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Verfall des Transportlohns, oder: Ganz oder nur zum Teil – das war die Frage?

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Ich hoffe, der aufmerksame Leser hat es gemerkt. Der heutige Tag war bisher dem Verfall im Bußgeldverfahren gewidmet (§ 29a OWiG). Und daher will ich den (Verfalls)Tag dann auch mit einer Entscheidung zu der Problematik beenden. Es ist der BGH, Beschl. v. 10.04.2017 – 4 StR 299/16.

BGH zum Verfall im Bußgeldverfahren? Ja. Die Sache ist aufgrund einer Vorlage durch das OLG Oldenburg im OLG Oldenburg, Beschl. v. 09.06.2016 – 2 Ss (OWi) 110/16 zum BGH gekommen. Die OLG haben nämlich darum gestritten, ob bei einem Verstoß eines Transportunternehmens gegen deutsche Straßenverkehrsvorschriften, zur Bestimmung des Erlangten i.S.d. § 29a Abs. 1 OWiG, auf den gesamten Transportlohn oder nur auf den sich ggf. rechnerisch für die inländische Fahrtstrecke ergebenden Transportlohn abzustellen ist. Das OLG Oldenburg wollte vom OLG Braunschweig, Beschl. v. 21.12. 2015 (1 Ss (OWi) 165/15) abweichen, musste dafür aber vorher den BGH „fragen“. Der hat nach „Umformulierung und Präzisierung“ der Vorlegungsfrage – das freut das OLG immer sehr – geantwortet, und zwar mit folgendem Leitsatz:

„Bei einem unter Verstoß gegen deutsche Straßenverkehrsvorschriften durchgeführten internationalen Transport kann – bei Vorliegen der sonstigen hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach § 29a OWiG – der Verfall in Höhe des gesamten Transportlohns angeordnet werden.“

Kann also ggf. teuer werden.

Zu der Entscheidung merke ich an: Sehr schön 🙂 die Hinweise in der BGH-Entscheidung auf „unser“/das „Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche Bußgeldverfahren“, 4. Aufl. Das steht also beim 4 Strafsenat. Das Buch < Werbemodus an> kommt übrigens im Herbst in der 5. Auflage neu. Vorbestellen kann man es hier <Werbemodus> aus. 🙂 🙂 .

Ein (weiterer) Schluck aus der Pulle

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Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an das Posting 5,2 Mio Gegenstandswert im Strafverfahren – das ist doch mal “ein Schluck aus der Pulle” aus Juni 2014 zum BGH, Beschl. v. 30.04.2014 – 1 StR 245/09. Da hatte der BGH im Hinblick auf die Gebühr Nr. 4142 VV RVG (wird häufig übersehen) den Gegenstandswert auf 5,2 Mio € festgesetzt. Da hat er dann jetzt getoppt – also ein weiterer Schluck aus der Pulle. Im BGH, Beschl. v. 24.02.2015 – 1 StR 245/09 – hat er nämlich in demselben Verfahren den Gegenstandswert – jetzt für einen der Verteidiger – nun auf 30.000.000 € festgesetzt:

„3. Der Senat setzt den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers zur Verteidigung des Angeklagten F. gegen Maßnahmen des Verfalls antragsgemäß auf 30.000.000,00 Euro fest.

Gemäß § 32 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt aus eigenem Recht die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beantragen. Ein Gegenstandswert war hier festzusetzen, weil die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen den Angeklagten F. erstrebte und sich die Verteidigung durch den Antragsteller hierauf erstreckte. Nr. 4142 Vergütungsverzeichnis (VV) sieht eine besondere Verfahrensgebühr als Wertgebühr vor, wenn der Rechtsanwalt bei Einziehung und verwandten Maßnahmen (§ 442 StPO) eine darauf bezogene Tätigkeit für den Beschuldigten ausübt. Diese Gebühr steht dem Rechtsanwalt für jeden Rechtszug zu (vgl. Kroiß in Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 6. Aufl., 2013, Rn. 16 zu Nrn. 4141 – 4147 VV).

Der vom Senat nach § 33 Abs. 1, § 2 Abs. 1 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die Tätigkeit des Verteidigers im Revisionsverfahren bemisst sich insoweit – nicht anders als für den Vertreter eines Verfallsbeteiligten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. April 2014 – 1 StR 245/09 und 1 StR 53/13 sowie vom 7. Oktober 2014 – 1 StR 166/07) – nach dem wirtschaftlichen Interesse an der Abwehr der Revision der Staatsanwaltschaft, soweit diese das Unterlassen einer Verfallsanordnung beanstandet hat. Dem steht nicht entgegen, dass dem Verteidiger auch für die Verteidigung gegen den Tatvorwurf Gebühren zu-stehen.

Die Staatsanwaltschaft beanstandete im Revisionsverfahren, das Landgericht habe zu Unrecht davon abgesehen, hinsichtlich des Angeklagten F. den Verfall von Wertersatz anzuordnen. Wie der Antragsteller zutreffend dargelegt hat, verfolgte die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision weiterhin das Ziel einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 30.000.000,00 Euro gegen den Angeklagten F. . Diese Summe beschreibt daher auch das wirtschaftliche Interesse des Angeklagten an der Abwehr der Revision der Staatsanwaltschaft (vgl. auch Kotz in BeckOK-RVG, RVG 4142 Rn. 15). Der Gegenstandswert für seine Verteidigung insoweit beträgt demgemäß 30.000.000,00 Euro.

