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BAK von 2,33 Promille, oder: Strafmilderung bei Alkoholabhängigkeit

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Zum Rosenmontag passt dann ganz gut eine „Trunkenheitsentscheidung“, und zwar der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.12.2016 – 2 (10) Ss 656/16; 2 (10) Ss 656/16 – AK 251/16 – zur Versagung der Strafmilderung bei verminderter Schuldfähigkeit in einem Fall der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB).

Das LG musste bei der Bemessung der Strafe von einer BAK von 2,33 %o bei Tatbegehung ausgehen und hat – ohne sachverständige Beratung – eine alkoholbedingte erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) angenommen, wobei es auch nicht ausgeschlossen hat, dass der Angeklagte suchtkrank war. Im Weiteren wird im angefochtenen Urteil ausgeführt:

„Der Angeklagte weiß jedoch aufgrund seiner zahlreichen Vorstrafen davon, dass er nicht nur ein Alkoholproblem hat, sondern auch in alkoholisiertem Zustand immer wieder Straftaten begeht […]. Dennoch fehlte ihm jedenfalls bis ca. Sommer 2015, jedenfalls also bis zur Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat im März 2015, die Bereitschaft, sich mit dieser Problematik zu befassen, so dass es weiterhin zu Alkoholexzessen kam, so auch am Tatabend. Angesichts dieses straferschwerenden Aspekts hat die Strafkammer von der fakultativen Möglichkeit der Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB keinen Gebrauch gemacht.“

Dazu das OLG:

„2. Mit dieser Begründung erweist sich die Versagung einer Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB als rechtsfehlerhaft.

a) Allerdings ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Strafmilderung versagt werden kann, wenn die Verminderung des Schuldgehalts durch den in § 21 StGB beschriebenen Defektzustand durch andere schulderhöhende Umstände ausgeglichen wird. Dies ist insbesondere bei selbstverschuldeter Trunkenheit der Fall, jedenfalls dann, wenn sich aufgrund der persönlichen und situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten infolge der Alkoholisierung für den Angeklagten vorhersehbar erhöht hat (zusammenfassend OLG Hamm Blutalkohol 53, 482; LK-Schöch, StGB, 12. Aufl., § 21 Rn. 52 ff., jew. m.w.N.). Voraussetzung ist jedoch stets, dass dem Täter die Alkoholaufnahme zum Vorwurf gemacht werden kann. Dies kommt jedoch in der Regel nicht in Betracht, wenn der Täter alkoholkrank ist oder ihn der Alkohol zumindest weitgehend beherrscht (BGH NStZ 2004, 495; NStZ 2012, 687; OLG Hamm a.a.O.; Schönke/Schröder-Perron/Weißer, StGB, 29. Aufl., § 21 Rn. 20, jew. m.w.N.). Soweit die Strafkammer dies im vorliegenden Fall nicht ausschließen konnte, erscheint zwar zweifelhaft, ob diese Bewertung auf einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage beruht. Insbesondere, wenn es dem Angeklagten tatsächlich gelungen sein sollte, aus eigenem Antrieb den Alkoholkonsum über mehrere Monate hinweg einzustellen, spräche dies deutlich gegen eine Alkoholerkrankung im Sinn von Abhängigkeit (vgl. ICD-10 F 10.2). Jedoch reichen die getroffenen Feststellungen im Hinblick auf die sich daraus ergebende Dauer und den Umfang des Alkoholkonsums auch nicht aus, um die gegenteilige Annahme zu begründen. Im weiteren Verfahren wird sich zur Aufklärung die Zuziehung eines Sachverständigen empfehlen.

b) Zwar kann auch bei bestehender Alkoholabhängigkeit die Strafmilderung versagt werden, wenn der Täter vorwerfbar ihm angebotene Maßnahmen zur Bekämpfung seiner Sucht unterlässt (OLG Köln NStZ 1982, 250; LK-Schöch a.a.O., § 21 Rn. 58) oder sich der Täter in eine Situation begibt, in der sich das Risiko alkoholbedingter Straftaten vorhersehbar deutlich erhöht (BGHSt 49, 239; NStZ 2008, 619). Beides wird jedoch durch die vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht ausreichend belegt.

