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Revision I: Verletzung der Unterbrechungsvorschriften, oder: Nichts Neues – beim BGH – zu EncroChat

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Und heute dann Revisionsentscheidungen.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 01.08.2023 – 5 StR 260/23. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren mit dem Vorwurf des Verstosses gegen das BtMG. Gegen die Verurteilung ist Revision eingelegt worden. Mit der sind von einem der Angeklagten zwei Verfahrensfehler gerügt worden. Beide Rügen hatten keinen Erfolg.

Zunächst hier die Ausführungen des BGH zur Verletzung der Unterbrechungsvorschriften (§ 229 StPO):

„Die mit der Angriffsrichtung eines Verstoßes gegen die Vorschriften zur Unterbrechung der Hauptverhandlung in § 229 StPO geführte Rüge ist jedenfalls unbegründet. Die Strafkammer hatte wegen Erkrankung der Vorsitzenden durch Beschluss vom 4. August 2022 gemäß § 229 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StPO eine Hemmung der Unterbrechungsfrist nach § 229 Abs. 2 StPO bis zum 5. August 2022 festgestellt. Durch den Verhandlungstermin vom 15. August 2022 wurde die Frist schon aufgrund des in § 229 Abs. 3 Satz 2 StPO normierten Fristendes gewahrt. Hierzu war dieser Termin – wie in der Zuschrift des Generalbundesanwalts ausgeführt – auch geeignet, da in ihm zur Sache verhandelt wurde (zu den Anforderungen vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – 5 StR 496/20, NStZ 2021, 381).“

Und dann hatte sich der Angeklagte gegen die Verwertung von EncroChat-Daten gewendet. Auch insoweit – natürlich – erfolglos:

„Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Verwertung von EncroChat-Daten wendet, ist die Rüge mangels Vortrags der maßgeblichen Verfahrenstatsachen unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Ein solcher war entgegen der Revision auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil „das Vorgehen der Ermittlungsbehörden im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die EncroChat-Nutzer und die neueren Erkenntnisse [zur] Zusammenarbeit der deutschen, französischen und europäischen Behörden“ dem Senat bereits „hinreichend bekannt“ wären. Zu derartigen Umständen existieren keine für das hiesige Verfahren bindenden Feststellungen; solche wurden auch in früheren Revisionsverfahren des Senats nicht getroffen.“

Zu Letzterem. Mal sehen, was sich heute am 05.09.2023 tut. Denn es ist für heute – 9.30 Uhr – die Entscheidung des BVerfG im Verfahren 2 BvR 558/22 angekündigt (vgl. hier). Ich vermute, dass wir nach der Entscheidung des BVerfG die Geschichte über EncroChat nicht neu schreiben müssen. Wenn das BVerfG überhaupt Fehler in der Datenerhebung bejaht, wird es die m.E. über die Abwägungslehre glatt ziehen. Aber spannend bleibt es.

 

OWi II: Unterbrechung der Verfolgungsverjährung?, oder: Nicht durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung

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Und dann gleich noch einmal Verjährung, nämlich im KG, Beschl. v. 14.06.2023 – 3 ORbs 108/23 – zur Frage der Unterbrechung der Verfolgungsverjährung durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG.

Die Frage hat das KG verneint:

„1. Auf die Sachrüge ist bereits v.A.w. zu prüfen, ob die Prozessvoraussetzungen vorliegen (vgl. BGHSt 21, 242). Diese ergibt, dass Verfolgungsverjährung bereits eingetreten war, als die Amtsanwaltschaft die Akten am 4. Oktober 2022 dem Gericht nach § 69 Abs. 4 Satz 2 OWiG vorgelegt hat.

a) Ausweislich des dem Senat im Wege des Freibeweises zugänglichen Akteninhalts hat der Betroffene die verfahrensgegenständliche Handlung am 13. August 2021 begangen. Da sein Aufenthalt nicht ermittelt werden konnte, hat die Polizei am 22. Oktober 2021 das Verfahren vorläufig eingestellt, wodurch der Lauf der dreimonatigen Verfolgungsverjährung unterbrochen wurde (§ 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG). Am 11. November 2021 hat sie die Anhörung des Betroffenen veranlasst, so dass bei Zustellung des Bußgeldbescheides vom 14. Dezember 2021 am 6. Januar 2022 die dreimonatige Verjährungsfrist nach §§ 31 Abs. 1 Nr. 9 OWiG, 26 Abs. 3 StVG noch nicht abgelaufen war. Die durch die Zustellung bewirkte Unterbrechung hatte nach § 26 Abs. 3 StVG zugleich die Verlängerung der Frist der Verfolgungsverjährung von drei auf sechs Monate zur Folge. Diese am 5. Juli 2022 abgelaufene Frist ist nicht erneut unterbrochen worden.

