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Das war das AG ein wenig zu schnell – den Betroffenen kann es aber freuen

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Das AG verurteilt die von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundene und in der Hauptverhandlung nicht durch ihren schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertretene Betroffene am 19.10.2012 wegen Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes in zwei Fällen zu einer Geldbuße von 280,00 € und verhängt ferner unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub gemäß § 25 Abs. 2a StVG ein einmonatiges Fahrverbot.  Noch am 19.10.2012 hat die Richterin die förmliche Zustellung einer Ausfertigung des im Hauptverhandlungsprotokoll enthaltenen, nicht mit Gründen versehenen Urteils mit Rechtsmittelbelehrung an den Verteidiger nebst formloser Übersendung an die Betroffene sowie die Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft „gemäß § 46 Absatz 1 OWiG, § 41 StPO“ verfügt, die jeweils ausgeführt wurden. Dem Verteidiger wurde das nicht mit Gründen versehene Urteil am 24. 10.2012 zugestellt, bei der Staatsanwaltschaft gingen die Akten am 25.10.2012 ein.  Nachdem die Betroffene unter dem 24.10.2012 durch Schreiben ihres Verteidi­gers vom selben Tage Rechtsbeschwerde unter Erhebung der allgemeinen Sachrü­ge eingelegt hatte, gelangte am 08. 11.2012 ein mit Gründen versehenes Urteil zu den Akten, welches dem Verteidiger am 12. 12. 2012 zugestellt wur­de.

Was passiert beim OLG Hamm mit der Rechtsbeschwerde? Nun, sie hat Erfolg. Der OLG Hamm, Beschl. v. 19.03.2013 – III 5 RBs 26/13 – hebt auf. Begründung:

Das angefochtene Urteil enthält entgegen §§ 46 Abs. 1, 71 OWiG, § 267 StPO keine für den Senat als Rechtsbeschwerdegericht beachtlichen Gründe. Die am 08. November 2012 zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe sind unbeachtlich, da zu diesem Zeitpunkt bereits eine nicht mehr abänderbare Urteilsfassung ohne Gründe vorlag (vgl. dazu: Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 267 Rdnr. 39)…..

b) Denn aufgrund der richterlichen Übersendungsverfügung vom 19. Oktober 2012, die den misslichen Vorgaben des verwendeten judica-Formulars geschuldet sein mag, ist die nicht mit Gründen versehene (ursprüngliche) Urteilsfassung an den Verteidiger der Betroffenen unter dem 24. Oktober 2012 zugestellt worden, die im Protokoll enthalten und gesondert unterschrieben war sowie alle für das Urteilsrubrum erforderliche Angaben und die Urteilsformel und damit sämtliche Elemente eines abgekürzten Urteils in Bußgeldsachen enthielt (vgl. dazu: KG Berlin, Beschluss vom 08. Septem­ber 2004 zu 3 Ws (B) 382/04, zitiert nach juris Rn. 4 m.w.N.). Nach willentlicher Herausgabe dieser Urteilsfassung aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts durch Übersendung an den Verteidiger, durfte diese Urteilsfassung indes nicht mehr geändert werden, da namentlich die Voraussetzungen des § 77b Abs. 2 OWiG nicht vorlagen (vgl.: Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 21. Juli 2003 zu 1 Ss (OWi) 123B/03, zitiert nach juris Rn. 9, 10; KG Berlin,–Beschluss vom 08. September 2004 zu 3 Ws (B) 382/04, zitiert nach juris Rn. 4, 5; vgl. auch: Beschluss des hiesigen 2. Senats für Bußgeldsachen vom 30. Juni 2003 zu 2 Ss OWi 412/03, zitiert nach juris Rn. 3-5). Denn die Zustellung der ersten — nicht begründeten — Urteilsfassung war nicht von § 77b Abs. 1 OWiG gedeckt.

Nun, mir leuchtet diese Vorgehensweise der Amtsrichterin nicht ein. Die Gefahr, die darin liegt, ist – wie der Beschluss zeigt – offensichtlich. Für die Betroffene allerdings ein erfreuliches Ergebnis, mit dem sie Zeit gewinnt, was im Zusammenhnag mit dem Fahrverbot – die Zweiahresfrist lässt grüßen – von Bedeutung sein kann.