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Unterlassene Kostenentscheidung über Vergleich im Adhäsionsverfahren, oder: Wer entscheidet dann?

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Und dann noch heute der Tag mit gebühren- bzw. kostenrechtlichen Entscheidungen. Zur Zeit ist es mit den gebührenrechtlichen Entscheidungen ein wenig mau, daher heute zwei kostenrechtliche. Bei der Gelegenheit: Über weitere Entscheidungen freue ich und stelle sie gern ein und berichte dazu.

Und in dem Zusammenhang stelle ich dann zunächst den OLG Celle, Beschl. v. 21.09.2021 – 2 Ws 270/21 – vor. Das OLG nimmt zur Kostenentscheidung im Adhäsionsverfahren bei/nach einem Vergleich und das richtige Rechtsmittel – Die Frage: Wer ist zuständig? – Stellung. Die Entscheidung ist mal wieder Beleg für meine These: Die Zahl der Adhäsionsverfahren nimmt zu. Damit nehmen auch Entscheidungen der Instanzgerichte zu mit dem Adhäsionsverfahren betreffenden Fragen zu.

Folgender Sachverhalt: Das LG hat den Angeklagten am 11.06.2021 wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. In der Hauptverhandlung schlossen die Nebenklägerin und der Angeklagte einen Vergleich, mit dem sich der Angeklagte zur Abgeltung eines Schmerzensgeldanspruches und eines geltend gemachten materiellen Schadensersatzanspruches zur Zahlung eines Betrages von 500 EUR verpflichtet hat. Außerdem enthält der Vergleich folgende Bestimmung: „Das Gericht entscheidet über die Kosten des Adhäsionsverfahrens gem. § 91a ZPO.“

Gegen das landgerichtliche Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, die Akten sind vom LG nach Eingang der Revisionsbegründung zur Vorlage an den BGH gemäß § 347 StPO weitergeleitet worden. Mit Beschluss vom 22.07.2021 hat das LG entschieden, dass der Angeklagte die Kosten des Adhäsionsverfahrens sowie die der Adhäsionsklägerin entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen zu tragen hat. Zugleich hat es den Wert des Streitgegenstandes des Adhäsionsverfahrens auf 10.035 EUR festgesetzt.

Der Angeklagte hat das Rechtsmittel gegen den Beschluss des LG vom 22.7.2021 eingelegt. Das OLG hat dieses als sofortige Beschwerde angesehen und dem BGH zur Entscheidung vorgelegt:

„Das Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landgerichts vom 22. Juli 2021 ist als sofortige Beschwerde auszulegen, über die gemäß § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO derzeit der Bundesgerichtshof zu entscheiden hat.

1.a) Die als „Berufung“ bezeichnete Eingabe des Angeklagten ist gemäß § 300 StPO so auszulegen, dass sie den von ihm erstrebten Erfolg möglichst erreichen kann (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO § 300 Rn. 3; LR/Jesse, StPO § 300 Rn. 1). Das zulässige Rechtsmittel bestimmt sich dabei nach dem sachlichen Inhalt der Entscheidung (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO § 296 Rn. 11). Maßgeblich ist nicht die Form, in der die Entscheidung ergangen ist, sondern die Form, in der die Entscheidung hätte ergehen sollen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO Einl. Rn. 166; LR/Jesse, StPO vor § 296 Rn. 43).

b) Nach diesen Maßstäben ist es für die Anfechtung unerheblich, dass das Landgericht die Kostenentscheidung auf eine entsprechende Anwendung von § 91a ZPO gestützt hat. Denn in der Sache hat das Landgericht eine Kostenentscheidung gemäß § 472a Abs. 2 StPO getroffen.

Grundsätzlich unterliegt die Entscheidung über die Kosten eines im Adhäsionsverfahrens geschlossenen Vergleichs allerdings der Disposition der Parteien, die mit einem Vergleich gemäß § 405 StPO zugleich eine Regelung über die besonderen Kosten des Adhäsionsverfahren und ihre notwendigen Auslagen treffen können (BGH, Beschluss vom
15. Januar 2013, 4 StR 522/12, juris; Herbst/Plüür, Das Adhäsionsverfahren, Seite 118; Havliza/Streng, in: Weiner/Ferber, Handbuch des Adhäsionsverfahrens, Seite 80).

Unterbleibt jedoch eine Einigung der Vergleichsparteien über die Kosten, hat das Gericht hierüber gemäß § 472a Abs. 2 StPO im Urteil zu entscheiden (vgl. Havliza/Streng, in: Weiner/Ferber, Handbuch des Adhäsionsverfahrens, Seite 80; Meier/Dürre, JZ 2006, 24; Gutt/Krenberger, ZfSch 2015, 489; MüKo/Grau, StPO § 405 Rn. 2). Denn ebenso wie in den dort aufgeführten Fällen des Absehens von einer Adhäsionsentscheidung und der Antragsrücknahme trifft das Gericht nach einem Vergleich keine Entscheidung über den ursprünglichen Adhäsionsantrag. Die Anwendung des § 472a Abs. 2 StPO fügt sich deshalb auch in diesen Fällen in die gesetzgeberische Konzeption ein.