b) Weder der Eingang der Akten beim Gericht am 17. Mai 2022 zwecks Entscheidung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Betroffenen (§§ 69, 62 OWiG) noch die Rückgabe der Akten nach Erlass des Beschlusses haben zu einer weiteren Unterbrechung der Verfolgungsverjährung nach § 31 Abs. 1 Nr. 10 OWiG geführt. Denn die Übersendung der Akten hat keine Aktenübersendung i.S.v. § 69 Abs. 3 OWiG dargestellt, weil die hiesige Vorlage auf anderen als den in diesen Regelungen genannten Gründen beruhte (vgl. Gürtler/Thoma in Göhler OWiG 18 Aufl., § 33 Rn 33a f m.w.N.). Auch deren Rücksendung hat nicht der weiteren Aufklärung des Sachverhalts gedient, wie es § 69 Abs. 5 Satz 1 OWiG erfordert.

c) Die Durchführung des Verfahrens nach §§ 69, 62 OWiG hat ebenfalls zu keiner weiteren Unterbrechung der Verjährung geführt. Zwar ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass auch die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (und gleiches gilt auch für die Gewährung der Wiederaufnahme eines Verfahrens) dazu führen kann, dass mit der Entscheidung über die Wiedereinsetzung die Frist der Verfolgungsverjährung erneut zu laufen beginnt (für die Wiedereinsetzung: OLG Stuttgart MDR 1986, 608; OLG Düsseldorf MDR 1988, 794; Gürtler/Thoma a.a.O., Vor § 31 Rn. 2b; Ellbogen in KK OWiG 5. Aufl., § 31 Rn. 37 – auch für die Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens). Das setzt aber jeweils voraus, dass der Bußgeldbescheid bereits vor der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und vor Eintritt der Verfolgungsverjährung tatsächlich in (Voll-)Rechtskraft erwachsen war (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. April 2019 – 1 Rb 7 Ss 39/19 -, juris m.w.N.).

Es bedarf keiner Entscheidung, ob die hiesige Fallkonstellation der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder der Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens gleichsteht, weil jedenfalls der Bußgeldbescheid vor Eintritt der Verfolgungsverjährung am 5. Juli 2022 nicht in Rechtskraft erwachsen war. Der Betroffene hat mit dem Schreiben vom 7. Januar 2022 innerhalb der 14-tägigen Frist Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt. Infolgedessen war auch nach Auffassung der Polizei der Bußgeldbescheid nicht rechtskräftig geworden. Die Verwerfung des Einspruchs der Verteidigerin durch die Polizei am 26. April 2022 gegen den Bußgeldbescheid als unzulässig hat ebenfalls nicht zur Rechtskraft geführt, weil die Verteidigerin am 5. Mai 2022 und damit fristgerecht einen Antrag auf gerichtlichen Entscheidung nach § 62 OWiG gestellt hat.

Wegen der bereits am 5. Juli 2022 eingetretenen Verfolgungsverjährung ist offensichtlich, dass auch die Entscheidung des Gerichts über diesen Antrag am 25. Juli 2022 zu keiner weiteren Unterbrechung führen konnte.

d) Selbst wenn das Gericht vor Ablauf des 5. Juli 2022 entschieden hätte, hätte dies zu keiner anderen Betrachtung geführt. Mit dem Beschluss hat das Gericht den Bescheid der Polizei in der Rechtsfolge aufgehoben; lediglich der Schuldspruch ist in Rechtskraft erwachsen. Denn nach den Ausführungen des Gerichts hat es das Schreiben des Betroffenen vom 7. Januar 2022 als ein auf die Rechtsfolge beschränkten Einspruch ausgelegt. Die damit eingetretene sog. horizontale Rechtskraft hat nicht die Rechtswirkung einer Vollrechtskraft und steht der Berücksichtigung von Verfahrenshindernissen nicht entgegen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Februar 1999 – 2 Ss (OWi) 14/99 – (OWi) 4/99 II -, juris m.w.N.).“

StPO II: Unterbrechung/Begriff der Sachverhandlung, oder: Wenn es nach dem Feueralarm nicht weitergeht

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Als zweite StPO-Entscheidung stelle ich den BGH, Beschl. v. 03.08.2022 – 5 StR 47/22 – zum Begriff der Sachverhandlung (§ 229 StPO) vor.

