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Verkehrsrecht I: Sachschaden bei der Unfallflucht, oder: „Klatsche“ für StA, AG und LG vom VerfGH

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Und heute kommt dann das Programm, was ich eigentlich schon gestern bringen wollte, nämlich noch einmal Entscheidungen mit verkehrsrechtlichem „Einschlag“.

Ich beginne mit dem VerfGH Saarland, Beschl. v. 08.11.2022 – Lv 13/22 -, den mir der Kollege Gratz, der den Beschluss „erstritten“ hat, geschickt hat (hier „geht“ es zu dem Kollegen).

Ergangen ist der Beschluss in Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis des Mandanten des Kollegen durch einen Beschluss des AG. Die gegen den Beschluss erhobene Beschwerde hat das LG. Dagegen ist Verfassungsbeschwerde erhoben. Folgender Sachverhalt:

Der beruflich als Busfahrer und in der Freiwilligen Feuerwehr seines Heimatortes ehrenamtlich tätige Angeschuldigte fuhr mit einem von ihm gesteuerten Linienbus. Er soll einen an einer verengten Straßenstelle verbotswidrig geparkten PKW bei einem Rangiermanöver im Bereich der linken hinteren Stoßstange gestreift und sich sodann vom Unfallort entfernt haben. An dem angeblich hierdurch beschädigten Wagen wurde im Bereich der Ecke des rechten hinteren Kotflügels und des Radkastens ein rund 40 cm hoher Streifschaden festgestellt. Lackanhaftungen fehlten. Nach den polizeilichen Feststellungen fanden sich dort lediglich „aufgrund der regennassen Witterung Schmutzanhaftungen“. Eine Spurensicherung wurde nicht durchgeführt. Der Sachschaden wurde polizeilich auf 3.000 EUR geschätzt. Die geschädigte Halterin wurde benachrichtigt. Sie meldete sich nach drei Wochen bei der Polizei und gab als Information über das vermeintliche Geschehen an, sie werde ihren Wagen in einer Werkstatt reparieren lassen und – was bislang auch auf Nachfrage hin nicht geschehen ist – die Reparaturrechnung nachreichen.

Zeuginnen und Zeugen haben angegeben, das Unfallereignis akustisch und optisch bemerkt und gesehen zu haben, dass sich der Beschwerdeführer aus dem Busfenster in Richtung des geparkten Fahrzeugs gebeugt habe, dann jedoch weitergefahren sei. Rund eine Stunde später wurde der Beschwerdeführer festgestellt. An dem Linienbus wurde ein – längerer, aus der Farbbildaufnahme allerdings nicht klar zu erkennender – Streifschaden festgestellt. Der Beschwerdeführer bestritt, einen Zusammenstoß mit dem geparkten Fahrzeug bemerkt zu haben.

Die Staatsanwaltschaft hat — zunächst ohne Angabe eines bestimmten Strafzumessungsantrags, was später auf richterliche Beanstandung hin korrigiert wurde — den Erlass eines Strafbefehls wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort und zugleich die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis beantragt. Das Amtsgericht Saarbrücken hat beiden Anträgen stattgegeben. Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm zugestellten Strafbefehl Einspruch erhoben. Die gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis erhobene Beschwerde hat das Landgericht Saarbrücken mit der Begründung verworfen, es sei „nichts dagegen zu erinnern, dass das Amtsgericht bei seiner, zum jetzigen Zeitpunkt zwangsweise vorläufigen Betrachtung die von der Polizei geschätzte Schadenshöhe von 3.000 € seiner Entscheidung zugrunde gelegt“ habe. Die Staatsanwaltschaft betreibt nunmehr die Vollstreckung des Beschlusses über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis.

Der VerfGH Saarland hat auf die Verfassungsbeschwerde hin eine einstweilige Anordnung erlassen und die Wirksamkeit der Beschlüsse des AG und LG ausgesetzt. Das begründet es u.a. wie folgt:

„b) Nach § 111a Abs. 1 S. 1 StPO darf eine Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden, wenn „dringende Gründe“ für die Annahme vorliegen, dass die Fahrerlaubnis — im Streitfall nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB wegen des Nach-weises eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort bei Verursachung eines bedeutenden Sachschadens — entzogen werden wird.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen haben Staatsanwaltschaft, Amtsgericht und Landgericht nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise geprüft. Denn auch vorläufige Eingriffe in Freiheitsrechte können nicht mit vagen Annahmen und nicht näher plausibilisierten oder angreifbaren Schätzungen von Strafverfolgungsbehörden gerechtfertigt werden, sondern bedürfen einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage.

