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OWi III: Verdoppelte Geldbuße nicht mehr geringfügig, oder: Nochmals Begründungsanforderungen

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Und zum Tagesschluss habe ich dann noch eine OLG-Entscheidung zu den Begründungsanforderungen bei Festsetzung einer Geldbuße, die über der sog. Geringfügigkeitsgrenze liegt. Es handelt sich um den OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.11.2021 – 1 OLG 53 Ss-OWi 488/21.

Festgesetzt worden ist vom AG  nach Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch eine „verdoppelte“ Geldbuße von 480 EUR. Dem OLG reicht die Begründung des Rechtsfolgenausspruch nicht:

„2. Die in dem angefochtenen Beschluss für die Höhe der Geldbuße enthaltene Begründung genügt nicht den Anforderungen nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 3 Satz 1 StPO, da sie aufgrund ihrer Lückenhaftigkeit dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht die erforderliche Überprüfung nicht ermöglicht. Das Amtsgericht hat eine Geldbuße in Höhe von 480,00 Euro verhängt, die damit deutlich über der bei 250,00 Euro festzusetzenden Geringfügigkeitsgrenze des § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 OWiG liegt, von der an genauere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen als Bemessungskriterium für die Höhe der Geldbuße zu treffen sind (st. Senatsrechtsprechung, vgl. statt vieler: Senatsbeschluss vom 18. April 2017, (1 B) 53 Ss-OWi 194/17 (94/17); Senatsbeschluss vom 8. Juni 2010, 1 Ss (OWi) 109 B/10; siehe auch Kammergericht VRS 122, 285, 286 m. w. N.; Kammergericht VRS 111, 202; OLG Celle NJW 2008, 3079; OLG Jena VRS 110, 443, 446; OLG Jena VRS 113, 351; OLG Köln ZfSch 2006, 116; OLG Düsseldorf NZV 2000, 426; OLG Düsseldorf NZV 2008, 161; OLG Bamberg GewArch 2007, 389, 390; BayObLG DAR 2004, 594; OLG Zweibrücken NZV 1999, 219; OLG Zweibrücken NZV 2002, 97). In dem angefochtenen Beschluss fehlt es an jeglichen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen, die etwaige Rückschlüsse auf seine finanzielle Situation ermöglichen. Überdies sind solche Feststellungen bei einer Geldbuße wie der vorliegenden auch deshalb veranlasst, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung zu ermöglichen, ob der Tatrichter rechtsfehlerfrei von Erörterungen zu Zahlungserleichterungen nach § 18 OWiG abgesehen hat (vgl. OLG Hamburg NJW 2004, 1813 (1815)). Zudem lässt der Beschluss erkennen, dass die Höhe der verhängten Geldbuße auch auf eine verkehrsrechtliche Vorbelastung des Betroffenen zurückzuführen ist, ohne diese Vorbelastung näher zu bezeichnen.“

Das OLG Koblenz und die Höhe der Geldbuße – im „Altfall“ keine pauschale Verdoppelung wegen Vorsatzes

In seinem Beschl. v 10.03.2010 – 2 SsBs 20/10 – hat das OLG Koblenz jetzt vor kurzem  zu den Auswirkungen einer vorsätzlichen Begehungsweise einer Geschwindigkeitsüberschreitung auf auf die Rechtsfolgen Stellung genommen. Es hat einmal zur Geldbuße darauf hingewiesen, dass die im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelgeldbuße nicht wegen vorsätzlicher Begehungsweise pauschal erhöht werden dürfe und es auch bei Anordnung eines Fahrverbots nicht zulässig sei, dessen Regeldauer nach dem Bußgeldkatalog pauschal wegen vorsätzlichen Handelns zu verdoppeln, sondern auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt werden müsse. Grudnsätzlich zutreffend, allerdings darf man hinsichtlich der Ausführungen zum Vorsatz und seinen Auswirkungen auf die Höhe der Geldbuße nicht übersehen, dass die Entscheidung noch einen Fall zum „alten Recht“, also vor den am 1. 2. 2009 vorgenommenen Änderungen im Bußgeldkatalog betraf. Da gab es die vom OLG vermisste „pauschale Regelung“ im Bußgeldkatalog nicht. Jetzt finden wir sie in § 3 Abs. 4a. Dort ist jetzt ein genereller Erhöhungssatz für Geldbuße, die bei Fahrlässigkeit mit 35 € vorgesehen sind, enthalten.