Anhaltspunkte für eine fehlende Durchsetzbarkeit der von der Staatsanwaltschaft erstrebten Verfallsanordnung bestehen hier – insbesondere im Hin-blick auf die Höhe der erwirkten und vollstreckten Arreste – nicht. Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob dieser Umstand überhaupt zu einer Minderung des Gegenstandswerts führen könnte (ebenfalls offengelassen in BGH, Beschlüsse vom 30. April 2014 – 1 StR 245/09 und 1 StR 53/13 sowie vom 7. Oktober 2014 – 1 StR 166/07; vgl. aber auch BGH, Beschluss vom 24. März 2009 – 5 StR 225/06).“

Na, das ist dann doch mal „ein Schluck aus der Pulle“, passend zum Wochenende allerdings: Bitte nicht zu früh freuen: Für den Pflichtverteidiger gilt ggf. die Beschränkung aus § 49 RVG.

Was AG so alles ohne (Pflicht)Verteidiger verhandeln wollen…

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Nun, erst wollte ich die Überschrift: „Bei Geldwäsche gibt es einen Pflichtverteidiger“ wählen, habe dann aber festgestellt, dass die nicht ganz richtig bzw. erfasst vielleicht nicht ganz den Sachverhalt, der im LG Traunstein, Beschl. v. 19.01.2015 – 2 Qs 332/14 – zur Bestellung eines Pflichtverteidigers geführt hat, erfassen würde. Aber immerhin war der „nicht einfache“ Tatbestand der Geldwäsche im Spiel, was dann im Zusammenhang mit weiteren (maßgeblichen) Umständen zur Bestellung geführt hat:

„Es handelt sich zwar um keine schwere Tat, noch im Hinblick auf die auch in subjektiver Hinsicht zu beurteilenden Tathandlungen der Angeklagten um um eine schwierige Sach- oder Rechtslage. Der angeklagte Tatbestand der leichtfertigen Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 1 Nr. 4 a beruht jedoch darauf, dass andere Personen gewerbsmäßig Untreuehandlungen begangen haben. Das Verfahren gegen die anderen Personen, insbesondere gegen den anderweitig Verfolgten X. ist jedoch abgetrennt und gesondert angeklagt worden. Der anderweitig Verfolgte F. hat sich bisher nach Aktenlage nicht geäußert. Die maßgeblichen Beurteilungsgrundlagen ergeben sich zwar aus der vorliegenden Akte gegen die Beschwerdeführerin, der weitere Verlauf und der Ausgang des Verfahrens gegen F. und andere Personen ist nicht bekannt. Eine abschließende Beurteilung und Akteneinsicht kann hier nur über den Verteidiger und nicht über die Angeklagte selbst erfolgen.

Maßgeblich ist jedoch, dass gegen die Angeklagte neben einer Geldstrafe auch eine Verfallsanordnung gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB (in Höhe von 35.350 Euro) getroffen wurde. Daraus ergibt sich zwar lediglich ein betragsmäßig begrenzter Vermögensnachteil für die Angeklagte, so dass nicht zwangsläufig ein Fall einer notwendigen Verteidigung anzunehmen ist (vgl. KG Berlin vom 10.05.2012, 2 Ws 194/12). Es ist aber zu berücksichtigen, dass zwischen der geschädigten Firma pp. und der Angeklagten ein Zivilverfahren stattgefunden hat, das am 26.08.2014 mit einem Vergleich zur Abgeltung der Klageforderung in Höhe von 11.000 Euro geendet hat. Insoweit beruft sich die Angeklagte – auch wenn bisher ein Geständnis nicht abgelegt worden ist – auf einen Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46 a StGB. Unabhängig davon ergeben sich im Zusammenhang mit einer Verwertung des arrestierten Vermögens zahlreiche weitere Rechtsfragen, die im Schreiben des Gerichts vom 13.11.2014 (BI. 324 bis 325 d.A.) angesprochen sind. Dabei wird auch zu prüfen sein, ob bzw. in welchem Umfang von der Härtevorschrift des § 73 c StGB Gebrauch zu machen ist (vgl. BGH 2 StR 254/10).“

Wenn man es liest, passt: „Was AG so alles ohne (Pflicht)Verteidiger verhandeln wollen…“ besser, oder?