Deren Nachprüfung ist zwar grundsätzlich Sache tatrichterlicher Würdigung. Fehlen aber valide Feststellungen oder werden in einem frühen Stadium eines Ermittlungs- und Strafverfahrens notwendigerweise unsichere Einschätzungen einem Grundrechtseingriff zugrunde gelegt, so müssen sie nicht nur einfachrechtlich, sondern auch von Verfassungs wegen auf feststehenden hinreichenden oder, wie in den Fällen des § 111a StPO „dringenden“ Verdachtsgründen beruhen. Zugleich müssen — auch in der Begründung staats-anwaltschaftlicher Anträge und gerichtlicher Entscheidungen — feststehende Umstände gewürdigt werden, die die Überzeugungskraft vorläufiger und ungewisser Annahmen einer zu erwartenden Maßregel zu erschüttern geeignet sind (vgl. zu den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis BVerfG 08.11.2017 2 BvR 2129/16). Dem werden die angegriffenen Entscheidungen — im Verfahren und nach gegenwärtigem Sachstand auch im Ergebnis — nicht gerecht.

Es ist nicht erkennbar, dass Staatsanwaltschaft, Amts- und Landgericht solchen sich aus den Akten ergebenden offenkundigen Zweifeln nachgegangen sind und bestehende, nahe liegende und bessere Erkenntnismöglichkeiten einer Prüfung der entscheidenden Schadenhöhe genutzt hätten. Vielmehr stützen sich die Grundrechtseingriffe allein auf eine nicht näher begründete polizeiliche Schätzung. Eine solche, meist auf vielfältigen Erfahrungswerten beruhende Schätzung zugrunde zu legen ist zwar nicht unzulässig. Das ist indessen anders, wenn die Schätzung im Grenzbereich der Annahme eines bedeutenden Sachschadens — dessen Bestimmung in den Grenzen willkür-freien Verhaltens fachgerichtliche Aufgabe ist — liegt, oder wenn — zum Zeitpunkt der Beantragung oder des Erlasses des Beschlusses über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis — Anhaltspunkte vorliegen, die die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen auf die Hand legen. Aus welchen Gründen sich die Staatsanwaltschaft mit dem Ausbleiben einer solchen — zunächst angeordneten — Feststellung begnügt hat, ist unerfindlich.

Insoweit kann dahinstehen, ob sich aus den Lichtbildern des Busses überhaupt ein kompatibler Streifschaden ergibt und wie die Divergenzen der Schadenbereichshöhen — 40 bis 74 cm bei dem PKW, 44 bis 80 cm bei dem Bus — zu erklären sein können. Es kann auch dahinstehen, was mit „Schmutzanhaftungen infolge der regennassen Witterung“ gemeint sein soll und wie sich innerhalb der kurzen Zeit zwischen dem (angezeigten) Unfall-geschehen und der polizeilichen Feststellung „Verschmutzungen“ eines frischen Blechschadens durch „Regen“ ergeben haben können.

Nicht ohne Weiteres erklärlich ist auch, dass bei einem Blechschaden dieses angeblichen Schadenausmaßes mit — soweit ersichtlich — Lackabschürfungen auf einer Höhe von 34 cm keinerlei Lackanhaftungen des überwiegend rot lackierten Busses verblieben sein sollen.

Nicht ohne Weiteres erklärlich ist auch, warum sich die Geschädigte über nunmehr mehr als ein halbes Jahr hinweg nicht gemeldet und die Reparatur-rechnung vorgelegt hat.

Vor allem nämlich haben die Strafverfolgungsbehörden auf der Hand liegen-de Ermittlungen unterlassen, die ihren Grundrechtseingriff hätten rechtfertigen — oder untersagen — können: Die Staatsanwaltschaft hat zwar die zu-ständige Polizeibehörde unter Hinweis auf die Möglichkeit zwangsweiser Vorführung aufgefordert, die Zeugen nachzuvernehmen, sich dann aber da-mit begnügt, dass die Geschädigte sich nicht gemeldet habe und, was nicht näher erläutert ist, nicht erreichbar gewesen sein soll. Vor allem aber hätte mehr als nahe gelegen, die Halterin und Selbstversichererin des Linienbusses, die a GmbH, die — bislang nicht beschieden — Akteneinsicht erbeten hatte, zu befragen, ob dort eine Schadenanzeige und ein Verlangen nach Übernahme näher belifferter Instandsetzungskosten eingegangen ist. Dazu hätte ein Telefonat genügt. Vor diesem Hintergrund liegt — beim gegenwärtigen Stand der Dinge — ein verfassungswidriger Grundrechtseingriff durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis eher nahe.

3. Die somit gebotene Abwägung der Folgen des Erlasses einer einstweiligen Anordnung mit jenen, die bei ihrem Ausbleiben einträten, fällt zugunsten des Beschwerdeführers aus.