(1) Zwar ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass dem Angeklagten spätestens durch das Urteil des Amtsgerichts E vom 13.5.2014 die Notwendigkeit vor Augen geführt worden war, zur Bekämpfung seines Alkoholproblems Maßnahmen zu ergreifen. Indes hatte er im Tatzeitpunkt und auch noch darüber hinaus, nämlich bis zum Sommer 2015, die offensichtlich auch vom Amtsgericht E insoweit für ausreichend erachteten Beratungsgespräche wahrgenommen. Die die Versagung der Strafmilderung tragende Begründung, es habe dem Angeklagten, an der Bereitschaft gefehlt, sich mit seiner Alkoholproblematik auseinanderzusetzen, entbehrt danach einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage.

(2) Soweit ein zureichender Grund für die Versagung der Strafmilderung sich daraus ergeben könnte, dass sich der Angeklagte in eine Situation begeben hat, in der er damit rechnen musste, sich alkoholisiert ans Steuer zu setzen, findet sich dafür in den getroffenen Feststellungen ebenfalls kein ausreichender Anhalt………“

Nochmals: Wer säuft, ist selber schuld, oder: Doch nicht?

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Ich hatte ja bereits im Mai 2016 von der sich abzeichnenden Kontroverse zwischen den Strafsenaten des BGH in der Frage der Strafrahmenverschiebung bei verschuldeter/unverschuldeter Trunkenheit berichtet (vgl. hier: Auf dem Weg zum Großen Senat, oder: Wer säuft, ist selber schuld?).

Ausgangspunkt ist der BGH, Beschl. v. 15.10.2015 – 3 StR 63/15, in dem der 3. Strafsenat folgende Frage zur Diskussion gestellt hat:

„Der Tatrichter übt sein Ermessen bei der Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich nicht rechtsfehlerhaft aus, wenn er im Rahmen einer Gesamtwürdigung der  schuldmindernden Umstände die Versagung der Strafmilderung allein auf den Umstand stützt, dass die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters auf von diesem verschuldeter Trunkenheit beruht.“

Geantwortet haben inzwischen:

  • Der 5. Strafsenat im BGH, Beschl. v. 01.03.2016 – 5 ARs 50/15 – mit: Ja, und wir halten daran fest.
  • Der 1. Strafsenat im BGH, Beschl. v. 10.05.2016 – 1 ARs 21/15 – mit:
    • Der Umstand, dass die erhebliche Verminderung der Schuld-fähigkeit des Täters auf von diesem zu verantwortender Trunkenheit beruht, rechtfertigt für sich allein die Versagung einer Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nicht.“
  • Der 4. Strafsenat im BGH, Beschl. v. 28.04.2016 – 4 ARs 16/15
    • „1. Der Senat versteht die Anfrage des 3. Strafsenats wie folgt:

      a) Die Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB ist eine Ermessensentscheidung des Tatrichters.

      b) Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung kann im Einzelfall die selbstverschuldete Trunkenheit die Versa-gung der Strafmilderung tragen, auch wenn eine vorher-sehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse nicht festgestellt ist.

      2. Soweit der so verstandenen Anfrage Rechtsprechung des 4. Strafsenats entgegensteht, hält er daran nicht fest.“

Na, da kann man beim Großen Senat schon mal die Griffel anspitzen.

Der „besoffene“ Inlineskater – strafbar wegen einer Trunkenheitsfahrt?

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Allmählich erscheinen sie wieder im Straßenbild, die Inlineskater. Und daher kommt der LG Landshut, Beschl. v. 09.02.2016 – 6 Qs 281/15 – gerade passend zur Jahreszeit. Seine Fragestellung: Macht sich ein Inlineskater, der im alkoholisierten Zustand öffentliche Straßen befährt eine Trunkenheitsfahrt nahc § 316 StGB schuldig? Das LG Landshut hat die Frage verneint und ebenso – wie schon das AG Landshut – den Erlass eines Strafbefehls wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) abgelehnt. Begründung: Inlineskates sind nicht unter den Begriff des Fahrzeugs zu subsumieren:

„Zunächst ist festzuhalten, dass sich eine positive gesetzliche Definition des Begriffs Fahrzeug nicht findet, weder im StVG noch in der StVO bzw. StVZO und auch nicht im Strafgesetzbuch. Es finden sich nur negative Abgrenzungen. So stellt § 16 II StVZO klar, die Fortbewegungsmittel Schiebe- und Greifreifenrollstühle, Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller, Kinderfahrräder und ähnliche nicht motorgetriebene oder mit einem Hilfsantrieb ausgerüstete ähnliche Fortbewegungsmittel mit bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 6 km/h seien keine Fahrzeuge. Auch § 24 STVO enthält nur die negative Abgrenzung, dass Schiebe- und Greifreifenrollstühle, Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller, Kinderfahrräder und ähnliche nicht motorgetriebene Fortbewegungsmittel nicht Fahrzeuge im Sinne der Verordnung sind…….