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2015 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…

Für 150 € brauchen wir keine neue Hauptverhandlung, der wirtschaftliche BGH

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Nun, da hat der BGH mal wirtschaftlich gedacht und sich gesagt: Für 150 € Verfallsbetrag muss es keine neue Hauptverhandlung geben. Hintergrund: Der 3. Strafsenat hat im BGH, Beschl. v. 07.08.2014 – 3 StR 354/14 – in einem Verfahren wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. – die Anordnung der Verfallserklärung von 150 € wegen Fehlern in der Beweiswürdigung aufgehoben:

„Während der Schuldspruch, der Strafausspruch und die Einziehungsentscheidung rechtsfehlerfrei ergangen sind, kann die Verfallsanordnung keinen Bestand haben. Die Feststellung der Kammer, bei 150 € der bei der Angeklagten sichergestellten 315 € handele es sich um einen Vorschuss auf ihren Kurierlohn, beruht auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung. Die Annahme des Landgerichts, aufgrund ihrer finanziellen Situation sei die Angeklagte auf einen Vorschuss in zumindest dieser Höhe angewiesen gewesen, ist mit der Feststellung, die Angeklagte habe als Prostituierte täglich 50 € bis 150 € verdient, nicht in Einklang zu bringen.“

Und dann denkt der Senat wirtschaftlich:

„Da die Neuverhandlung der Sache im Verhältnis, zu dem im Raum stehenden Betrag einen unangemessenen Aufwand erfordern würde, hat der Senat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Anordnung des Verfalls von der Verfolgung ausgenommen (§ 430 Abs. 1, § 442 Abs. 1 StPO) und den Rechtsfolgenausspruch entsprechend abgeändert.“

Der Kollege, der mir die Entscheidung geschickt hat, freut sich über den kleinen Erfolg :-), vor allem aber deshalb weil die Kammer, die das Urteil beim LG Kleve erlassen hatte, zum zweiten Mal innerhalb kürzerer Zeit wegen Beweiswürdigungsfehlern vom 3. Strafsenat gerügt wird.

5,2 Mio Gegenstandswert im Strafverfahren – das ist doch mal „ein Schluck aus der Pulle“.

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Auch im Strafverfahren wird die Tätigkeit des Rechtsanwalts/Verteidigers ggf. mit Wertgebühren abgerechnet – ich lenke den Blick auf die Nrn. 4142, 4143 VV RVG, im Owi-Verfahren ist es die Nr. 5116 VV RVG. Von daher kann sich also auch im Straf- oder Bußgeldverfahren die Frage nach dem Gegenstandswert stellen. Und da ist jetzt der Hinweis auf den BGH, Beschl. v. 30.04.2014 – 1 StR 245/09 ganz interessant. Ergangen ist er im Verfahren 1. StR 245/09 wegen versuchten Betruges und Steuerhinterziehung, in dem der BGH zwei Entscheidungen getroffen hat, nämlich einmal das Urteil v. 29.06.2010 und den Beschl. v. 14.07.2010. In den Revisionsverfahren war es u.a. um die Revision der Staatsanwaltschaft gegangen, die u.a. beanstandete hatte, dass das LG nicht durch die Anordnung des Verfalls von Wertersatz das von den Angeklagten aus der Tat Erlangte für den Staat abgeschöpft hat. Insoweit hatte die Revision der StA Erfolg.

In dem Verfahren ist dann aber für den Vertreter der am Verfahren beteiligten Verfallsbeteiligten u.a. die Nr. 4142 VV RVG angefallen, die bis zu dreimal entstehen kann (vgl. Anm. 3 zur Nr. 4142 VV RVG). Und für die musste nun der Gegenstandswert festgesetzt werden. Und den hat der BGH im Beschl. v. 30.04.2014 auf 5,2 Mio € festgesetzt:

„Der vom Senat nach § 33 Abs. 1, § 2 Abs. 1 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die Gebühren der Tätigkeit der Vertreterin der Verfallsbeteiligten F. im Revisionsverfahren bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Verfallsbeteiligten an der Abwehr der Revision der Staatsanwaltschaft, soweit diese das Unterlassen einer Verfallsanordnung gegen die Verfallsbeteiligte mit der Sachrüge beanstandet hat.

Die Staatsanwaltschaft hat, nachdem sie erstinstanzlich im Schlussvortrag die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen die Verfallsbeteiligte F. in Höhe von 5.200.000,00 Euro beantragt hatte, im Revisionsverfahren beanstandet, das Landgericht habe zu Unrecht davon abgesehen, bezüglich der Nebenbeteiligten den Verfall des Wertersatzes anzuordnen, und keine Feststellungen dazu getroffen, welche Erlöse ihr zugeflossen seien. Der Gegenstandswert beträgt demgemäß 5.200.000,00 Euro.“

Ich habe jetzt nicht ausgerechnet, wie hoch eine Wertgebühr nach dem Gegenstandswert ist. Das werden sicherlich/vielleicht Kommentatoren tun, die „beanstanden“ werden, dass die Rechtsanwälte/Verteidiger viel zu viel Geld verdienen. Dazu vorab: Ja, ist sicherlich ein „ordentlicher Schluck aus der Pulle“, aber dafür ist das Haftungsrisiko an der Stelle ja auch immens. Und um die Sache richtig rund zu machen: Die Gebühr entsteht für diejenigen Rechtsanwälte, die auch schon in der 1. Instanz beteiligt waren zweimal – und wohl auch nach dem Gegenstandswert. Und Sie entsteht auch für den Pflichtverteidiger, allerdings mit den sich aus § 49 RVG ergebenden Beschränkungen.