11 ZB 05.1406 – m.w.N. zahlreicher anderer Oberverwaltungsgerichte, juris), dass bereits der einmalige Konsum eines Betäubungsmittels (mit Ausnahme von Cannabis) im Regelfall den Verlust der Fahreignung nach sich zieht. Ein Zusammenhang zwischen dem Drogenkonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen ist dabei nicht erforderlich. Irrelevant ist auch, ob konkrete Ausfallerscheinungen im Sinne einer Fahruntüchtigkeit beim Betroffenen festzustellen waren oder ob der Betroffene deshalb strafrechtlich geahndet wurde (BayVGH, B.v. 23.4.2008 – 11 CS 07.2671- juris).

….
Der Kläger hat am 18. November 2012 unter dem Einfluss von Amphetamin ein Kraftfahrzeug geführt. Insoweit ergibt sich aus dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum … vom 10. Dezember 2012, dass im Blut des Klägers eine Amphetamin-Konzentration von 58,0 ng/ml festgestellt wurde. Der Kläger hat zudem einen Konsum von Amphetamin auch bereits vor diesem Vorfall eingeräumt.
b) Von der Einschätzung als fahrungeeignet war auch nicht gemäß der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV eine Ausnahme zu machen.
….
Die von der Klägerseite hierzu vorgetragenen Umstände (s. Schriftsatz vom 2.April 2013, Punkt 2 a) bis e)) können jedoch einen Ausnahmefall im Sinne der oben genannten Voraussetzungen nicht belegen, sondern zeigen vielmehr, dass beim Kläger von einem Regelfall auszugehen ist. Gerade der Sachverhalt, dass der Kläger bereits mehrfach Amphetamin konsumiert hat und dann auch unter dem Einfluss dieser Droge ein Kraftfahrzeug geführt hat, belegt seine mangelnde Fähigkeit, sein Verhalten verantwortungsbewusst zu steuern. Auch der Vortrag, dass der Kläger bei der Drogenfahrt keine Ausfallerscheinungen zeigte und dass es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe, rechtfertigt nicht die Annahme einer besonderen Steuerungsfähigkeit, mit der der Mangel an Willensstärke und der Kontrollverlust beim Konsum „harter“ Drogen als kompensiert gelten könnte (vgl. Bay VGH, B.v. 21.12.2006 – 11 CS 06.1264 – juris).“