…..Mit der herrschenden Meinung (vgl. u. a. BayVGH Urteil vom 01.10.2012 – Az. 11 BV 12.771, abgedruckt in Blutalkohol 49, 338; OLG Düsseldorf Urteil vom 12.07.2011 – Az. 1 U 242/10, abgedruckt in MDR 2012, 23; BGH a. a. O.; OLG Koblenz Urteil vom 10.01.2001 – Az. 1 U 881/99, abdruckt in DAR 2001, 167; Geppert in LK 12. Auflage (2009) § 142 Rn. 25; Greger/Zwickel Haftungsrecht des Straßenverkehrs 5. Auflage (2014) § 14 Ziffer VI Rn. 284; Burmann/Heß/Jahnke/Janker Straßenverkehrsrecht 23. Auflage § 24 Rn. 3, § 31 Rn. 1; Frank Zimmermann JuS 2010, 22, Uwe Böhrnsen NJW-Spezial 2009, 169; MD a. D. Klaus Wendrich NZV 2002, 212, Wolfgang Bouska NZV 2000, 472) ist die Beschwerdekammer aus nachstehender Gründen der Auffassung, dass Inlineskates nicht dem Fahrzeugbegriff unterfallen.

Grundsätzlich stellt § 24 I 1 StVO fest, dass Inlineskates als besondere Fortbewegungsmittel keine Fahrzeuge (im Sinne dieser Verordnung) sind. Diese Festlegung in dieser Vorschrift erfolgte im Lichte der bis dahin geltenden Rechtsprechung, die Inlineskates genauso bewertete (vgl. BGH a.a.O.). Auch die Begründung der StVO-Neufassung vom 06.03.2013 hält ausdrücklich fest, dass es bei der schon bestehenden Rechtslage verbleiben soll, dass Inlineskates keine Fahrzeuge sind. Gleicher Auffassung ist auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 20.06.2013 (AZ. 3 B 102.12).

Diese Einstufung der Inlineskates steht in Einklang damit, dass für Fahrzeuge ein Fahrbahnbenutzungszwang gemäß § 2 I StVO besteht. Inlineskatern ist die Benutzung der Fahrbahn hingegen ausdrücklich untersagt. Dies ergibt sich eindeutig aus der Anlage zu § 1 I der Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbots wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr (BKatV), dem Bußgeldkatalog (BKat). Nach dessen laufender Nummer 120 a i. V. m. § 49 I Nr. 26 StVO ist ein Betrag von 10 € dann verwirkt, wenn beim Inlineskaten (…) unzulässig Fahrbahn, Seitenstreifen oder Radweg benutzt wird.

Dass nur ausnahmsweise eine Benutzung der vorgenannten Straßenteile zulässig sein kann, ergibt sich aus dem Umstand, dass § 31 I 2, I 1 StVO – dann per Zusatzschild – Inlineskaten auf Fahrbahn erlauben kann. Diese Vorschrift wäre unnötig, wenn Inlineskates als Fahrzeuge gemäß § 2 I StVO die Fahrbahn benutzen müssen.

Weiter entbehren Inlineskates – entgegen der Fahrräder – auch der von § 66 a StVZO geforderten lichttechnische Einrichtungen. Sie haben, so schon das BayObLG a. a. O., keine Bremsleuchten (§ 53 II Satz 4 Nr. 2 StVZO). Sie entbehren auch eines mehrfachen Bremssystems, wie es Fahrzeugen eigen ist, was neben ihrer geringen Größe und geringen Eigengewichts gegen eine Einstufung als Fahrzeug spricht.

Damit verbleibt es dabei, dass Inlineskates als originäre Sportgeräte weiterhin der Vorschrift des § 31 I 1 StVO unterfallen, wonach sie als Sportgeräte (nur) besondere Fortbewegungsmittel sind und danach als Sport und Spiel auf Fahrbahn und Seitenstreifen sowie Radwegen grundsätzlich nicht erlaubt sind.