Ein Rückgriff auf die zivilprozessuale Regelung des § 91a ZPO ist demgegenüber in
§ 472a StPO nicht angelegt. Eine nachträgliche Entscheidung entsprechend § 91a ZPO im Beschlusswege stünde vielmehr im Gegensatz zum gesetzlichen Regelfall des
§ 464 Abs. 1 und 2 StPO, wonach für ein durch Urteil abgeschlossenes Verfahren eine einheitliche Kostenentscheidung des Tatgerichts – in der Besetzung der Hauptverhandlung – vorgesehen ist. Da § 472a Abs. 2 StPO überdies einen mit § 91a ZPO vergleichbaren Entscheidungsmaßstab für die Kostenentscheidung vorgibt, besteht für eine entsprechende Anwendung von § 91a ZPO auch dann keine Notwendigkeit, wenn die Vergleichspartien wie im vorliegenden Fall ausdrücklich eine Billigkeitsentscheidung des Gerichts wünschen.

c) Gegen die vom Landgericht der Sache nach getroffene Kostenentscheidung gemäß § 472a Abs. 2 StPO ist gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO die sofortige Beschwerde zulässig. Dies gilt auch dann, wenn die Kostenentscheidung – wie im vorliegenden Fall – fehlerhaft nicht im Urteil, sondern nachträglich durch Beschluss ergangen ist (vgl. LR/Hilger, StPO § 464 Rn. 28; KK/Gieg, StPO § 464 Rn. 7). Dementsprechend ist das Rechtsmittel des Angeklagten gemäß § 300 StPO als solche auszulegen. 2.

Zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde ist derzeit gemäß § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO der Bundesgerichtshof berufen, da der Beschwerdeführer auch das Urteil vom 11. Juni 2021 angefochten hat und über seine Revision noch nicht entschieden worden ist.“

Vergleichende Strafzumessung – gibt es nicht bzw. kann es nicht geben

Der 1. Strafsenat des BGH hat in dem zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehenen BGH, Beschl. v.28.06.2011 – 1 StR 282/11 zur vergleichenden Strafzumessung bei Tatbeteiligten Stellung genommen. Das ist ein Punkt, der in der Praxis immer wieder ein Rolle spielt. Der 1. Strafsenat hat dazu jetzt grundsätzlich Stellung genommen und führt u.a. aus:

Der Revisionsführer weist allerdings zutreffend darauf hin, dass die vergleichenden Ausführungen des Landgerichts zu der Strafpraxis anderer Gerichte rechtlichen Bedenken begegnet.

Dem Landgericht ist zuzugeben, dass in zahlreichen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs das Postulat aufgestellt wird, dass gegen Mittäter verhängte Strafen auch in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollen (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 – 5 StR 536/08 = StV 2009, 244, 245; BGH, Beschluss vom 27. November 2008 – 5 StR 513/08 = StV 2009, 351; BGH, Beschluss vom 11. September 1997 – 4 StR 296/97 = NStZ-RR 1998, 50; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1996 – 1 StR 562/96 = NStZ-RR 1997, 196, 197; BGH, Urteil vom 7. Januar 1992 – 5 StR 614/91 = BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 23; BGH, Beschluss vom 9. Juli 1987 – 1 StR 287/87 = BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zumessungsfehler 1; BGH, Beschluss vom 16. De-zember 1980 – 1 StR 461/80 = StV 1981, 122, 123; BGH, Urteil vom 14. März 1978 – 1 StR 8/78).

Das soll auch gelten, wenn ein Täter nach Jugendrecht und der andere nach Erwachsenenrecht verurteilt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 1991 – 4 StR 272/91 = StV 1991, 557).

Diese Verpflichtung für den Tatrichter bei seiner Strafzumessungsentscheidung trifft sicherlich zu, wenn Mittäter in einem Urteil abgeurteilt werden. Freilich müssen Unterschiede nur dann im angefochtenen Urteil erläutert werden, wenn sie sich nicht – was aber zumeist der Fall sein wird – aus der Sache selbst ergeben (vgl. u.a. BGH StV 2009, 244, 245; BGH StV 2009, 351; BGH NStZ-RR 1998, 50; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zumessungsfehler 1).