Das LG hat die Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges verurteilt. Dagegen haben die Angeklagten Revision eingelegt, die sie u.a. auf die Verfahrensrüge einer Verletzung von § 229 Abs. 1 und 4 StPO, weil im Hauptverhandlungstermin vom 27.11.2020 nicht verhandelt worden sei. gestützt haben. Die Rüge hatte beim BGH keinen Erfolg:

„1. Die von allen Angeklagten erhobenen Rügen einer Verletzung von § 229 Abs. 1 und 4 StPO , weil im Hauptverhandlungstermin vom 27. November 2020 nicht verhandelt worden sei, sind unbegründet.

a) Den Rügen liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Der betreffende Hauptverhandlungstermin begann um 9 Uhr. Zu Beginn teilte der Mitangeklagte F. der Strafkammer seine neue Wohnanschrift mit. Anschließend ordnete die Vorsitzende die Fortsetzung der Vernehmung des vor dem Sitzungssaal wartenden Zeugen S. an. Bevor diese begonnen werden konnte, wurden auf Initiative eines Verteidigers der Inhalt bereits gestellter Ablehnungsgesuche sowie die Frage erörtert, inwieweit Mitangeklagte sich den entsprechenden Anträgen angeschlossen haben. Währenddessen wurde Feueralarm ausgelöst, weshalb das Gerichtsgebäude geräumt werden musste. Grund hierfür war ein Kabelbrand, der auch zu einem Stromausfall führte. Angesichts dessen regten mehrere Verteidiger die Vertagung der Hauptverhandlung an. Die Vorsitzende ordnete indes um 9.40 Uhr lediglich die Unterbrechung bis 11 Uhr an; anschließend sollte der Zeuge S. vernommen werden.

Die Hauptverhandlung konnte allerdings an diesem Tag nicht wie beabsichtigt fortgesetzt werden, weil der Sitzungssaal im weiteren Verlauf durch die Feuerwehr, die den Brandherd in diesem Raum vermutete, gesperrt wurde und ein Ausweichsaal nicht verfügbar war. Die Vorsitzende erklärte die Hauptverhandlung an diesem Tag deswegen um 11.10 Uhr für beendet. Die Verfahrensbeteiligten wurden vor dem Sitzungssaal entlassen. Der nächste Hauptverhandlungstag fand am 11. Dezember 2020 statt.

b) Die Rügen sind unbegründet.

aa) Eine Hauptverhandlung gilt im Sinne des § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO als fortgesetzt und muss demgemäß nicht ausgesetzt werden, wenn in einem Fortsetzungstermin zur Sache verhandelt wird. Das ist der Fall, wenn Prozesshandlungen vorgenommen werden oder Erörterungen zu Sach- oder Verfahrensfragen stattfinden, die geeignet sind, das Verfahren inhaltlich auf den Urteilsspruch hin zu fördern und die Sache ihrem Abschluss substantiell näher zu bringen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – 5 StR 496/20 , NStZ 2021, 381).

Indes kann auch in der Befassung lediglich mit Verfahrensfragen eine Förderung des Verfahrens in der Sache liegen, wenn deren Ziel die Klärung ist, durch welche Untersuchungshandlungen der Aufklärung des Sachverhalts Fortgang gegeben werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn die für den Fortsetzungstermin in Aussicht genommene sonstige Förderung des Verfahrens infolge unvorhersehbarer Ereignisse nicht stattfinden kann. Denn es sind regelmäßig Situationen vorstellbar, in denen eine Hauptverhandlung aufgrund solcher Geschehnisse nur in wesentlich geringerem Umfang als geplant, möglicherweise sogar nur durch eine Entscheidung über die Unterbrechung des Verfahrens nach § 228 StPO gefördert werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2017 – 3 StR 262/17 , NStZ 2018, 297, 298 mwN).