Zur Überzeugung der Beschwerdekammer gelten die vorgenannten Ausführungen unabhängig davon, ob der Fahrzeugbegriff der StVO/StVZO oder der des StVG oder des StGB gemeint ist. Auch wenn der ordnungsrechtliche Gedanke der StVO nicht uneingeschränkt auf das Strafrecht übertragen werden können sollte, erschließt sich die Notwendigkeit einer Differenzierung des Begriffs zwischen den Regelungswerken nicht. Konkrete gesetzliche Vorgaben hierfür sind nicht ersichtlich sind. Solche würde die Beschwerdekammer für eine unterschiedliche Sachbehandlung angesichts einer im Lichte der Einheitlichkeit der Rechtsordnung gebotenen Auslegung jedoch für erforderlich erachten. Die Einstufung der Inlineskater in § 24 StVO, die der Gesetzgeber dem Bundesgerichtshof folgend so durchführte, orientierte sich an einer möglichst geringen gegenseitigen Gefährdung oder Behinderung aller Verkehrsteilnehmer. Im Vergleich mit den als Fahrzeuge eingeordneten Fahrrädern spricht der größere Breitenbedarf der Skater, die etwas geringere Durchschnittsgeschwindigkeit, das geringe Eigengewicht und der längere Bremsweg für größere Behinderungen und Gefährdungen und somit gegen eine Zuweisung zum Fahrbahnverkehr.

Und insbesondere ist im Rahmen des StGB zu berücksichtigen, dass bei Zweifeln über den Umfang einer Strafvorschrift dessen ausweitende Auslegung mit der gebotenen „Einschränkung“ zu erfolgen hat. Eine Ausweitung des Tatbestands ohne konkrete gesetzliche Vorgabe zu Lasten der Täter würde eine Analogie zu Ungunsten bedeuten. Diese ist nach Art. 103 II GG unzulässig. Ausdrückliche Regelungen sind, soweit überhaupt, jedoch nur dergestalt vorhanden, dass Inlineskates gerade nicht als Fahrzeuge klassifiziert werden.“

Die (Eigen)Haftung des besoffenen Fußgängers

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Ich hatte in dieser Woche ja schon ein Posting zum „besoffenen Fußgänger“, das ging es allerdings um die Frage der MPU: Der besoffene Fußgänger auf der BAB – MPU. Von der (Grund)Thematik passt dazu das OLG Hamm, Urt. v. 17.04.2015 – 9 U 34/14. Da geht es um die Haftung eines Lkw-Fahrers, mit dem der Kläger als Fußgänger auf einem Parkplatz eines Lidl-Supermarktes ein unheilvolles Zusammentreffen hatte. Der im Unfallzeitpunkt mit 2,49 Promille alkoholisierte Kläger – schon eine ganz Menge – war als Fußgänger zwischen die Achsen des Sattelaufliegers des von dem Beklagten zu 1) gesteuerten und bei der Beklagten zu 2) krafthaftpflichtversicherten Lastzuges geraten. Der Kläger erlitt schwerste Verletzungen. Um den dafür zu leistenden Schadensersatz wurde gestritten. Die Klage ist abgewiesen worden. Das LG hatte wegen Verjährung abgewiesen, das OLG weist in der Sache ab. Eine Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger bestehe jedenfalls deshalb nicht, weil diesen ein weitaus überwiegendes Mitverschulden an dem Zustandekommen des Unfalls treffe, § 254 Abs. 1 BGB, § 9 StVG.

Das OLG sagt: Kein schuldhafter Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1), und zwar

  • nicht gegen § 9 Abs. 5 StVO, weil der Beklagte zu 1) nicht rückwärts gefahren ist,
  • nicht gegen § 1 Abs. 1 und 2 StVO verstoßen, weil nicht festgestellt werden kann, dass der Beklagte zu 1) auf das Auftauchen des Klägers zu spät oder unangemessen reagiert hat und durch eine ihm zumutbare Reaktion seinerseits den Unfall hätte vermeiden können,
  • nicht gegen § 3 Abs. 2a StVO, weil bereits nicht festgestellt werden kann  dass der Beklagte zu 1) während der 2 Sekunden währenden Annäherungsphase den Kläger überhaupt und dann noch als hilfsbedürftige Person i.S.d § 3 Abs. 2a StVO hätte erkennen können und müssen.

