Schlagwort-Archive: Umzug

Schöffen II: Schöffe meldet seinen Umzug nicht, oder: Kein Ordnungsgeld, wenn das keine Folgen hat

Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

In der zweiten Entscheidung, dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 06.03.2023 – 1 Ws 111/22 – nimmt das OLG Stellung zur Auferlegung eines Ordnungsgeldes (§ 56 GVG) und der Kosten auf eine Schöffin. Die war verzogen und hatte ihren Umzug dem LG nicht mitgeteilt. Daher war die schriftliche Ladung zu einem Hauptverhandlungstermin mit dem Vermerk des Zustellers „Empfänger verzogen“ in den Postrücklauf des Landgerichts gelangt. Da die Schöffin jedoch telefonisch über den 1. Hauptverhandlungstermin informiert werden konnte, war sie zur Hauptverhandlung erschienen und hatte an der Hauptverhandlung teilgenommen. Erst danach ist die unterlassene Anzeige des Umzugs aufgefallen.Die Strafkammer hat dann ein Ordnungsgeld in Höhe von 100,00 EUR festgesetzt und der Schöffing die ggf. entstandenen Mehrkosten des Verfahrens auferlegt.

Dagegen die Beschwerde der Schöffin, die Erfolg hatte:

„2. In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg; die Auferlegung eines Ordnungsgeldes und der durch die Durchführung des Hauptverhandlungstermins vom 28. September 2022 entstanden Mehrkosten an die Beschwerdeführerin hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) § 56 Abs. 1 Satz 1 GVG normiert, dass „gegen Schöffen […] die sich ohne genügende Entschuldigung zu den Sitzungen nicht rechtzeitig einfinden oder sich ihren Obliegenheiten in anderer Weise entziehen […] ein Ordnungsgeld festgesetzt“ wird. Nach § 56 Abs. 2 Satz 2 GVG werden „zugleich“ „ihnen auch die verursachten Kosten auferlegt“. Ein Ermessen auf Rechtsfolgenseite räumt die Bestimmung nicht ein, liegen ihre Voraussetzungen vor, sind die normierten Folgen zwingend auszusprechen.

Welche sonstigen Obliegenheiten von dieser Vorschrift umfasst sind, ist darin nicht näher geregelt. Aus dem Oberbegriff des nicht rechtzeitigen Einfindens zu den Sitzungen wird deutlich, dass die Vorschrift des § 56 Abs. 1 GVG ausschließlich der Sicherung der Hauptverhandlung dient. Entsprechend können „Obliegenheiten“, deren sich der Schöffe „in anderer Weise entzieht“ nur solche sein, die das Hauptverfahren sichern.

Um einer uferlosen Ausweitung dieses Begriffs entgegenzuwirken, sind darunter nur solche prozessualen Mitwirkungspflichten zu verstehen, die gewährleisten, dass das Gericht in ordnungsgemäßer Besetzung nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verhandeln und entscheiden kann (KG, Beschluss vom 31. Juli 2020, 3 Ws 157/20, Rz. 11, zit. n. juris; KG, Beschluss vom 08. April 1999, 4 Ws 35/99, 1 AR 1657/96, Rn. 2, NStZ 1999, 427; OLG Frankfurt NJW 1992, 3183; OLG Frankfurt NStZ 1990, 503; Barthe in: Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Auflage, zu § 56 GVG, Rz. 3; Schuster in: Münchener Kommentar, StPO, 1. Auflage, zu § 56 GVG, Rz. 5; Gittermann in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, zu § 56 GVG, Rz. 4); maßgeblich ist mithin, ob eine Obliegenheitsverletzung zu einer Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung geführt hat.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze sind die Verhängung von Ordnungsgeld und die Auferlegung von Kosten nicht zu rechtfertigen.

(1.) Es kann dahin gestellt bleiben, ob die Nichtanzeige des Wohnungswechsels außerhalb des Landgerichtsbezirks eine Obliegenheitsverletzung darstellt und ob ggf. eine leichte Fahrlässigkeit – wie wohl vorliegend – ausreichend oder zur Vermeidung einer uferlosen Ausdehnung der Norm eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Begehungsweise zu fordern ist (vgl. dazu OLG Frankfurt NStZ 1990, 503 f.). Jedenfalls führte das Unterlassen der Anzeige des Wohnungswechsels am 28. September 2021 weder zu einer Unterbrechung noch zu einer Aussetzung der Hauptverhandlung am 28. September 2021. Zwar ist die an die Beschwerdeführerin gerichtete Terminladung als „nicht zustellbar“ in Rücklauf geraten, jedoch konnte sie durch die Geschäftsstelle noch rechtzeitig mündlich über den Hauptverhandlungstermin informiert werden, so dass die Hauptverhandlung an diesem Tag in Anwesenheit der Beschwerdeführerin durchgeführt werden konnte.

