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Zustellung: Die unvollständige Urteilausfertigung

Urteil Rechtsanwalt in Robe mit SchildZustellungsfragen spielen in der Praxis eine große Rolle, denn nur die Zustellung einer vollständigen Urteilsausfertigung setzt die entsprechenden Rechtsmittelfristen in Lauf. Das kann für das Rechtsmittel entscheidend sein. Von Interesse ist daher der OLG Celle, Beschl. v. 30.09.2015 – 2 Ss 161/15, in dem es um die Zustellung einer unvollständigen Urteilsausfertigung ging. Das OLG sagt: In dem Fall passt es noch, die Zustellung war wirksam:

„Ergänzend zu den Ausführungen in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft ist lediglich Folgendes zu bemerken:

Dem Urteil ist auf Seite 7 der Urteilsgründe folgender Hinweis zu entnehmen „<bitte Bl: 94 Bd. III Einscannen>“. In der dem Verteidiger am 9. April 2015 zugestellten Urteilsausfertigung findet sich ebenfalls dieser Zusatz. Die Einfügung ist offensichtlich nicht erfolgt. Der Senat ist gleichwohl nicht gehindert, in der Sache zu entscheiden. Die vom Landgericht vorgenommene Zustellung des unvollständigen Urteils war wirksam und hat die Revisionsbegründungsfrist in Lauf gesetzt. Der erneuten Zustellung des Urteils bedurfte es nicht. Zwar muss die Abschrift das zuzustellende Schriftstück wortgetreu und vollständig wiedergeben. Kleine Fehler, die nur unwesentliche Einzelheiten betreffen, schaden allerdings nicht, wenn der Zustellungsempfänger aus der Abschrift oder Ausfertigung den Inhalt der Urschrift genügend entnehmen kann (BGH NJW 1978, 69; BGH Beschl. v. 17.3.2004, 2 StR 44/04, NJW-RR 2005, 261 ff.). So liegt der Fall hier. Aus der zugestellten Urteilsabschrift lässt sich der Inhalt der Verdienstbescheinigung genügend entnehmen. Der Sinngehalt der gefälschten Verdienstbescheinigung ist auf Seite 7 und 8 der Urteilsgründe ausreichend dargestellt. Auf die exakte Ausgestaltung und den exakten Wortlaut der nicht eingefügten Verdienstbescheinigung der Firma Z. GmbH kam es nicht an.“

„Die schwer verständlichen Nachlässigkeiten…“ – „ich bin not amused“ (?)

© froxx - Fotolia.com

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Im BGH, Beschl. v. 28.11.2013 – 5 StR 303/13 – heißt es: „Die schwer verständlichen Nachlässigkeiten im Zusammenhang mit dem Zustandekommen der Urteilsausfertigungen und den dazu abgegebenen Erklärungen sind sämtlich nicht geeignet, eine durchgreifende Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 7 StPO zu begründen.“

Das liest man als Verteidiger natürlich nicht gern, denn das bedeutet: Finger zwar in die Wunde gelegt, aber die war nicht groß genug bzw. es war nicht die richtige Wunde. Aber die Strafkammer beim LG Berlin wird die Ausführungen auch nicht gern lesen, denn die Passage zeigt deutlich, dass der 5. Strafsenat mit der Art und Weise des Zustandekommens der Urteilsausfertigungen nicht zufrieden war, bzw. er war „not amused“. Also etwas mehr Sorgfalt in Zukunft.