Und letztlich:

„Den Kläger trifft ein erhebliches Eigenverschulden an dem Zustandekommen des Unfalls, §§ 9 StVG i.V.m. 254 Abs. 1 BGB. Der Kläger hat gegen das für ihn bei der Teilnahme am Straßenverkehr auch als Fußgänger geltende und sich aus § 1 Abs. 2 StVO ergebende Rücksichtnahmegebot verstoßen. Der Kläger ist sehenden Auges mit nicht geringer Geschwindigkeit seitlich auf den hinteren Bereich des sich langsam vorwärts bewegenden Sattelzuges zugelaufen. Anschließend hat er sich mit beiden Händen an dem Aufbau abgestützt, was zur Folge hatte, dass er durch den vermittelten Drehimpuls zwischen die Hinterachsen des Aufliegers gestürzt ist. Das in höchstem Maße eigengefährdende und nicht verkehrsgerechte Verhalten des Klägers hat sich erwiesenermaßen als Gefahrenmoment in dem Unfall ursächlich niedergeschlagen. Das Fehlverhalten des im Unfallzeitpunkt mit 2,49 Promille alkoholisierten Klägers belegt zudem seine alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit selbst als Fußgänger. Denn es gibt keine andere Erklärung für die von den Zeugen beobachtete Verhaltensweise als eine alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit. Andere Ursachen, wie Unaufmerksamkeit oder Leichtsinn scheiden aus Sicht des Senats angesichts der Übersichtlichkeit der Örtlichkeit und des schnell zu registrierenden Fahrvorgangs aus, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger zuvor im Ladengeschäft und außerhalb des Sichtfeldes des Beklagten zu 1) auf dem Parkplatzgelände durch starkes Schwanken und einen torkelnden Gang den Zeugen D, T3 und T2 aufgefallen war.

7. Nach alledem ist bei der Haftungsabwägung auf Seiten der Beklagten nur die Betriebsgefahr des Sattelzuges zu berücksichtigen. Dass den Beklagten zu 1) ein Verschulden an dem Unfall trifft, ist – wie ausgeführt – nicht festzustellen. Demgegenüber wiegt das Verschulden des Klägers in Form des groben Verstoßes gegen die allgemeine Rücksichtnahmepflicht aus § 1 Abs. 2 StVO so schwer, dass dahinter die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs vollständig zurücktritt.“

 

Der besoffene Berufskraftfahrer – er haftet, zumindest teilweise

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Antwort auf die Frage: Haftet ggf. ein besoffener Kraftfahrer seinem Arbeitgeber für Schäden aus einem Unfall, der auf seine Trunkenheit zurückgeht, gibt das LAG Mainz, Urt. v. 08.01.2014, 7 Sa 84/13. Nach dem Sachverhalt war der Beklagte war bei der Klägerin als Kraftfahrer im Güterverkehr beschäftigt. Am Vorfallstag befuhr der Beklagte mit einem insgesamt 18 Meter langen, vollbeladenen 40 Tonnen schweren Gliederzug Mercedes, bestehend aus Lkw und Anhänger, die BAB. Der Beklagte kam mit dem Gliederzug ohne Beteiligung eines anderen Verkehrsteilnehmers nach rechts von der Fahrbahn in den angrenzenden Grünstreifen ab. Diesen fuhr er über eine Länge von ca. 85 Meter entlang, bis der Lkw sich im losen Erdreich festgefahren hatte. Hierdurch stürzte der Anhänger des Gliederzuges komplett auf die linke Seite, wodurch der Anhänger so stark beschädigt wurde, dass der größte Teil der Ladung (10.900 kg Weinflaschen auf Paletten) durch die zerstörte Stirnwand und das aufgerissene Dach des Anhängers auf die Fahrbahn fielen. Eine dem Beklagten entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 1,49 %.

Frage: Haftung des Beklagten? Das LAG sagt: Ja. Die Klägerin habe gegen den Beklagten gemäß §§ 280, 241 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, die Klägerin als seine Arbeitgeberin nicht zu schädigen, einen Anspruch auf Ersatz des ihr bei bzw. infolge des Verkehrsunfalls entstandenen Schadens.

Bei der Entstehung des Schadens hat der Beklagte nach Auffassung der Kammer grob fahrlässig gehandelt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist, d. h. wenn das nicht beachtet wurde, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen und wenn selbst einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden. Maßgeblich sind insoweit die persönlichen Umstände des Schädigers. Gemäß § 619 a BGB trägt der Arbeitgeber die Beweislast für das Verschulden des Arbeitnehmers und insbesondere für die den Grad des Verschuldens ausmachenden Tatsachen.