Im letzteren Fall wäre dem Beschwerdeführer für eine geraume Zeit die Erlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr entzogen. Er würde damit voraussichtlich die Möglichkeit beruflicher Betätigung als Busfahrer und voraussichtlich auch Möglichkeiten zur Fortführung seines — gemeinwohlwichtigen — Ehrenamtes verlieren, ohne dass das rückwirkend auszugleichen wäre. Sollte sich die Verfassungsbeschwerde als unbegründet erweisen, könnten sowohl die vorläufige als auch eine etwaige endgültige Maßregel weiterhin ergriffen werden, Eine Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs durch zwischenzeitliche schwere Verkehrsverstöße des Beschwerdeführers ist anders als in Fällen der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Fahrens in fahruntüchtigem Zustand — nicht zu befürchten; Feststellungen zu einer verkehrsrechtlichen einschlägigen Auffälligkeit des Beschwerdeführers fehlen. Es kommt hinzu, dass § 142 Abs. 1 StGB im Wesentlichen dem privaten Interesse an der Sicherung von Schadenersatzansprüchen dient, das, wie das Verhalten der angeblich Geschädigten zeigt, im Streitfall nicht besonders schutzwürdig erscheint.“

Nicht so schön für StA, AG und LG, oder: Es zeichnet sich eine Klatsche ab. Und für den Verteidiger ein schöner Erfolg, der zeigt, dass man eben die Flinte nicht zu früh ins Korn werden darf. Allerdings: In Fällen der Entziehung wegen einer Trunkenheitsfahrt besteht wohl wenig(er) Aussicht auf einen solchen Erfolg. Aber immerhin. Man kann es ja mal versuchen.

Die Entscheidung des VerfGH Saarland, oder: VerfGH NRW zu den Anforderungen an eine zulässige Verfassungsbeschwerde

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Und dann als zweite Entscheidung noch einen Beschluss, der sich mit dem VerfGH-Urteil v. 05.07.2019 – Lv 7/17 – befasst. Das ist der VerfGH NRW, Beschl. v. 21.03.2020 – VerfGH 14/20. VB-1. „Befasst“, na ja, zumindest konkludent.

Es geht mal wieder um die Anwendung/Geltung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung. Das OLG Hamm hatte im OLG Hamm, Beschl. v. 21.01.2020 – III-5 RBs 2/20 den Antrag des Betroffefen – jetzt Beschwerdeführers auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen ein urteil des AG Bottrop, durch das er wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden war, verworfen. Dagegen die Verfassungsbeschwerde. Die ist wegen nicht ausreichender Begründung als unzulässig zurückgewiesen worden:“

„2. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht ausreichend begründet worden ist.

a) Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 55 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 VerfGHG bedarf die Verfassungsbeschwerde einer substantiierten Begründung, die sich nicht lediglich in der Nennung des verletzten Rechts und in der Bezeichnung der angegriffenen Maßnahme erschöpfen darf (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 14. Januar 2020 – VerfGH 54/19.VB-1, juris, Rn. 2 m. w. N.). Der Beschwerdeführer muss hinreichend substantiiert darlegen, dass die behauptete Verletzung eines Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts möglich ist (VerfGH NRW, Beschluss vom 14. Januar 2020 – VerfGH 44/19.VB-3, juris, Rn. 3 m. w. N.). Dabei hat die Begründung der Verfassungsbeschwerde dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Verfassungsgerichtshof kein „Superrevisionsgericht“ ist: Die Auslegung und Anwendung des maßgebenden einfachen Rechts sind nämlich grundsätzlich Aufgaben der zuständigen Fachgerichte. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen kommt regelmäßig erst dann in Betracht, wenn die angegriffene fachgerichtliche Entscheidung spezifisch verfassungsrechtliche Fehler erkennen lässt. Dementsprechend darf sich die Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht in der Rüge eines Verstoßes gegen einfaches Recht erschöpfen, sondern sie muss die Möglichkeit aufzeigen, dass die angefochtene fachgerichtliche Entscheidung auf einer grundsätzlichen Verkennung des Gewährleistungsgehalts des  als verletzt gerügten Grundrechts beruht (VerfGH NRW, Beschluss vom 14. Januar 2020 – VerfGH 44/19.VB-3, juris, Rn. 4). Hierzu bedarf es insbesondere einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den Begründungen der angefochtenen Entscheidungen (VerfGH NRW, Beschluss vom 5. November 2019 – VerfGH 38/19.VB-2, juris, Rn. 5 m. w. N.).

b) Diesen Anforderungen wird die Begründung der Verfassungsbeschwerde nicht gerecht.

aa) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 4 Abs. 1 LV i. V. m. Art. 103 Abs. 1 GG) rügt, lässt die Verfassungsbeschwerdeschrift nicht erkennen, worin konkret diese Verletzung liegen soll. Den Dokumenten, die der Beschwerdeführer seiner Verfassungsbeschwerdeschrift als Anlagen beigefügt hat, lässt sich zwar entnehmen, dass er gegenüber dem Oberlandesgericht mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gerügt hat, das Amtsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Es ist indes nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, aufgrund einer bloßen Erwähnung eines Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts in der Verfassungsbeschwerdeschrift in den dieser Schrift beigefügten Anlagen nach möglichen Verletzungen dieses Rechts zu suchen.

bb) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 4 Abs. 1 LV i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG) rügt, hat er in seiner Verfassungsbeschwerdeschrift ebenfalls nicht dargelegt, worin die gerügte Grundrechtsverletzung liegen soll.

cc) Zu der gerügten Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren und effektive Verteidigung (Art. 4 Abs. 1 LV i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) hat der Beschwerdeführer sinngemäß ausgeführt, das mit dem Geschwindigkeitsmessgerät „TraffiPhot S“ gewonnene Messergebnis hätte im fachgerichtlichen Verfahren nicht zu seinen Lasten verwertet werden dürfen, weil dieses Gerät nicht sämtliche „Rohmessdaten“ speichere und damit keine ausreichende Datengrundlage für eine nachträgliche Überprüfung des Messergebnisses zur Verfügung stelle. Er beruft sich insoweit auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 5. Juli 2019  – Lv 7/17 (NJW 2019, 2456).

