Schlagwort-Archive: Verschlechterungsverbot

OWi I: Ein Rundumschlag beim OLG Karlsruhe …, oder: Abgelehnter „Beifahrerbeweisantrag“

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

Heute dann drei OLG-Entscheidungen zum OWi-Recht.

Ich beginne mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 07.12.2022 – 2 Rb 35 Ss 587/22. Das AG hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 74 km/h zu einer Geldbuße verurteilt und ein Fahrverbot verhängt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der eine Überschreitung des Bußgeldrahmens, das Übergehen eines Aussetzungsantrags und die Ablehnung eines auf die Vernehmung einer Entlastungszeugin gerichteten Beweisantrags beanstandet wird.

Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg, allerdings nicht wegen des Aussetzungsantrags im Hinblick auf 2 BvR 1167/20 und die Rohmessdaten, aber wegen des abgelehnten Beweisantrages:

„3. Soweit die auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG gestützte Zurückweisung eines Beweisantrags als fehlerhaft gerügt wird, greift die zulässig ausgeführte Beanstandung dagegen teilweise durch.

a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Der Verteidiger hatte in der Hauptverhandlung beantragt, die Beifahrerin des Betroffenen als Zeugin zum Beweis der Tatsachen zu hören, „dass der Betroffene nicht schneller gefahren ist als max. 140 km/h (Tachoanzeige), es zum Zeitpunkt der Messung stark geregnet hat, die Verkehrsschilder vor der Messstelle aufgrund starken Regens nicht lesbar/erkennbar waren und der Messwert bei der Kontrolle nicht vorgezeigt wurde/werden konnte“. Das Amtsgericht lehnte den Antrag ab, weil es die beantragte Beweiserhebung gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG nicht zur Erforschung der Wahrheit für erforderlich hielt. In den Urteilsgründen ist dazu im Anschluss an die Wiedergabe der Zeugenaussagen der beiden die Messung durchführenden Polizeibeamten ausgeführt: „Aufgrund der Aussagen [der beiden an der Messung beteiligten Polizeibeamten] war der Sachverhalt aus Sicht des Gerichts bereits ausreichend ermittelt. Deren Aussagen haben die Geschwindigkeitsüberschreitung in der vorgeworfenen Höhe bestätigt. Auf ausdrückliche Nachfrage hat der Zeuge X. bestätigt, dass es nicht geregnet habe. Auf den Umstand, ob das Messergebnis im Rahmen der sich an die Messung anschließenden Kontrolle vorgezeigt wurde, kommt es schließlich zum Beweis der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht an.“

b) Das Gericht kann einen Beweisantrag nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ablehnen, wenn es den Sachverhalt nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme für geklärt hält und die Beweiserhebung deshalb zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Damit ist der Tatrichter unter Befreiung von dem Verbot der Beweisantizipation befugt, Beweisanträge zurückzuweisen (OLG Hamm, Beschluss vom 10.3.2017 – 2 RBs 202/16, juris). Die Ablehnung einer Beweiserhebung aufgrund der vorweggenommenen Beweiswürdigung nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG setzt aber voraus, dass die Grundlagen für die bereits gewonnene Überzeugung so verlässlich sind, dass die Möglichkeit, diese Überzeugung könne durch eine weitere Beweisaufnahme erschüttert werden, vernünftigerweise auszuschließen ist (BayObLGSt 1994, 67; OLG Brandenburg, NZV 2013, 49; OLG Celle, NZV 2010, 634; KG, NZV 2002, 416). Entscheidend ist die – auch für einen Beweisermittlungsantrag maßgebliche – Amtsaufklärungspflicht gemäß § 77 Abs. 1 OWiG. Daher hängt die Pflicht des Tatrichters, den Sachverhalt weiter zu erforschen, einmal davon ab, wie gesichert das Beweisergebnis erscheint. Ihr Umfang orientiert sich aber auch am Gewicht dessen, was mit zusätzlichen Ermittlungen noch bewiesen werden könnte (BGH WM 2109, 1276 m.w.N.). Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung wird danach ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen, mit dem die Aussage eines Belastungszeugen entkräftet werden soll, regelmäßig nicht nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt werden können, sondern die Aufklärungspflicht seine Anhörung gebieten (OLG Düsseldorf NZV 1991, 363; 1999, 260; OLG Hamm DAR 2021, 529). Dies gilt allerdings nicht, wenn aufgrund des im Einzelfall gewonnenen Beweisergebnisses und der beantragten Beweiserhebung unter Berücksichtigung der Verlässlichkeit des Beweismittels die Bestätigung der behaupteten Beweistatsache nicht zu erwarten ist (OLG Hamm DAR 2021, 700).