bb) Danach wurde in der Sitzung vom 27. November 2020 zur Sache verhandelt. Die Hauptverhandlung sollte an diesem Tag um 9 Uhr mit der Vernehmung eines Zeugen fortgesetzt werden. Nur aufgrund einer auf einen Verteidiger zurückgehenden Erörterung bereits vorliegender Ablehnungsgesuche konnte der Zeuge nicht unmittelbar nach Sitzungsbeginn vernommen werden. Anders als von der Verteidigung erbeten, unterbrach die Vorsitzende nach der infolge des Feueralarms angeordneten Räumung des Gerichtsgebäudes die Sitzung lediglich für eine Stunde und zwanzig Minuten, um anschließend die für diesen Verhandlungstag geplante Beweisaufnahme durchzuführen. Dass dies letztlich nicht möglich war, lag nicht in der Macht der Strafkammer, sondern daran, dass die Feuerwehr den Sitzungsraum gesperrt und kein Ausweichsaal zur Verfügung gestanden hatte. Unter diesen – unvorhersehbaren – Umständen konnte die Strafsache ihrem Abschluss nur durch die Anordnung der Unterbrechung der Hauptverhandlung nach § 228 StPO substantiell näher gebracht werden. Andernfalls hätte die Hauptverhandlung allein aufgrund eines unvorhersehbaren Ereignisses ausgesetzt und mit ihr von neuem begonnen werden müssen ( § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO ). Dies stünde aber weder mit der Verfahrensökonomie noch mit dem Anspruch des Angeklagten auf einen zügigen Abschluss des Verfahrens in Einklang (vgl. BGH aaO).“

StPO I: War der HV-Termin eine Sachverhandlung?, oder: Erörterung zur Invollzugsetzung des Haftbefehls

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Heute dann ein StPO-Tag, und zwar mit BGH-Entscheidungen.

Zunächst hier dann der BGH, Beschl. v. 15.02.2022 – 4 StR 503/21 – zu einem verfahrensrechtlichen Dauerbrenner. Nämlich Verstoß gegen § 229 StPO – keine Sachverhandlung. Der Sachverhalt ergibt sich aus dem BGH-Beschluss:

„Das Landgericht hat den Angeklagten wegen leichtfertiger Geldwäsche in vier Fällen sowie wegen Beihilfe zum Betrug in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit einer Verfahrensbeanstandung und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge Erfolg; auf die Sachrüge kommt es danach nicht mehr an.

Der Angeklagte beanstandet zu Recht einen Verstoß gegen § 229 Abs. 1 StPO. Die Hauptverhandlung wurde nach vier Verhandlungstagen länger als drei Wochen unterbrochen. Am 14. Juni 2021, dem letzten Tag der Unterbrechungsfrist, wurde sie nicht im Sinne von § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO fortgesetzt.

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Nach ständiger Rechtsprechung gilt eine Hauptverhandlung dann als fortgesetzt, wenn zur Sache verhandelt und das Verfahren gefördert wird. Dies ist stets der Fall, wenn es zu Verfahrensvorgängen kommt, die die zur Urteilsfindung führende Sachverhaltsaufklärung betreffen. Auch die alleinige Befassung mit Verfahrensfragen kann ausreichend sein, sofern es dabei um den Fortgang der Sachverhaltsaufklärung geht (Senat, Urteil vom 16. Januar 2014 – 4 StR 370/13, NStZ 2014, 220; BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2015 – 3 StR 202/15, NStZ 2016, 171, und vom 19. Januar 2021 – 5 StR 496/20, NStZ 2021, 381).

Nach dieser Maßgabe hat am 14. Juni 2021 eine Verhandlung im Sinne des § 229 Abs. 1 StPO nicht stattgefunden. Die Prüfung und Erörterung, ob der außer Vollzug gesetzte Haftbefehl wegen Verstoßes des Angeklagten gegen die Auflage, dem Gericht unverzüglich seine neue Anschrift mitzuteilen, wieder in Vollzug zu setzen war, betraf nicht den Fortgang der Aufklärung des Sachverhalts. Auch war, wie die Revision zutreffend ausführt (…), wegen der Anordnung der Vorführung des Angeklagten die Durchführung der Beweisaufnahme möglich, da dessen Anwesenheit in der Hauptverhandlung vom 14. Juni 2021 sichergestellt war. Mithin lag kein Umstand vor, dass die möglicherweise für den Fortsetzungstermin in Aussicht genommene weitere Förderung des Verfahrens in der Sache infolge unvorhersehbarer Ereignisse nicht stattfinden konnte (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 5. November 2008 – 1 StR 583/08, NJW 2009, 384).