Es kann dahinstehen, ob der Beschwerdeführer zur Begründung seiner Verfassungsbeschwerde umfassend auf die mittlerweile zahlreichen kritischen Stimmen in Rechtsprechung und Literatur zu dem genannten Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes hätte eingehen müssen. Er hätte sich aber jedenfalls hinreichend mit der in den im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen geübten Kritik an der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes auseinandersetzen müssen. Namentlich das Oberlandesgericht hat sich in dem hier angegriffenen Beschluss        – durch Bezugnahme auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in der Antragsschrift vom 20. Dezember 2019 und damit auf seinen eigenen Beschluss vom 25. November 2019 – 3 RBs 307/19 (veröffentlicht in juris) – dezidiert gegen die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes gewandt. Mit dieser Kritik hat sich der Beschwerdeführer nicht auseinandergesetzt. Er hätte insbesondere zu zwei wesentlichen Kritikpunkten des Oberlandesgerichts Stellung beziehen müssen:

Zum einen hat das Oberlandesgericht mit umfangreichen Ausführungen die Auffassung vertreten, der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes habe das Recht auf ein faires Verfahren in rechtlich bedenklicher Weise überdehnt (OLG Hamm, Beschluss vom 25. November 2019 – 3 RBs 307/19, juris, Rn. 12 ff.).

Zum anderen hat das Oberlandesgericht mit gewichtigen Argumenten dargelegt (OLG Hamm, Beschluss vom 25. November 2019 – 3 RBs 307/19, juris, Rn. 16), dass die – für den Umfang der dem Landesverfassungsgericht obliegenden Prüfung bedeutsame – Prämisse des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes unzutreffend sei, die vom Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung entwickelten bundesrechtlichen Grundsätze zum Einsatz standardisierter Messverfahren bei der Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten seien durchweg für Fälle entwickelt worden, in denen Rohmessdaten für den konkreten Messvorgang zur Verfügung gestanden hätten (so aber VerfGH SL, Urteil vom 5. Juli 2019 – Lv 7/17, NJW 2019, 2456 = juris, Rn. 80).“

Die Rohmessdaten bei der Fahrtenbuchauflage, oder: Bindung an die Entscheidung des VerfGH Saarland

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Ich hatte neulich über den VG Saarlouis, Beschl. v. 09.01.2020 – 5 L 1710/19 – berichtet (vgl. hier: Die Rohmessdaten bei der Fahrtenbuchauflage, oder: Wir folgen dem VerfGH Saarland nicht…..). 

Das Posting endet mit: „Wahrscheinlich werden wir dazu dann aber etwas vom OVG Saarland hören. Die Richtung kann ich mir denken….“. Jetzt haben wir etwas dazu gehört. Denn inzwischen hat sich das OVG Saarland mit dem OVG Saarland, Beschl. v. 30.03.2020 – 1 B 15/29 – „gemeldet“. Und: Ich habe mich geirrt. Denn das OVG sagt:

„Nach § 10 Abs. 1 VerfGHG SL binden die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs die Verfassungsorgane des Saarlandes sowie alle saarländischen Gerichte und Verwaltungsbehörden. Das gilt auch dann, wenn diese ggf. in der Rechtsprechung anderer Gerichte Kritik erfahren haben.“

und führt dazu aus:

„Das Vorbringen des Antragstellers in dem fristgerecht eingereichten Beschwerdebegründungsschriftsatz gibt Veranlassung, die erstinstanzliche Entscheidung antragsgemäß abzuändern.

Dem Antragsteller ist darin zuzustimmen, dass die an die obergerichtliche Rechtsprechung anderer Bundesländer angelehnte Argumentation des Verwaltungsgerichts, die Fahrtenbuchauflage sei offensichtlich rechtmäßig, angesichts der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes nicht tragfähig ist. Denn diese Argumentation lässt sich wegen der durch § 10 Abs. 1 VerfGHG SL vorgegebenen Bindungswirkung der verfassungsgerichtlichen Entscheidungen nicht damit begründen, dass das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung unter Anwendung eines standardisierten Messverfahrens mittels eines geeichten Messgeräts durch einen entsprechend geschulten Polizeibeamten gewonnen, und die Richtigkeit dieses Ergebnisses seitens des Antragstellers weder im Ordnungswidrigkeitenverfahren noch im streitgegenständlichen Verwaltungsverfahren bzw. im Rahmen des nunmehrigen gerichtlichen Verfahrens durch konkrete Einwände in Frage gestellt worden sei.