c) Bei Anwendung dieser Maßstäbe ergibt sich vorliegend hinsichtlich der verschiedenen unter Beweis gestellten Tatsachen ein unterschiedliches Ergebnis.

aa) Soweit die Beifahrerin eine vom Messergebnis nach unten abweichende Geschwindigkeit bestätigen soll, erscheint es ohne näheren Vortrag dazu schon wenig plausibel, weshalb ein Beifahrer eine Acht auf die Tachoanzeige gehabt haben soll; erst recht gilt dies für die Verlässlichkeit einer zeitlichen Zuordnung zum Messvorgang, zumal beim angewendeten Messverfahren keine fotografische Sicherung stattfindet, die wegen des Einsatzes des Blitzlichts die Aufmerksamkeit auch des Beifahrers zu wecken geeignet ist. Von ausschlaggebender Bedeutung ist indes, dass die belastende Tatsache – die gefahrene Geschwindigkeit – letztlich nicht auf der ihrer Natur nach eher fehleranfälligen Wahrnehmung der vernommenen Zeugen beruht, sondern durch eine technische Messung mit einem Messgerät ermittelt wurde, das nach eingehender Prüfung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt für solche Messungen als geeignet befunden wurde und deshalb als standardisiertes Messverfahren gilt (vgl. dazu allgemein OLG Düsseldorf VRR 2014, 392; OLG Frankfurt DAR 2015, 149; OLG Bamberg DAR 2016, 146; OLG Schleswig DAR 2017, 47; OLG Hamm Beschluss vom 10.3.2017 – 2 RBs 202/16, juris; KG VRS 131, 308; OLG Köln ZfS 2018, 407; OLG Koblenz Beschluss vom 17.7.2018 – 1 OWi 6 SsBs 19/18, juris), bei dem ohne – vorliegend fehlende – konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung im Einzelfall ohne Weiteres von einem zutreffenden Messergebnis ausgegangen werden kann (st. Rspr., zuletzt KG Blutalkohol 59, 361; OLG Zweibrücken ZfS 2022, 167; OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.2.2021 – 1 OLG 53 Ss-OWi 684/20, juris; vgl. auch BVerfG NJW 2021, 455). Auch ein Wahrnehmungsfehler beim Ablesen der gemessenen Geschwindigkeit als der dem Messbeamten zentral obliegenden Aufgabe liegt fern. Selbst wenn das Messergebnis bei der anschließenden Kontrolle nicht vorgezeigt sein sollte, wozu indes keine Rechtspflicht besteht, war danach eine Erschütterung des durch das Ergebnis des technischen Messvorgangs und die Aussagen der beiden an der Messung beteiligten Polizeibeamten gewonnenen Beweisergebnisses hinsichtlich der vom Betroffenen gefahrenen Geschwindigkeit nicht zu erwarten, weshalb sich die auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG gestützte Zurückweisung des Beweisantrags insoweit als im Ergebnis rechtsfehlerfrei erweist.

bb) Etwas anderes gilt indes für die weiteren Beweistatsachen, mit denen die subjektive Vorwerfbarkeit der Geschwindigkeitsüberschreitung in Frage gestellt wurde. Denn hinsichtlich der im Zeitraum des Messvorgangs herrschenden Wetterverhältnisse und ihrer Auswirkungen auf die Sichtbarkeit der die Geschwindigkeitsbeschränkung anordnenden Verkehrszeichen, die Voraussetzung für die Vorwerfbarkeit des Verstoßes ist (OLG Stuttgart VRS 95, 441; OLG Hamm NZV 2011, 94), war nicht von vornherein auszuschließen, dass durch die Aussage der benannten Zeugin die dazu gemachte Angabe des Zeugen X. erschüttert werden könnte, nachdem sich aus den Urteilsgründen nicht ergibt, dass dessen Angaben durch weitere Beweismittel gestützt wurden. Dass eine bei den Akten befindliche Auskunft des Deutschen Wetterdienstes nahelegt, dass es im Zeitraum des Messvorgangs allenfalls minimal regnete, hat in den Urteilsgründen keinen Niederschlag gefunden und ist deshalb für die rechtliche Beurteilung durch den Senat unbeachtlich…..“