Ganz interessant auch der Hinweis des OLG, dass ein monatliches Nettoeinkommen von (nur) 950 € noch nicht ausreicht, deswegen die Geldbuße wegen schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse zu senken. Der Betroffen kann auf Ratenzahlung verwiesen werden. Auch sonst ist die Entscheidung wegen der bei den Rechtsfolgen zu berücksichtigenden Umstände lesenswert. Ein (kleiner) Fehler hat sich m.E. allerdings eingeschlichen: Das OLG legt bei der Geldbußenbemessung die (neue) Höchstgrenze des § 24 Abs. 2 StVG zugrunde. M.E. hätte es aber – „Altfall“!! – noch auf die milderere Altregelung: Höchstgrenze 1.000 € (§ 17 Abs. Abs. 1, 3 OWiG) abstellen müssen.

Doch keine Hinweispflicht bei Verdoppelung der Geldbuße?

Ich hatte bereits über den Beschl. des OLG Hamm v. 13.11.2009 – 3 Ss OWi 622/09, in dem ein Verstoß gegen rechtliches Gehör bei Verdopplung der Regelbuße ohne Anhörung des Betroffenen angenommen worden ist, berichtet. Der wird von RiKG Urban Sandherr in DAR 2010 Heft 2, 99 – 100 besprochen. Sandherr teilt die Auffassung des OLG nicht. Seiner Meinung nach überspannt das OLG die Anforderungen an das rechtliche Gehör. Es schränke auch die Handlungsfähigkeit des Gerichts zu Unrecht ein. Die ganz herrschende Meinung vertrete daher auch die gegenteilige Auffassung. Denn die BKatV formuliere keine verbindliche Geldbuße, auf die der Betroffene vertrauen kann. Die BKatV mache nur Vorschläge. Zudem weist Sandherr darauf hin, dass dem Betroffenen neben der strafrechtlichen Folge auch verwaltungsrechtliche Maßnahmen drohen können, auf die er auch nicht hingewiesen werden muss.

Ich halte den Beschluss des OLG Hamm dennoch für zutreffend. Bei den Bußen des BKat handelt es sich um Regelbußen. Der Betroffene darf darauf vertrauen, dass, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, diese verhängt werden. Dann muss er m.E. aber auch zuvor auf die geplante Erhöhung hingewiesen werden. Wieso dadurch die Handlungsfähigkeit des Gerichts eingeschränkt wird, erschließt sich mir nicht.

Verdoppelung der Geldbuße: Rechtlicher Hinweis erforderlich, so OLG Hamm

Ganz interessant für die anwaltliche Praxis ist die Entscheidung des OLG Hamm vom 13. 11. 2009 – 3 Ss OWi 622/09. Dort hat das OLG eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) darin gesehen, dass dem Betroffenen vor der Verdoppelung des Regelsatz der Geldbuße, die im Bußgeldbescheid verhängt worden war, nicht Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist. Interessant deshalb, weil sich daraus dann wohl der Schluss ziehen lässt, dass in den Fällen also ein rechtlicher Hinweis (§ 265 StPO) als erforderlich angesehen wird. Und vor allem. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist oft der einzige Weg, die Zulassung der Rechtsbeschwerde bei den geringfügigen OWi zu erreichen (vgl. § 80 Abs. 2, 1 OWiG). Zudem: Man wird dann jetzt auch die Frage des rechtlichen Hinweises neu diskutieren müssen, wenn es um eine Erhöhung des Fahrverbotes geht.