Der Verfassungsgerichtshof des Landes Saarland hat in seinem Urteil vom 5. Juli 2019 nach einer umfänglichen Beweisaufnahme betont, dass zu einem rechtsstaatlichen Verfahren aus Gründen der Transparenz und Kontrollierbarkeit jeder staatlichen Machtausübung die grundsätzliche Möglichkeit der Nachprüfbarkeit einer auf technischen Abläufen und Algorithmen beruhenden Beschuldigung gehöre. Das in der Garantie eines fairen gerichtlichen Verfahrens angelegte Grundrecht auf wirksame Verteidigung beziehe sich auch darauf, die tatsächliche Grundlage des erhobenen Vorwurfs auf ihr Vorliegen und ihre Validität prüfen zu dürfen. Sei nämlich ein Gericht im Rahmen von Massenverfahren befugt, sich auf standardisierte Beweiserhebungen zu stützen, ohne sie anlasslos hinterfragen zu müssen, so müsse zu einer wirksamen Verteidigung gehören, etwaige Anlässe, sie in Zweifel zu ziehen, recherchieren zu dürfen. Ergebnisse eines standardisierten Messverfahrens hätten keine normativ bindende Kraft, sondern stellten ähnlich antizipierten Sachverständigengutachten eine belastbare wissenschaftliche Grundlage einer Verurteilung dar, ohne diese zu erzwingen. Dass ein Bürger die tatsächlichen Grundlagen seiner Verurteilung zur Kenntnis nehmen, sie in Zweifel ziehen und nachprüfen dürfe, gelte nicht nur in Fällen strafrechtlicher Sanktionen, sondern stets. Staatliches Handeln dürfe, so gering belastend es im Einzelfall sein möge und so sehr ein Bedarf an routinisierten Entscheidungsprozessen bestehe, in einem freiheitlichen Rechtsstaat für den Bürger nicht undurchschaubar sein; eine Verweisung darauf, dass alles schon seine Richtigkeit habe, würde ihn zum unmündigen Objekt staatlicher Verfügbarkeit machen. Daher gehöre die grundsätzliche Nachvollziehbarkeit technischer Prozesse, die zu belastenden Erkenntnissen führten, und ihre staatsferne Prüfbarkeit – wie das Bundesverfassungsgericht zu dem Einsatz elektronischer Wahlgeräte entschieden habe (BVerfGE 123, 39 ff.) – zu den Grundvoraussetzungen eines freiheitlich-rechtsstaatlichen Verfahrens. Die Speicherung der Rohmessdaten sei ohne größeren Aufwand technisch möglich. Zwingende Gründe, Rohmessdaten nicht zu speichern, gebe es nicht und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Verfassungsgerichtshofs fest, dass ihre Speicherung es erlaube, das Ergebnis eines Messvorgangs nachzuvollziehen. Unter diesen Gegebenheiten könne sich ein Betroffener – selbst ohne nähere Begründung – gegen das Messergebnis wenden und ein Fehlen von Rohmessdaten rügen (VerfGH des Saarlandes, Urteil vom 5.7.2019 – Lv 7/17 -, juris). Nach § 10 Abs. 1 VerfGHG SL binden die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs die Verfassungsorgane des Saarlandes sowie alle saarländischen Gerichte und Verwaltungsbehörden. Demgemäß haben nicht nur die für Ordnungswidrigkeitenverfahren zuständigen Gerichte und die Bußgeldbehörden, sondern auch die saarländischen Verwaltungsgerichte und der Antragsgegner als zuständige Straßenverkehrsbehörde das Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes zu beachten und im Rahmen der Rechtsanwendung umzusetzen.

Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die Obergerichte anderer Bundesländer mit – wie das Verwaltungsgericht angenommen hat – beachtlicher Begründung davon ausgehen, dass der Amtsermittlungsgrundsatz die Behörde in Verfahren betreffend den Erlass einer Fahrtenbuchauflage – also im Tätigkeitsbereich der vorbeugenden Gefahrenabwehr – nicht verpflichte, ohne konkreten Anlass gewissermaßen „ins Blaue hinein“ das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung zu hinterfragen, dies vielmehr erst dann geboten sei, wenn von dem Fahrzeughalter Unstimmigkeiten der Messung aufgezeigt würden oder sie sich der Behörde aufdrängen müssten (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.12.2018 – 8 B 1018/18 -, juris).