Im Übrigen: Das AG hatte die Regelgeldbuße von 600 EUR im Hinblick darauf, dass es vom Fahrverbot teilweise abgesehen hatte, verdreifacht. Das OLG weist darauf hin, dass im Fall einer neuerlichen Verurteilung die Geldbuße wegen der bei einem fahrlässigen Verstoß geltenden Höchstgrenze von 1.000 EUR (vgl. § 17 Abs. 2 OWiG) herabzusetzen ist. Es weist außerdem darauf hin, dass einer dann etwa in Aussicht genommenen Erhöhung des Fahrverbots das Verschlechterungsverbot entgegensteht. Nur mal so für das AG. Ist auch wohl besser.

Berufung II: Ratenzahlung in der 1. Instanz gewährt, oder: Es gilt das Verschlechterungsverbot

Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

Die zweite Entscheidung kommt vom KG. Das hat im KG, Beschl. v. 05.02.2021 – (3) 121 Ss 189/20 (1/21) – zur Geltung des Verschlechterungsverbotes (§ 331 StPO) auch bei gewährter Ratenzahlung ausgeführt:

„Allerdings verstößt die von der Strafkammer vorgenommene Erhöhung der dem Angeklagten gestatteten monatlichen Ratenzahlungen auf 200 Euro gegenüber der erstinstanzlich festgesetzten Rate von 100 Euro gegen das Verschlechterungsverbot im Sinne des § 331 Abs. 1 StPO.

Das in den §§ 331 Abs. 1, 358 Abs. 2 Satz 1 StPO für das Rechtsmittelverfahren und in § 373 Abs. 2 Satz 1 StPO für die Wiederaufnahme normierte Verbot der Verschlechterung gewährleistet, dass der Angeklagte bei seiner Entscheidung, ob er von einem ihm zustehenden Rechtsmittel bzw. einem Wiederaufnahmeantrag Gebrauch machen will, nicht durch die Besorgnis beeinträchtigt wird, es könne ihm durch die Einlegung ein Nachteil erwachsen (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2019 – 5 StR 387/18 –, juris m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 63. Aufl., § 331 Rn. 1 m.w.N).

Das Verschlechterungsverbot gilt nach seinem Wortlaut grundsätzlich für alle Rechtsfolgen der Tat in Art und Höhe. Durchbrochen wird es aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen (§ 331 Abs. 2, § 358 Abs. 2 Satz 2, § 373 Abs. 2 Satz 2 StPO) nur für die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus und in der Entziehungsanstalt.

Grundsätzlich nehmen auch die vom erstinstanzlichen Gericht nach § 42 StGB bewilligte Zahlungserleichterungen am Verschlechterungsverbot teil (vgl. KG, Beschlüsse vom 4. April 2018 – (5) 121 Ss 44/18 (26/18) – und 15. April 2015 – (2) 161 Ss 72/15 (23/15) –; OLG Hamburg MDR 1986, 517; Frisch in SK, StPO 5. Aufl., § 331 Rn. 48; Gössel in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 331 Rn. 46 m.w.N.).

Die Gegenansicht, wonach Zahlungserleichterungen uneingeschränkt zum Nachteil des Angeklagten geändert werden dürfen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O, § 331 Rn. 6; Beukelmann in Radtke/Hohmann, StPO, § 331 Rn. 4; Grube in Leipziger Kommentar, StGB 13. Aufl., § 42 Rn. 23; Albrecht in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB 5. Aufl., § 42 Rn. 10), übersieht, dass Zahlungserleichterungen in der Urteilsformel festzulegen sind und die Schlechterstellung des Angeklagten hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten einer Geldstrafe zweifellos die Höhe der Rechtsfolgen der Tat im Sinne des § 331 Abs. 1 StPO tangiert (vgl. OLG Hamburg a.a.O.; Paul in KK, StPO 8. Aufl., § 331 Rn. 4).