Das Beruhen des Urteils im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO auf einem Verstoß gegen § 229 StPO kann regelmäßig – wie auch hier – nicht ausgeschlossen werden (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Mai 2013 – 4 StR 106/13, StV 2014, 2 m.w.N.). Ein besonders gelagerter Ausnahmefall, in dem die Fristüberschreitung ersichtlich weder den Eindruck von der Hauptverhandlung abgeschwächt noch die Zuverlässigkeit der Erinnerung beeinträchtigt hat, liegt hier nicht vor.“

Dem tritt der Senat bei und bemerkt ergänzend, dass auch die im Hauptverhandlungstermin am 14. Juni 2021 vorgenommene Dolmetschervereidigung keine Verhandlung zur Sache darstellte. Denn hiermit wurden erst die notwendigen Voraussetzungen geschaffen, damit an diesem Termin die Verhandlung überhaupt fortgesetzt werden konnte, das Verfahren mithin noch nicht sachlich gefördert (vgl. zu einer Pflichtverteidigerbestellung BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2007 – 3 StR 254/07, NStZ 2008, 115 mwN).“

Verkehrsrecht II: Fahren mit „rotem Kennzeichen“, oder: Unterbrechung der Probefahrt

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Im zweiten Posting des Tages stelle ich dann den KG, Beschl. v. 17.09..2020 – 3 Ws (B) 189/20 – vor. Dre hat mal eine ganz andere Problematik als Fahrverbot, Einsicht in Messunterlagen usw. zum Gegenstand.

Folgender Sachverhalt:

„Der Betroffene fuhr am 26.6.2019 um 18.15 Uhr mit dem PKW, das – wie ihm bewusst war – lediglich über das rote Kurzzeitkennzeichen B –xxx verfügte, zu einem Restaurant in der H.-straß in B., weil er sich dort etwas zu essen holen wollte bzw. dort etwas essen wollte. Er stellte das Fahrzeug an der genannten Anschrift im absoluten Halteverbot ab und begab sich ins Restaurant.

Im Rahmen der rechtlichen Würdigung führt das Gericht weiter aus:

Bei der Fahrt zum Restaurant handelte es sich – unabhängig davon, ob der Betroffene sich dort Essen holen wollte oder ob er das Essen dort verzehren wollte – nicht um eine privilegierte Fahrt nach § 16 Abs. 1 Satz 1 FZV und damit um ein Inbetriebnehmen ohne die erforderliche Zulassung. Dies gilt … auch dann, wenn sich der Betroffene – was nicht zu widerlegen ist – eigentlich auf einer Probefahrt war. In diesem Fall hätte er das Fahrzeug zunächst zum Autohandel zurückbringen müssen.

Das Gericht führt dann weiter sinngemäß aus, dass der vom Betroffenen genannte Grund für die Unterbrechung der Probefahrt – Essen holen oder Essen gehen – nicht im Zusammenhang mit einem nach § 16 Abs. 1 Satz 2 FZV anerkannten Fahrzweck stehe. Es sich daher auch nach dieser Sachlage nicht um eine privilegierte Fahrt nach § 16 FZV gehandelt habe.2

Das AG hat den Betroffenen verurteilt. Die Rechtsbeschwerde hatt beim KG keinen Erfolg. Dazu die Leitsätze des KG:

1. Ein Betroffener, der ein Fahrzeug mit rotem Kennzeichen zu anderen als in § 16 genannten Zwecken auf öffentlichem Straßenland steuert, führt ein Fahrzeug ohne Zulassung nach § 3 Abs. 1 FZV.

2. An die Prüfung und die Anerkennung der Notwendigkeit eines anderen als in § 16 genannten Zweckes sind hohe Maßstäbe anzulegen, die das (spontane) Verlangen nach Essen ohne weitere Feststellungen jedenfalls nicht erfüllt. Dabei handelt es sich um eine zweckfremde Unterbrechung.