Die angefochtene Verfügung des Antragsgegners kann schließlich nicht des-halb als offensichtlich rechtmäßig erachtet werden, weil die Messung nicht mit einem der Rechtsprechung des saarländischen Verfassungsgerichtshofs zugrunde liegenden Gerät des Typs Traffistar S 350, sondern mit dem Messgerät Poliscan FM 1 durchgeführt worden ist. Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang, dass sich im Tenor des vom Verwaltungsgericht zitierten Beschlusses des Oberlandesgerichts Zweibrücken die Formulierung findet, bei dem Messgerät Poliscan Speed FM 1 sei eine Überprüfung des Messergebnisses aufgrund gespeicherter Rohmessdaten für den Betroffenen grundsätzlich möglich. Ob diese seitens des Oberlandesgerichts Zweibrücken nicht begründete Annahme tatsächlicher Art zutrifft oder nicht, ist seitens des Antragstellers durch Vorlage einer sachverständigen Stellungnahme vom 24.7.2018 substantiiert in Frage gestellt und es finden sich auch in dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 15.1.2020, dem ebenfalls eine Geschwindigkeitsmessung mit einem Gerät des Typs PoliScan FM1 vorausgegangen war, keine Feststellungen dazu, dass dieser Gerätetyp Rohmessdaten speichert, vielmehr scheint dies im vorangegangenen ordnungshördlichen bzw. gerichtlichen Verfahren streitig gewesen und ungeklärt geblieben zu sein. Die Frage der Speicherung bedarf daher der Klärung in einem Hauptsacheverfahren (VerfGH Rheinland-Pfalz, a.a.O., Rdnrn. 2 und 8).

Ist die Sach- und Rechtslage demnach nach dem Erkenntnisstand im verfahrensgegenständlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahren offen, so hängt der Erfolg des einstweiligen Rechtsschutzantrags von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten ab. Diese Abwägung muss gerade auch vor dem Hintergrund der das Verwaltungsgericht und den Senat bindenden Rechtsprechung des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs6 zugunsten des Antragstellers ausgehen.

Dass die Rechtsprechung des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs in der Rechtsprechung anderer Bundesländer nach ersten Reaktionen auf eine gewisse Skepsis bzw. auf umfängliche Kritik (zusammenfassend: Brandenburgisches OLG Senat für Bußgeldsachen, Beschluss vom 15.1.2020 – (1 Z) 53 Ss-OWi 798/19 (4/20) -, juris Rdnrn. 2 f. und 5 m.w.N ) gestoßen ist, ändert hieran nichts. Es bedarf in tatsächlicher Hinsicht der Klärung in einem Hauptsacheverfahren, ob Messgeräte des Herstellers Vitronic Typ PoliScan FM1 ausgehend von der Rechtsprechung des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs den dortigen Bedenken in gleicher Weise unterliegen wie Messgeräte des Modells Traffistar S 350 der Firma Jenoptik. Sollte dies der Fall sein, wird die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung bei der Entscheidung saarländischer Gerichte und Behörden über die sich hieran anschließenden Rechtsfragen zu berücksichtigen sein. Zwecks einer bundesgerichtlichen Klärung seitens der Fachgerichte (VerfGH des Saarlandes, Urteil vom 5.7.2019, a.a.O., Rdnr. 62) wäre unabhängig vom Ausgang des noch nicht anhängigen, aber zu erwartenden erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens zu erwägen, die für die Rechtmäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage erheblichen Rechtsfragen in Anwendung des § 134 VwGO durch Zulassung der Sprungrevision einer zeitnahen Klärung zuzuführen.“

Und das OVG Saarland ist ja nicht das erste Obergerichte, das eine Vorlage anmahnt. Das hatte ja auch schon der VerfGH Rheinland-Pfalz getan. Vielleicht kommt ja jetzt mal ein Gericht in die Puschen. 🙂

OWi I: Enforcement Trailer und VerfGH Saarland, oder: Das OLG Hamm „mauert“ auch

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Heute dann mal wieder ein Owi-Tag, als straßenverkehrsrechtliche Entscheidungen aus dem Bußgeldverfahren.

Und den Opener mache ich mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 13.01.2020 – 1 RBs 255/19 – zu zwei Fragen, die die Rechtsprechung derzeit immer wieder beschäftigen: Nämlich Enforcement Trailer und VerfGH Saarland, Urt. v. 05.07.2019 – Lv 7/17.

Mit beiden Fragen hat das OLG Hamm nichts „am Hut“ und mauert – genau wie die anderen OLG:

„1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats und – soweit ersichtlich – auch der übrigen für Bußgeldsachen zuständigen Senate des hiesigen Oberlandesgerichts ist die angefochtene Entscheidung insbesondere insofern nicht zu beanstanden, als der Tatrichter bei dem Einsatz des Messgeräts Poliscan Speed M 1 in einem Enforcement-Trailer entgegen der diesbezüglich vorgebrachten Bedenken durchaus ausdrücklich die „Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens . (erg.: als) gewährleistet‘ angesehen hat (vgl. Senat, Beschluss vom 20.12.2018 – III-1 RBs 172/18 – Beschluss vom 18.01.2019 – III-1 RBs 184/18 Beschluss vom 29.04.2019 – III-1 RBs 33/19 Beschluss vom 26.08.2019 – III-1 RBs 160/19 -; OLG Hamm, Beschluss vom 26.02.2019 – III-2 RBs 33/19, Beschluss vom 22.07.2019 – III-2 RBs 153/19 OLG Bamberg, Beschluss vom 12.03.2019 – 2 Ss OWi 67/19 -, juris).