Der in § 331 Abs. 1 StPO verwendete Begriff der „Höhe der Rechtsfolgen“ kann allerdings nicht isoliert auf Entscheidungen nach § 42 StGB bezogen werden in dem Sinne, dass die vom Erstrichter festgesetzte Geldstrafe nicht nur ihrer Gesamthöhe nach, sondern auch als „Monatsrate“ für das Rechtsmittelgericht als Obergrenze festgeschrieben wäre (vgl. OLG Schleswig NJW 1980, 1535). Denn nach § 459a Abs. 2 Satz 2 StPO ist es sogar der Vollstreckungsbehörde möglich, bei Vorliegen neuer Tatsachen eine rechtskräftige Entscheidung nach § 42 StGB zum Nachteil des Verurteilten nachträglich zu ändern oder aufzuheben. Demzufolge kann es auch dem Berufungsgericht nicht stets verboten sein, die vom Erstgericht festgesetzte Ratenhöhe zum Nachteil des Angeklagten zu verändern oder eine Ratenzahlungsbewilligung ganz zu versagen (vgl. OLG Schleswig a.a.O.), nämlich dann nicht, wenn die Voraussetzungen des § 459a Abs. 2 Satz 2 StPO vorliegen (vgl. KG, Beschlüsse vom 4. April 2018 und 15. April 2015 a.a.O.; OLG Hamburg a.a.O.; OLG Schleswig a.a.O.; Fischer, StGB 68. Aufl., § 42 Rn. 13; Gössel a.a.O.; Brunner in KMR, StPO 63. EL, § 331 Rn. 35; Rautenberg/Reichenbach in Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO 6. Aufl., § 331 Rn. 8; Brunner in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO 4. Aufl., § 331 Rn. 35).

Vorliegend sind neue Tatsachen im Sinne des § 459a Abs. 2 Satz 2 StPO jedoch nicht festzustellen. Die Strafkammer hat gleichwohl bei nahezu gleich gebliebenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Angeklagten zwar die Tagessatzhöhe unverändert festgesetzt, aber die monatliche Rate verdoppelt.

Der Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot zwingt jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Vielmehr kann der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO die Zahlungserleichterungen selbst gewähren, denn der Sachverhalt liegt einfach und das Landgericht hat hierfür ausreichende Feststellungen getroffen …….“

Strafzumessung III: Verschlechterungsverbot, oder: Geltung auch für Einzelstrafen/Einziehungsentscheidung

entnommen openclipart.org

Und die dritte Entscheidung des Tages, der BGH, Beschl. v. 22.10.2019 – 1 StR 434/19 – hat auch mit Strafzumessung zu tun. In ihm geht es um eine Verletzung des Verschlechterungsverbotes (§§ 331, 358 StPO).

Das LG hatte den Angeklagten in einem ersten Rechtsgang wegen sieben Fällen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hatte es sichergestelltes Bargeld und den Wert von Taterträgen eingezogen. Dieses Urteil hat der BGH auf Revision des Angeklagten mit den zugehörigen Feststellungen in drei Fällen im Schuldspruch, im gesamten Strafausspruch sowie in den gesamtschuldnerischen Einziehungsanordnungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen (Beschl. v. 20.09.2018 – 1 StR 316/18). Im zweiten Rechtsgang hat das LG dann eine Tat nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und den Angeklagten über den rechtskräftigen Schuldspruch hinaus wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen verurteilt. Zudem hat es alle Einzelstrafen neu zugemessen, eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten gebildet und die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet.

Dagegen die (erneute) Revision des Angeklagten, die einen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) hatte:

„1. Das Landgericht hat gegen das Verschlechterungsverbot verstoßen, indem es im Fall D.II. der Urteilsgründe (vormals Fall B.7.) eine Einzelstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verhängt hat. Im ersten Rechtsgang hatte die Strafkammer für diese Tat eine Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten festgesetzt. Das Verschlechterungsverbot gilt auch für die Einzelstrafen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2002 – 1 StR 313/02 Rn. 21, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12; KK-Paul, 8. Aufl., § 331 Rn. 3 mwN). Daher war – wie auch vom Generalbundesanwalt beantragt – der Strafausspruch im Fall D.II. der Urteilsgründe aufzuheben. Der Senat hat die Freiheitsstrafe indes nicht auf das gesetzliche Mindestmaß von einem Jahr (§ 29a Abs. 1 BtMG), sondern entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf zwei Jahre und sechs Monate herabgesetzt. Denn das Landgericht hätte ohne den Rechtsfehler nicht auf eine niedrigere als die in dem früheren Urteil verhängte Einzelstrafe erkannt.

