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Das Verhandeln im Gebührenrecht…

Ich habe länger nichts mehr zum Gebührenrecht mehr gebracht, daher heute hier der Hinweis auf den Beschl. des LG Berlin v. 08.11.2010 – 524 – 58/09, der sich mit der immer interessanten Frage befasst, wann ein Verhandeln i.S. der Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG – Stichwort: Hafttermin – vorliegt. Allein die Verkündung des Haftbefehls reicht ja bekanntlich nicht aus. Da muss schon mehr passieren.

Und das LG Berlin nimmt zu einem Haftprüfungstermin Stellung, in dem es um einen auf § 230 Abs. 2 StPO gestützten Haftbefehl ging. Dazu heißt es:

In den Fällen eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO wird bei dessen Verkündung eine Verhandlung zur Sache i.S. der Nr. 4012 Ziff. 3 VV RVG in der Regel sehr nahe liegen.“

Begründung: Beim 230er-Haftbefehl ergeben sich die Haftgründe nicht unbedingt aus der Akte, so dass in den Fällen im Verkündungstermin häufig viel erörtert werden muss. Und das reicht für die Gebühr Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG.

Urteil ohne abschließende Beratung – geht das? Ja, wenn ich vorbeugend berate….

Eine interessante Fallgestaltung lag der Entscheidung des 1. Strafsenats im Beschl. v. 09.06.2010 – 1 StR 187/10 – zugrunde. Es geht um die nochmalige Beratung. Zum Sachverhalt teilt der BGH mit:

Nachdem die Strafkammer das Urteil umfassend beraten hatte, wurde die Beweisaufnahme wieder eröffnet und ein Hinweis nach § 265 StPO erteilt. Im Anschluss daran wurde die Beweisaufnahme erneut geschlossen. Die Verfahrensbeteiligten machten von der Gelegenheit, weitere Erklärungen zur Sache abzugeben, keinen Gebrauch, sondern nahmen lediglich auf ihre bereits gemachten Ausführungen Bezug. Sodann wurde das Urteil verkündet, ohne dass eine (erneute) Beratung stattgefunden hatte.“

Die Revision und auch der GBA haben das Verfahren als unzulässig angesehen. Der Auffassung ist grds. auch der BGH, der ausführt:

Gemäß § 260 Abs. 1 StPO hat das Urteil „auf die Beratung“ zu ergehen; diese muss der Urteilsverkündung unmittelbar vorausgehen. Tritt das Gericht nach den Schlussvorträgen und der Beratung wieder in die Verhandlung ein, so muss es vor der Verkündung erneut beraten. Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes grundsätzlich auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall der Wiedereintritt in die Verhandlung keinen neuen Prozessstoff ergeben hat (BGHR StPO § 260 Abs. 1 Beratung 2; BGH NStZ-RR 1998, 142; BGH NStZ 2001, 106). „

Wer allerdings glaubt, der BGH hat deshalb das Urteil aufgehoben, der irrt. Der BGH „rettet“ sich in die Beruhensfrage und meint, weil keiner mehr was gesagt hat, gab es auch nichts mehr zu beraten, so dass der Verstoß hier keine Folgen hat. Aber: Ist das richtig bzw. kann man/muss man es nicht anders sehen: Zunächst wird ja mal nur ein rechtlicher Hinweis erteilt. Damit steht aber doch die Verurteilung im Sinne dieses Hinweises noch nicht fest. Muss man deshalb nicht doch – wenigstens (ganz) kurz – beraten? Aber da rettet dann wohl der Inhalt der dienstlichen Äußerung der Vorsitzenden:

„Für diesen Fall war nach der dienstlichen Äußerung der Vorsitzenden in der vor der Wiedereröffnung der Hauptverhandlung vorangegangenen Urteilsberatung zwischen den Mitgliedern der Strafkammer dahingehend Einigkeit erzielt worden, dass es bei dem Beratungsergebnis – einer Verurteilung des Angeklagten entsprechend dem erteilten rechtlichen Hinweis – bleiben sollte, ohne dies noch einmal zu beraten.“

Also weitschauend vorbeugend ;-).

Der BGH und der unangemessene Rechtsmittelverzicht…

In der Nr. 142 Abs. 2 RiStBV heißt, dass der Angeklagte nicht veranlasst werden soll, „im unmittelbaren Anschluss an die Urteilsverkündung zu erklären, ob er auf Rechtsmittel verzichtet“. Nun steht es ähnlich auch in einem BGH-Beschluss, zwar nicht so wie in der RiStBV, aber bezogen auf eine „Vorstufe“, nämlich zur Rechtsmittelbelehrung. Im BGH-Beschl. v. 27.04.2010 – 5 StR 129/10 heißt es:

„Der Senat weist darauf hin, dass er einen Verzicht auf Rechtmittelbelehrung zwar nicht als unwirksam, aber im Allgemeinen kaum als angemessen erachtet.“

Mehr sagt der BGH dazu aber leider nicht. Die Praxis wird sich darauf einstellen müssen.