Abweichend von der mit der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung bietet der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 22.11.2018 – 2 Ss OWi 845/18 – (juris) auch keinen Anlass zur Vorlage nach den SS 121 Abs. 2 GVG, 79 Abs. 3 OWiG. Für die dortige Entscheidung war maßgeblich, dass die zwei zum damaligen Zeitpunkt in Hessen im Einsatz durch die dortige Landespolizei befindlichen „Enforcement Trailer“ ohnehin über eine Sonderzulassung verfügten, die auch eine Verbauung eines zugelassenen Messgeräts in einem Enforcement Trailer (als Anhänger) zulässt, und schon deshalb die aus diesen Trailern durchgeführten Messungen als solche in einem standardisierten Messverfahren anzusehen waren. Soweit das Oberlandesgericht Frankfurt zudem ausgeführt hat, dass bei anderweitigen Messungen aus Enforcement Trailern Zulassungsergänzungen bzw. Neuzulassungen und deren Dokumentation erforderlich seien, handelt es sich um über den konkreten Fall hinausgehende Formulierungen, die mangels Entscheidungserheblichkeit im dortigen Verfahren keine Vorlagepflicht nach S 121 Abs. 2 GVG begründen (vgl. Mayer in: Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl., S 121 Rn. 22 m.w.N.; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., S 121 GVG Rn. 10f.).

2. Auch unter dem Aspekt der Speicherung sogenannter Rohmessdaten bleibt der Rechtsbeschwerde der Erfolg versagt. Insofern hat der Senat zuletzt mit Beschluss vom 06.01.2020 – 111-1 RBs 180/19 – ausgeführt:

„Es ist inzwischen bereits mehrfach mit überzeugender Begründung obergerichtlich entschieden worden, dass entgegen der mit der Rechtsbeschwerdebegründung angeführten und für den Senat nicht bindenden Entscheidung des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs vom 05. Juli 2019 (LV 7/17) die nicht erfolgende Speicherung von Rohmessdaten und die entsprechend unterbliebene Überlassung entsprechender Unterlagen für sich genommen weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs noch einen Verstoß gegen das faire Verfahren darstellen (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20. Dezember 2019 – Il OLG 65/19 juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 09. Dezember 2019 – 202 ObOWi 1955/19 -,juris, OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06. November 2019 – 2 Rb 35 ss 808/19 -,juris, OLG Köln, Beschluss vom 27. September 2019 – 1 RBs 339/19 -, juris, OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. September 2019 – 1 Rb 28 Ss 300/19 -, juris, OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 09. September 2019 – 28 (OWi) 233/19 -, juris), und es sich bei dem vorliegend eingesetzten  Messgerät „PoliScan Speed“ nach wie vor um ein standardisiertes Messverfahren handelt, hinsichtlich dessen ungeachtet der Frage einer erfolgenden Speicherung sämtlicher Rohmessdaten eine Verwertung der erlangten Messergebnisse uneingeschränkt zulässig ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06. November 2019 — 2 Rb 35 Ss 808/19-, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschlüsse vom 20. November 2019- 1 Ss OWi 381/19- und vom 09. September 2019- (1 B) 53 Ss-OWi 433/19 (257/19), Juris).

Gründe, von der vorgenannten Rechtsprechung abzuweichen, sind für den Senat nicht ersichtlich.“

Die hierzu mit dem Schriftsatz vom 28.12.2019 zitierten oberlandesgerichtlichen Entscheidungen – das vorgenannte Urteil des Verfassungsgerichtshof des Saarlandes unterfällt ohnehin nicht den §§ 121 Abs. 2 GVG, 79 Abs. 3 OWiG begründen auch keine Vorlagepflicht hinsichtlich des Aspekts der Speicherung von sogenannten Rohmessdaten. Bei den Beschlüssen des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.07.2019 – 6 Rb 28 Ss 618/19 – (BeckRS 2019, 16424) und des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 29.08.2019 – 1 OWi 2 Ss Bs 68/19 – (juris) waren jeweils .schon die diesbezüglichen Verfahrensrügen -nicht wirksam  erhoben worden. Die zitierten Beschlüsse des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 28.08.2019 – Ss RS 26/2019 (46/19 OWi) – und vom 03.09.2019 – Ss Rs 34/2019 (43/19 OWi) – (jew. zit. n. burhoff.de) zur Einstellung von Verfahren hinsichtlich Geschwindigkeitsmessungen mit den Messgeräten TraffiStar S350 und PoliScan Fl HP erfolgten vor dem Hintergrund der sich für das Oberlandesgericht Saarbrücken (im Unterschied zum vorliegend entscheidenden Senat) aus S 10 Abs. 1 VerfGHG ergebenden Bindung an die vorgenannte Entscheidung des saarländischen Verfassungsgerichtshofs und gebieten für die vorliegende Konstellation gleichfalls keine Divergenzvorlage.“

Gegenstandswert beim VerfGH Saarland, oder: „Rohmessdaten meets Gebührenrecht“

In der zweiten Entscheidung des Verfahrens geht es noch einmal um das beim VerfGH Saarland anhängige Verfahren betreffend Rohmessdaten, dass dort mit dem Urt. v. 05.07.2019 – Lv 7/17 – seinen Abschluss gefunden hat.