Um jede Beschwer des Angeklagten auszuschließen, hat der Senat die vom Landgericht verhängte Gesamtfreiheitsstrafe um das geminderte Maß der Einzelstrafe, also um drei Monate herabgesetzt (vgl. zu dieser Verfahrensweise BGH, Beschluss vom 10. Mai 2001 – 4 StR 113/01 Rn. 4).

2. Das Landgericht hat mit seiner Einziehungsentscheidung ebenso wenig das Verschlechterungsverbot beachtet.

a) Das erste Tatgericht hatte 44.295 Euro Bargeld sowie dem Wert nach 63.205 Euro als Taterträge eingezogen. Den Gesamtbetrag in Höhe von 107.500 Euro hat das Landgericht zwar formal unterschritten, indem es allein die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 68.000 Euro angeordnet hat. Diese Anordnung verstößt hier aber gleichwohl gegen § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO, auch wenn bei der Prüfung eine Gesamtschau der jeweils verhängten Rechtsfolgen geboten ist (vgl. zu Letzterem BGH, Beschluss vom 11. November 1970 – 4 StR 66/70, BGHSt 24, 11, 14; KK-Paul, 8. Aufl., § 331 Rn. 4; LR/Gössel, StPO, 26. Aufl., § 331 Rn. 32). Der Angeklagte und die mit ihm als Gesamtschuldnerin haftende Nichtrevidentin D. hatten in der ersten Hauptverhandlung auf die Herausgabe des Bargelds verzichtet. Dessen Einziehung im früheren Urteil nach § 73 Abs. 1 StGB war daher zumindest entbehrlich (vgl. näher BGH, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 3 StR 307/18, BGHSt 63, 314 Rn. 6 ff.; Beschluss vom 20. März 2019 – 3 StR 67/19 Rn. 6 ff. mwN). Infolge ihres unwiderruflichen Verzichts erhalten der Angeklagte und die Nichtrevidentin D. das Bargeld – mag es den neuen Feststellungen zufolge auch nicht durch die angeklagten Taten erlangt sein – nicht zurück (vgl. auch UA S. 34 f.). Die wirtschaftliche Belastung verbleibt ihnen also selbst ohne förmliche Einziehung des Bargelds. Deren Anordnung im früheren Urteil ist deshalb beim Vergleich der Rechtsfolgen hinwegzudenken. Maßgeblich ist allein die ursprünglich geringere Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73c Satz 1 StGB; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 – 1 StR 591/18 Rn. 13).

Der damit verbundene Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot entfällt nicht durch dem Vollstreckungsverfahren vorbehaltene Anordnungen (vgl. LR/Gössel, StPO, 26. Aufl., § 331 Rn. 36), wie sie hier nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO in Betracht kommen.

b) Der Betrag, den das erste Tatgericht als den Wert von Taterträgen eingezogen hatte (63.205 Euro), ist zudem um weitere 30.000 Euro zu mindern. Ein solcher Abzug entspricht dem damals festgestellten Wert der Taterträge im aufgehobenen Fall B.6. der ersten Urteilsgründe. Diese Tat hat das Landgericht nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Insoweit war eine Einziehung im hiesigen Verfahren nicht mehr möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2018 – 1 StR 326/18 Rn. 7) und ist auch nicht erfolgt (§ 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO; UA S. 35). Der nach § 358 Abs. 2 StPO zulässige Einziehungsbetrag bei den verbliebenen Taten, an denen das – tatbezogene (vgl. LR/Gössel, StPO, 26. Aufl., § 358 Rn. 11 mwN) – Verschlechterungsverbot zu messen ist, verringert sich indes um jene 30.000 Euro, die im ersten Rechtsgang noch auf die eingestellte Tat entfallen waren. Dafür spricht auch, dass insoweit die selbständige Einziehung vorgesehen ist, die einem etwaigen eigenen Verfahren vorbehalten ist (§ 76a Abs. 3 StGB, § 435 StPO). Diese Regelungen schränken das Verschlechterungsverbot nicht etwa ihrerseits ein (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2019 – 5 StR 387/18, BGHSt 64, 48 Rn. 18 ff. mwN).