(2.) Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin an den Fortsetzungsterminen nicht hätte teilnehmen wollen, sind nicht ersichtlich; ihre Teilnahme im Termin am 28. September 2021 spricht dagegen. Der Aussetzungsbeschluss der Kammer vom 1. Oktober 2021 war nicht veranlasst, da eine etwaige spätere Streichung der Beschwerdeführerin aus der Schöffenliste die Revision nicht begründen kann. Denn die Unanfechtbarkeit der Streichung aus der Hauptschöffenliste gem. § 52 Abs. 4 GVG (vgl. dazu OLG Koblenz NStZ-RR 2015, 122; siehe auch BGHSt 30, 255f.; RGSt 39, 306) führt zwar zu einer Änderung der Kammerbesetzung für noch bevorstehende Hauptverhandlungen, jedoch kann die Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 1 StPO) nicht auf eine Entscheidung über die Streichung gestützt werden (vgl. § 336 S. 2 StPO), wenn es sich nicht um einen Fall der Entziehung des gesetzlichen Richters handelt. Eine Richterentziehung würde bei alledem bei einer auf einem Verfahrensirrtum beruhenden gesetzwidrigen Besetzung nicht vorliegen (vgl. BVerfGE NJW 1971, 1033), denn sie setzt eine objektiv willkürliche Maßnahme voraus, d.h. eine Maßnahme, die auf unsachlichen, sich von den gesetzlichen Maßstäben völlig entfernenden Erwägungen beruht und unter keinen Umständen mehr vertretbar erscheint (vgl. BVerfG NJW1976, 2128; BVerfG NJW 1984, 1874; BGH 26, 206, 211; OLG Karlsruhe NStZ 1981, 272; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, 65. Aufl., § 16 GVG Rn. 6, 8, § 52 GVG Rn. 4). Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben, da eine Kenntnis vom Wohnsitzwechsel vor Beginn der Hauptverhandlung nicht bestand.

(3.) Ergänzend ist anzumerken, dass die Auferlegung der Verfahrenskosten an die Beschwerdeführerin acht Monate nach Urteilsverkündung und über drei Monate nach eingetretener Rechtskraft nicht mehr hätte ergehen dürfen. Zwar besagt § 56 GVG nichts darüber, wann eine Entscheidung nach Abs. 1 spätestens zu treffen ist. Die diese Norm jedoch ähnlich wie für das Ausbleiben von Zeugen (§ 51 StPO) konzipiert ist, ist eine entsprechende Auslegung geboten. Mithin ist eine Entscheidung nach § 56 Abs. 1 GVG spätestens dann zu erlassen, wenn die Hauptsache zur Entscheidung reif ist. Denn mit der abschließenden Entscheidung ist auch über die Kosten des Verfahrens zu befinden, so dass Klarheit herrschen muss, welche Kosten von dem Angeklagten im Fall seiner Verurteilung zu tragen sind (vgl. Gittermann in: Löwe-Rosenberg, StPO, Bd. 11 (GVG), 27. Aufl., § 56 GVG Rn. 11; Schuster in: Münchner Kommentar, StPO, Bd. 3/2, § 56 GVG, Rn.12; siehe auch: BGHSt 43, 146, 148 unter Aufgabe von BGHSt 10, 126; OLG Dresden NStZ-RR 2000, 31; KG, Beschluss vom 30. Mai 2002, 4 Ws 143/01; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. § 465, Rz. 4).“

Räumungsklage gegen Meerschweinchen

© Eric Isselée – Fotolia.com

Nach Rückkehr aus dem Kurzurlaub – übrigens kein „Rentnerstress“ wie der Kollege Hoenig meint 🙂 – dann kurz die Meldung zu einer (erfolgreichen) Räumungsklage der besonderen Art. Am Donnerstag ist vor dem VG Münster ein Verfahren gegen die Uni Münster zu Ende gegangen, in dem eine Anwohnerin dagegen geklagt hatte , dass im Hinterhof des Instituts für Neuro- und Verhaltensbiologie an der Badestraße in Münster Meerschweinchen gehalten werden. Sie hatte Erfolg, zumindest teilweise. Der Stall steht zu nah an der Grenze. Die Uni muss den Stall zwar nicht beseitigen, die Meerschweinchen allerdings müssen umziehen. Scheint keinen Räumungsschutz zu geben :-). Mehr dann hier bei den „Westfälischen Nachrichten“.