Nun ja, nicht ganz. Denn die Kollegin, die die Verfassungsbeschwerde durchgezogen hat, hatte sich gegen den vom VerfGH Saarland festgesetzten Gegenstandswert von 7.500 EUR gewandt. Damit hatte sie dann aber keinen Erfolg. Der VerfGH hat ihre „Gegenvorstellung“ im VerfGH Saarland, Beschl. v. 19.12.2019 – Lv 7/17 –  zurückgewiesen:

„Der von der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers als Gegenvorstellung eingelegte Rechtsbehelf, mit der dieser eine Erhöhung des festgesetzten Gegenstandswerts erstrebt, ist nicht statthaft und damit unzulässig, da ein Rechtsmittel gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts durch den Verfassungsgerichtshof gem. §§ 33 1, 37 II 2 RVG nicht gegeben ist (VerfGH Beschl. v. 27.12.2011 Lv 4/11; RhPfVerfGH, Beschl. v. 14.12.2018 – VGH A 19/18, BeckRS 2018, 33031; SächsVerfGH, Beschl. v. 29.09.2011 – Vf. 94-IV-IO, BeckRS 2011, 142008; Graßhof in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge [Hrsg.], BVerfGG, Losebl., 28. EL April 2008, S 34a Rn. 116; Schenk in Burkiczak/DoIlinger/Schorkopf [Hrsg.], BVerfGG, 2015, S 34 a Rn. 65.

Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit ist nach § 33 RVG festzusetzen.

Nach § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen unter Beachtung der Kriterien des S 14 RVG festzusetzen. Der Mindestwert beträgt 5000 Euro. Gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes ist ein Rechtsmittel nicht zulässig (BVerfG Beschl. v. 23.04.2014 – 2 BvR 2500/09, BeckRS 2014, 51220),

Auch die Bezeichnung als Gegenvorstellung gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts rechtfertigt keine andere Betrachtung. Vereinzelt wird die Zulässigkeit einer Gegenvorstellung gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes für zulässig gehalten, wenn sich die Festsetzung unter Missachtung wesentlicher Verfahrensvorschriften als grob rechtswidrig erweist (vgl. Graßhoff § 34 a Rn, 116; ablehnend demgegenüber SächsVerfGH, Beschl. v. 29.09.2011 — Vf. 94-IV-IO, BeckRS 2011, 142008; offengelassen von BVerfGE 1371 345 [349] – BeckRS 2014, 59296 = Rn. 18; Beschl. v. vom 04.11.2013 – 1 BvR 1623/11, BeckRS 2013, 59933  Rn. 1 und vom 04.12.2013- 1 BvR 1751/12, BeckRS 2013, 59935 Rn. 1.)

Danach ist der Verfassungsgerichtshof nicht befugt den von ihm festgesetzten Gegenstandswert zu ändern. Eine grobe Verletzung von Verfahrensgrundrechten liegt ersichtlich nicht vor und wird von dem Beschwerdeführer auch nicht geltend gemacht,

Bei der Festsetzung des Gegenstandswertes hat der Verfassungsgerichtshof sich von den Grundsätzen des § 14 RVG leiten lassen. Es sind alle Umstände zu berücksichtigen, vor allem der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Der Gegenstandswert richtet sich  vorrangig nach der Bedeutung, welche der Beschwerdeführer – also der Auftraggeber – der Sache beimisst; denn das Entgelt, das er bereit ist oder jedenfalls bereit sein sollte, seinem Verfahrensbevollmächtigten zu zahlen, richtet sich naturgemäß danach, was ihm selbst die Sache „wert“ ist (vgl. BVerfGE 79, 305 <366 f.>),  Hinsichtlich des finanziellen Interesses des Auftraggebers ergibt sich lediglich die Höhe des Bußgeldes als Anhaltspunkt. Diese geringe Höhe kann allerdings nicht allein ausschlaggebend sein. Im Hinblick auf den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war eine Erhöhung des Mindestwertes angemessen. Maßstab kann allerdings nicht der Gegenstandswert sein, der üblicherweise vom Bundesverfassungsgericht angenommen wird. Der Verfassungsgerichtshof hat daher in Abwägung des Interesses des Beschwerdeführers und des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit den Gegenstandswert auf 7.500 € bemessen und sieht zu einer Änderung auch inhaltlich keinen Anlass.“

Die Entscheidung bringt – anders als das Urteil vom 05.07.2019 – nichts Neues. Sie fasst aber die Rechtsprechung der Verfassungsgerichte zu den Rechtsmitteln gegen eine Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren zutreffend zusammen. Nicht ganz nachvollziehbar ist, warum der VerfGH nicht von Regelgegenstandswert des BVerfG ausgegangen ist, der bei 25.000 EUR liegt (BVerfG RVGreport 2017, 352).