c) Der Senat hat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO den Einziehungsausspruch auf den zulässigen Höchstbetrag von 33.205 Euro reduziert. Eine solche Korrektur ist auch bei der Nichtrevidentin D. veranlasst. Sie ist ebenso wie der Angeklagte von dem Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot betroffen, der in den Anwendungsbereich von § 357 Satz 1 StPO fällt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2000 – 2 StR 171/00 Rn. 7 mwN).“

Absprache und Verschlechterungsverbot, oder die „Vertragsgrundlage“ im Strafverfahren

Es ist deutlich zu merken, dass die Neuregelung des § 257c StPO (Verständigung) bei den Instanzgerichten und damit auch beim BGH angekommen ist. Denn die Entscheidungen zur Neuregelung nehmen zu. Es gibt zwar m.E. noch keinen richtigen Knaller – so z.B. zur Frage des Scheiterns einer Absprache (was sind neue Umstände usw), aber immerhin viele kleine „Anmerkungen“ des BGH. So auch eine im Beschl. v. 24.02.2010 – 5 StR 38/10. Dort ist nach einer Verständigung ein Geständnis abgegeben worden, das aber die Anklage wohl nicht erschöpfte. Der BGH hat das landgerichtliche Urteil – Verstoß gegen BtM-Gesetz – aufgehoben, weil keine ausreichenden Feststellungen vorgelegen haben, und führt aus:

„Dabei wird das – die Anklage freilich nicht erschöpfende – Geständnis des Angeklagten nicht dem Verwertungsverbot des § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO unterliegen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Bei Einhaltung der auch vom Angeklagten im Rahmen der Verständigung akzeptierten Strafobergrenze führt das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) zu deren Perpetuierung im weiteren Verfahren. Zudem ist bei dem hier zu Lasten des Angeklagten vom Tatgericht unzutreffend bewerteten Geständnis nach Korrektur des Wertungsfehlers durch das Revisionsgericht zugunsten des Angeklagten die „Vertragsgrundlage“ für das Geständnis nicht entfallen ….“.

M.E. zutreffend, denn es liegt kein Fall des Scheiterns der Verständigung vor. Zutreffend dann auch die bestehenbleibende Bindung an die Verständigung – sehr schön der Begriff der „Vertragsgrundlage“. Im Fall des Scheiterns der Verständigung fällt die natürlich weg. Beide Seiten sind dann wieder frei :-).

Das Kleine-Einmal-Eins des OWi-Richters, oder: Glück gehabt, weil 800 € und 2 Monate Fahrverbot „gespart“

Da hat der Betroffene aber „Glück gehabt“. Wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung wird im Bußgeldbescheid gegen ihn eine Geldbuße von 600 € festgesetzt und ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Dagegen Einspruch. Der Amtsrichter setzt eine Geldbuße von 1.8000 € fest und ein Fahrverbot von nur noch einem Monat. Dagegen die Rechtsbeschwerde. Das OLG Köln hebt in seinem Beschl. v. 23. 12. 2009 – 82 ss OWi 113/09 – die amtsgerichtliche Entscheidung im Rechtsfolgenausspruch auf. 1.800 e gehen nicht. Die Höchstgrenze des § 17 Abs. 2 OWiG gilt auch, wenn von einem Fahrverbot abgesehen wird. Also: Nur 1.000 € zulässig. Aber das Fahrverbot kann nicht wieder erhöht werden. § 331 Stpo/das Verschlechterungsverbot lassen grüßen. Das Ganze ist kein vorweihnachtliches Geschenk des OLG, sondern das „Kleines-Einmal-Eins“ des OWi-Verfahrens. Besonders die Grenze des § 17 Abs. 2 OWiG wird nicht selten von den Amtsrichtern übersehen. Rechtsbeschwerden sind dann Selbstläufer.