„Wiedervereinigung“ beim BGH – oder „Heim ins Mutterhaus“

Man hat den Eindruck, dass der Präsident des BGH Klaus Tolksdorf nicht genug zu tun hat mit dem Besetzungsstreit um den Richter am BGH Fischer. Er eröffnet nämlich eine – in meinen Augen – zweite Baustelle, über die auch schon bei LTO berichtet worden ist (vgl. hier und auch hier das Posting bei JuraExamen). Der Präsident will den BGH wieder vereinen, sprich: Der 5. Strafsenat soll von Leipzig nach Karlsruhe wechseln, also „heim ins Mutterhaus.

Begründung – so bei LTO: „Ein Außensenat kostet nicht nur viel Geld, er bringt auch sonst viele Nachteile mit sich.“ Dies sei vergleichbar mit Bundesministerien, die sowohl in Bonn als auch in Berlin vertreten seien. Auch sie strebten eine einheitliche Verwaltung an. In der Leipziger Außenstelle sind etwa 20 Mitarbeiter beschäftigt.“

Prompt kam, was kommen musste: Protest kam von der sächsischen CDU-Landtagsfraktion. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) müsse in Leipzig bleiben, sagte der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Marko Schiemann. Es sei Anfang der 90er Jahre ausdrücklicher Wille der unabhängigen Föderalismuskommission gewesen, beim Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen in den neuen Bundesländern einen Senat des BGH in Leipzig anzusiedeln. Es sollte auch nicht an der Regelung gerüttelt werden, dass Karlsruhe bei Gründung eines neuen Zivilsenates einen weiteren Strafsenat nach Leipzig abgeben muss. Schiemann: „Wir würden eine Zusammenführung begrüßen, wenn sie in Leipzig stattfände.“ Hintergrund für Letzeres: „Tolksdorf hatte gesagt, wenn eine Zusammenlegung nicht umzusetzen sei, müsse die sogenannte Rutschklausel fallen. Sie besagt: Wenn in Karlsruhe ein neuer Zivilsenat gegründet wird, wechselt ein Strafsenat nach Leipzig.“

Also zweite Baustelle eingerichtet, denn die Sachsen werden sich, wie man sieht/liest, den 5. Strafsenat sicherlich nicht „kampflos“ weg nehmen lassen.

Im Übrigen. Auf LTO (vgl. hier) ein schöner Kommentar zu der Meldung, in dem darauf hingewiesen wird, dass man ja wohl nur dann von „Wiedervereinigung“ sprechen könne – falls Tolksdorf es denn getan hat -, wenn es darum gehe ehemals zusammengehörige Teile, die dann getrennt worden sind, wieder zusammenzuführen. Das war aber beim 5. Strafsenat nie der Fall. Der war nie in Karlsruhe ansässig, sondern von Anfang an in Berlin und dann in Leipzig (dazu JuraExamen). Also die Begründung der Wiedervereinigung passt nicht. Man kann allerdings darum streiten, ob es (weiter) Sinn macht, einen Senat „auszulagern“. Auf der anderen Seite: Warum nicht? Das Kostenargument zieht m.E. nicht. Die Kosten sind m.E. bei 20 Mitarbeitern überschaubar. Und welche Nachteile sonst?e

Wir sind nach Umzug wieder da!!! –

Hallo, ich kann alle besorgten Anfrager :-), wo wir denn sind, beruhigen. Wir waren nur temporär nicht erreichbar. Grund: Beim Umzug hat es nicht vorhersehbar Schwierigkeiten gegeben, oder: was schief gehen kann, geht dann auch schief – und dann natürlicha uch am Wochenende. Nun sind wir aber wieder unter neuer Adresse – blog.burhoff.de– wieder da und werden die Berichterstattung gleich wieder aufnehmen. Manchmal klappt es nicht so, wie man es sich wünscht.

Ach so: Und wer sich schon gefreut hatte, dass wir so still sind/waren. Zu früh gefreut :-).