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„Die Leiden der jungen Strafverteidigerin“…, oder: Verschwiegenheitspflicht

© santi_ Fotolia.com

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Die Überschrift „Die Leiden der jungen Strafverteidigerin“ ist nicht von mir, sondern ich greife mit ihr den Vorschlag einer (jungen) Kollegin auf, die sich gestern mit einer Frage mit gebührenrechtlichem Einschlag an mich gewendet hatte. Ich hatte ihr die Aufnahme isn RVG-Rätsel „angedroht“, bringe die Sache dann aber mal hier, da letztlich dann doch eine andere Problematik im Vordergrund gestanden hat. Die Kollegin fragte:

„Guten Morgen Herr Burhoff,
gestern habe ich mich – was ab und an vorkommt – damit beschäftigt, ob ich mich eigentlich selbst strafbar mache. Es geht um Folgendes:
Seit ca. zwei Jahren verteidige ich eine Mandantin, die nunmehr (was zu erwarten war) auch vom Berufungsgericht verurteilt wurde. In der Berufungsinstanz war ich Pflichtverteidigerin.
Milde ausgedrückt, hat sich meine Mandantin mir gegenüber unredlich verhalten, deshalb wurde das Mandat im Laufe der Zeit immer schwieriger und ich ihr gegenüber immer deutlicher.
Gegen das Urteil habe ich abredegemäß Revision eingelegt und die Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls beantragt. Meine Mandatin bekam von mir zudem einen Terminsbericht, mit Hinweisen über den möglichen weiteren Fortgang des Verfahrens.
Sechs Wochen später kamen das Hauptverhandlungsprotokoll sowie das schriftliche Urteil. Ich prüfte noch am gleichen Tag etwaige Revisionsgründe und fand auch einiges. Hierüber erfreut rief ich meine Mandantin an und berichtete ihr meine vorläufigen Ergebnisse. Am Ende dieses Telefonats kündigte diese mir indes an, einen anderen Verteidiger als Wahlverteidiger mit der Revisionsbegründung beauftragen zu wollen oder dies schon getan zu haben. Mit anderen Worten: Sie eierte rum.
Schriftlich bat ich Sie daher um Klarstellung und wies darauf hin, dass ein Wahlverteidiger berufsrechtlich verpflichtet ist, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Nichts geschah.
Eine Woche später rief ich deshalb beim Landgericht an und fragte, ob sich in der Sache ein Wahlverteigiger gemeldet hätte. Dies wurde mir bestätigt. „Vor ca. einer Woche hat sich Herr Kollege X aus Y gemeldet“.
Ich googelte die Kontaktdaten dieses Kollegen und rief an. Dieser bestätigte mir, mit der Revisionsbegründung beauftragt worden zu sein. Der Stift würde sich indes erst dann „drehen“, wenn die (insolvente) Mandantin ihn bezahlt. Wir erörterten kurz etwaige Revisionsgründe. Gut zwei Wochen später telefonierten der Kollege und ich ein weiteres Mal und redeten nochmals über Revisionsgründe. Der Kollege bestätigte, die Revisionsbegründung abzugeben. Dies schrieb ich dann nochmals der Mandatin.
Dann beantragte ich beim Amtsgericht u. a. die Gebühr für das Revisionsverfahren als Vorschuss festzusetzen. Vier (!!!) Monate später teilte mir der freundiche Rechtspfleger mit, dass er meine Tätigkeit im Revisionsverfahren nicht erkennen kann. Die Revisionseinlegung sei mit der Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren abgegolten, die Revisionsbegründung hat dagegen der andere Kollege abgegeben. Er regt an, den Antrag zurückzunehmen und gibt mir eine Stellungnahmefrist von 2 Wochen.

Nun zu meinen Fragen:
1.)  Wenn ich dem freundlichen, flinken Rechtspfleger mittteile, was ich nach der Revisionseinlegung für die gute Mandantin getan habe, müsste er die Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren doch festsetzen, oder?
2.)  Gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB wird der plaudernde Anwalt bestraft. Hier ginge es doch aber um meinen Vergütungsanspruch. Deshalb wäre der Geheimnisverrat zumindest nicht „unbefugt“ und ich würde mich nicht strafbar machen, wenn ich den freundlichen Rechtspfleger ins Bild setze, oder?
Danke für Ihre Mühe und entschuldigen Sie den „Roman“.

Also: Ich konnte und habe verhältnismäßig kurz geantwortet, nämlich:

Hallo Frau Kollegin,
Sie liegen m.E. in beiden Fragen richtig.

Die Verfahrensgebühr Nr. 4130 VV RVG ist hier auf jeden Fall entstanden, da Sie ja nicht nur die Revision eingelegt haben, sondern darüber hinaus Tätigkeiten erbracht haben.

Auch die Verschwiegenheitspflicht greift hier m.E. nicht. Dazu steht einiges in der berufsrechtlichen Literatur. Und natürlich auch in meinem Handbuch, Ermittlungsverfahren. Es geht zwar immer um den Honorarprozess, hier dürfte aber nichts anderes gelten. Ich würde aber so knapp wie möglich Stellung nehmen. M.E. reicht die Mitteilung, dass Sie mehrfach mit dem neuen Verteidiger gesprochen haben. Ausgang würde mich interessieren.

Und in der „Dankesmail“ hatte die Kollegin dann die nette Idee von den „Leiden der jungen Strafverteidigerin“.

Schweigepflicht schlägt Auskunftspflicht – Schlappe für Datenschutzbeauftragten

Was es nicht alles gibt. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll, wenn man sich den dem Beschl. des KG v. vom 20. August 2010 – 1 Ws (B) 51/07 zugrundeleigenden Sachverhalt vergegenwärtigt. Da hatte der Betroffene, ein Rechtsanwalt, als Verteidiger in einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Potsdam am 23. August 2004 zwei Briefe zum Gegen­stand der Hauptverhandlung gemacht, die ein Zeuge, der mit dem Angeklagten in einem Nachbarschaftsstreit lag, an seine Hausverwaltung geschrieben hatte. Trotz mehrfacher Aufforderung durch den Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit verweigerte der Betroffene unter Berufung auf seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht die Auskunft, wie er in den Besitz der Briefe gekommen war. Deswegen erlässt der Datenschutzbeauftragte gegen ihn einen Bußgelbescheid über 3.000 €, gegen den der Verteidiger Einspruch einlegt. Das AG spricht frei, dagegen die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft, die von der GStA offenbar vertreten wird. Dann die Entscheidung des KG, das die Rechtsbeschwerde verworfen hat. Dem Beschluss sind folgende Leitsätze vorangestellt:

1. Die Bestimmungen der BRAO sind keine „bereichsspezi­fi­sche Sonderregelung“ im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG.

2. Die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts nach § 43a Abs. 2 Satz 1 und 2 BRAO fällt unter § 1 Abs. 3 Satz 2 BDSG.

3. Der Rechtsanwalt ist wegen § 38 Abs. 3 Satz 2 BDSG im Hinblick auf § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht verpflichtet, dem Datenschutzbeauftragten mandats­bezogene Informationen zu geben, die seiner Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Denn die Vorschrift des § 38 Abs. 3 Satz 1 BDSG enthält keine dem § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BDSG entsprechende Bestimmung, nach der sich auch bei nicht-öffent­lichen Stellen die Kontrollbefugnis des Datenschutz­beauftragten auf diejenigen personenbezogenen Daten erstreckt, die der beruflichen Geheimhaltung unterliegen.

Dem ist m.E. nichts hinzuzufügen. Außer: Es ist traurig, dass man dafür ein Obergerichte bemühen muss.