Dass sich ein unter einer starker Alkoholeinwirkung stehender Kraftfahrer nicht mehr an das Steuer seines Kraftfahrzeugs setzen darf und dass er in diesem Zustand andere Verkehrsteilnehmer, sich selbst und das von ihm benutzte Fahrzeug einer unverantwortlichen Gefährdung aussetzt, ist heute so sehr Allgemeingut, dass unbedenklich davon ausgegangen werden kann, dass bei jedem Kraftfahrer die Hemmschwelle für ein Fahren trotz erheblichen Alkoholgenusses stark heraufgesetzt ist. Der Fahrer, bei dem dies aus mangelnder Einsicht nicht der Fall ist, muss sich diese mangelnde Einsicht in der Regel als grobes Verschulden zurechnen lassen. Das gilt in besonderem Maße für den Beklagten als Berufskraftfahrer (vgl. BAG, Urteil vom 15. November 2012, 8 AZR 705/11 – zitiert nach […], Rn. 23).

Dadurch, dass der Kläger den 18 Meter langen, voll beladenen 40 Tonnen schweren Gliederzug, bestehend aus Lkw und Anhänger, der mit Eisenteilen und Paletten mit Weinflaschen beladen war, mit 1,49 Promille auf der Autobahn geführt hat, hat er die erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße verletzt. Ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille wird die absolute Fahruntüchtigkeit unwiderleglich vermutet. Dem Beklagten hätte im gegebenen Fall einleuchten müssen, dass er im betrunkenen Zustand den Gliederzug nicht mehr sicher führen kann. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Beklagte auch im Hinblick auf den entstandenen Schaden vorsätzlich gehandelt hat. Vorsatz setzt Wissen und Wollen des Schadens voraus. Nicht ausreichend ist der vorsätzliche Verstoß gegen Weisungen, solange nicht zusätzlich Vorsatz hinsichtlich des Schadens gegeben ist (BAG, Urteil vom 18. April 202 – 8 AZR 348/01NZA 2003, 37, 39). Der Arbeitnehmer muss den Schaden in seiner konkreten Höhe zumindest als möglich vorausgesehen und ihn für den Fall des Eintritts billigend in Kauf genommen haben. Allein das Wissen des Beklagten, Alkohol konsumiert zu haben und nicht mehr fahren zu dürfen, reicht nicht aus, den Vorsatz hinsichtlich der Fahruntüchtigkeit zu bejahen (vgl. BAG, Versäumnisurteil vom 23. Juni 1981 – 3 AZR 648/79AP Nr. 81 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers: grobe Fahrlässigkeit bei einer Trunkenheitsfahrt mit 1,39 Promille; Urteil vom 23. Januar 1997 – 8 AZR 893/95NZA 1998, 140 zur Trunkenheitsfahrt mit 1,41 Promille; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02. November 1995 – 7 Sa 843/95NZA-RR 1996, 443 zum mit 2,15 Promille verursachten Verkehrsunfalls). Die insoweit darlegungspflichtige Klägerin hat keine weiteren Umstände außer der von der Polizei um 11.32 Uhr festgestellten Blutalkoholkonzentration und der Tatsache, dass der Kläger von der Fahrbahn abgekommen ist, vorgetragen, die auf seinen Vorsatz in Abgrenzung zur groben Fahrlässigkeit schließen lassen würden. So ist beispielsweise nicht vorgetragen worden, wann der Kläger wieviel Alkohol getrunken hat, inwiefern er hieraus auf seine absolute Fahruntüchtigkeit schließen konnte, oder ob er erkennbare Ausfallerscheinungen hatte. Dies gilt insbesondere, da bei fortschreitender Trunkenheit die Kritik und Erkenntnisfähigkeit abnimmt.“

Allerdings: Der Beklagte hat den bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit verursachten entstandenen Schaden nicht in vollem Umfang zu tragen. Der betriebliche Charakter der Tätigkeit gehe nicht dadurch verloren – so das LAG . , dass der Arbeitnehmer bei Durchführung der Tätigkeit grob fahrlässig handelt oder vorsätzlich seine Verhaltenspflichten verletzt. Mangels Vorsatzes hat das LAG bei der Abwägung im Rahmen der Haftungsverteilung eine Kaappung der Haftung des Beklagten bei sechs Bruttomonatsgehältern angenommen.