Diese sachlich-rechtliche Begründungspflicht kann auch gegeben sein, wenn die Strafkammer in derselben Besetzung (einschließlich der Schöffen), z.B. in einem abgetrennten Verfahren gegen Mittäter, entscheidet und das oder die anderen Verfahren danach gerichtsbekannt sind. Auf die Strafpraxis anderer Gerichte und auch anderer Kammern desselben Gerichtes kommt es hingegen nicht an (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl., Rn. 485). Ein Grundsatz, dass Mittäter, wenngleich von verschiedenen Gerichten, bei vermeintlich gleicher Tatbeteiligung gleich hoch zu bestrafen seien, besteht nicht und kann in dieser Form auch nicht bestehen, weil die Vergleichsmöglichkeiten zwischen den in verschiedenen Verfahren gewonnenen Ergebnissen zu gering sind, ganz besonders zur inneren Tatseite und zum Ma-ße der Schuld (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 5. April 1951 – 4 StR 129/51 NJW 1951, 532; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 23). Dies gilt auch bei vermeintlich abgestufter Beteiligung und demgemäß abgestufter Strafe (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 13. Juni 1979 – 3 StR 178/79 bei Schmidt MDR 1979, 886)...“

Und dann war da noch: Die Einigung im Mediationsverfahren zwischen Max Josef Strauß und dem Freistaat Bayern

Ja, dann war da noch die PM des LG München I zur Einigung im Mediationsverfahren zwischen Max Josef Strauß und dem Freistaat Bayern, also zum „Schadensersatzprozess“: In der PM v. 10.06.2011 heißt es:

Die Parteien im oben genannten Verfahren haben eine gütliche Einigung erzielt.

Herr Max Josef Strauß wurde nach einem 12 – jährigen, wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung geführten Strafverfahren am 6.8.2007 vom Landgericht Augsburg in allen Punkten freigesprochen. In dem rechtkräftigen Urteil wurde gleichzeitig festgestellt, dass die Staatskasse nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) verpflichtet ist, Herrn Strauß aus Anlass eines Beschlusses über die Außervollzugsetzung eines Haftbefehls vom 15.7.2004 bis 2.11.2005 sowie aus Anlass von insgesamt sechs Durchsuchungsbeschlüssen im Zeitraum von 1995 bis 2004 zu entschädigen.

Im Jahr 2008 erhob Herr Strauß vorsorglich zur Vermeidung der Verjährung eine Amtshaftungsklage (Az: 15 O 23666/08) auf Zahlung eines Schmerzensgeldes, Schadensersatzfeststellung sowie Auskunft. Insbesondere beanstandete der Kläger, dass sein Persönlichkeitsrecht beeinträchtigende Informationen aus dem Ermittlungsverfahren an die Öffentlichkeit gelangt seien sowie die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft Augsburg.

Nachdem die Generalstaatsanwaltschaft München am 18.8.2009 die Leistung einer Entschädigung nach dem StrEG abgelehnt hatte, da ein Schaden nicht ausreichend dargelegt worden sei, verfolgte der Kläger diese im Jahr 2009 mit einer zweiten Klage zum Landgericht München I weiter. Beide Verfahren wurden verbunden.

Nunmehr haben die Parteien in einem vom Landgericht München I angebotenen gerichtsinternen Mediationsverfahren nach längeren Verhandlungen eine Einigung erzielt. Dem Vorschlag der eingeschalteten Mediatorin folgend zahlt der Beklagte zur Abgeltung aller Ansprüche an den Kläger bei Aufhebung der Kosten € 50.000.

Bei diesem Betrag handelt es sich um einen Bruchteil des Streitwerts der verbundenen Verfahren. Neben den Prozessaussichten der Parteien und dem anfallendem Aufwand wurde insbesondere ein Interesse beider Parteien an einem baldigen Rechtsfrieden berücksichtigt. Das Einverständnis des Klägers war insbesondere auch durch gesundheitliche Erwägungen motiviert.

Vergleich vom 10.06.2011″

Haftungsfalle: Fehlende Vergleichsgenehmigung

Mal etwas anderes, was nicht unbedingt im Strafverfahren von Bedeutung ist, aber wir schauen ja auch über den Tellerrand.

Ich weise hin auf LG Landshut, Urt. v. 26.11.2010 – 14 O 1809/10. Danach macht sich ein Rechtsanwalt schadensersatzpflichtig, wenn er einen Vergleich hinsichtlich der Kostenfolge nicht von der Rechtschutzversicherung genehmigen lässt. Erteile eine Rechtschutzversicherung eine Deckungszusage, sei es die Pflicht des Anwalts, das Verfahren so zu führen, dass dem Mandanten keine Verfahrenskosten entstehen. Sehen die Versicherungsbedingungen vor, dass Kosten, die bei einer einverständlichen Erledigung entstanden sind, soweit sie nicht dem Verhältnis des vom Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnis zum erzielten Ergebnis entsprechen, nicht zu tragen sind, so habe der Anwalt im Rahmen des Vergleichsabschlusses bezüglich der Kostenregelung sicherzustellen, dass diese den Bedingungen der Versicherung entspreche. Da ein Rechtsanwalt immer den sichersten und gefahrlosesten Weg einzuhalten habe, obliege es ihm auch ohne ausdrückliche Weisung, im Rahmen der Widerspruchsfrist die echtsschutzversicherung von dem abgeschlossenen Vergleich zu informieren und diesen hinsichtlich der Kostenfolge genehmigen zu lassen, da er sich ansonsten schadensersatzpflichtig mache.

Also. Aufgepasst.