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U-Haft I: Telefonieren aus der U-Haft in Corona-Zeiten, oder: Mit den Eltern schon, mit den Schwestern nicht

Bild von Stefan Kuhn auf Pixabay

Seit längerem heute dann mal wieder drei U-Haft-Entscheidungen.

Ich beginne mit dem AG Kempten, Beschl. v. v. 28.10.2020 – 1 Gs 3356/20 -, der an das gestrige Tagesthema anknüpft, also Corona. Es geht um das Telefonieren eines U-Haft-Gefangenen in Coronazeiten. Das AG hat ein Telefonat mit den Eltern, die in Tschechien wohnen, genehmigt, mit den Schwestern hingegen abgelehnt:

„Dem Antrag des Rechtsanwaltes pp. vom 20.10.2020, Telefonate zwischen den Eltern des Beschuldigten und dem Beschuldigten zu gestatten, war im Hinblick auf ein Telefonat stattzugeben.

Der Antrag, Telefonate zwischen den Schwestern des Beschuldigten und dem Beschuldigten zu gestatten, war zurückzuweisen.

Grundsätzlich widerspricht das Begehren eines Untersuchungsgefangenen, Telefonate mit Personen außerhalb der Justizvollzugsanstalt zu führen oder von solchen empfangen zu dürfen, sowohl dem Zweck der Untersuchungshaft als auch der Anstaltsordnung.

Telefonate können daher nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen genehmigt werden. Bei berechtigtem Interesse können Telefonate insbesondere mit Familienangehörigen im Einzelfall erlaubt werden. Bei Telefonaten mit nahen Familienangehörigen ist mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG ein großzügiger Maßstab angezeigt (vgl. BeckOK StPO/Kreuß, 37. Ed. 1.7.2020, StPO § 119 Rn. 20).

Vorliegend war ein Telefonat zwischen dem Beschuldigten und seinen Eltern zu genehmigen. Des von der Staatsanwaltschaft Kempten eingeräumte Besuchsrecht kann auf Grund der derzeitigen Lage im Hinblick auf die Corona-Pandemie nicht oder nur sehr erschwert ausgeübt werden. So Ist die Tschechische Republik derzeit vom Robert-Koch-Institut als Risikogebiet eingestuft, so dass sich diverse Reisebeschränkungen ergeben.

Des Weiteren ist derzeit nicht vorhersehbar, ob und wie sich die Besuchsregelungen in der JVA angesichts der epidemiologischen Entwicklung In naher Zukunft ändern.

Auch Im Hinblick auf das Alter der Eitern des Beschuldigten war aus diesen Gründen ein Telefonat zu genehmigen.

Ein Telefonat mit den Schwestern des Beschuldigten war vorliegend Jedoch nicht zu genehmigen.

Auch wenn die Einschränkungen des Besuchsrechts auch die Schwestern des Beschuldigten trifft, so Ist nach Ansicht des Gerichts dem Interesse des Beschuldigten auf Kontakt mit seiner Familie durch das Telefonat mit den Eltern genügend Rechnung getragen.

Eine Ausweitung von Telefonaten auf weitere Familienangehörige widerspricht dem Zweck der Untersuchungshaft als auch der Anstaltsordnung. Dies vor allem im Hinblick auf das erhebliche Gewicht der Tat und der erheblichen Verdunkelungsgefahr.

Hinsichtlich der Schwestern des Beschuldigten ist der Beschuldigte auf die Möglichkeit des Briefverkehrs zu verweisen, welcher ebenfalls eine Kontaktaufnahme ermöglicht.“

Telefonieren mit dem ausländischen Verteidiger …….

darum ging es einem rumänischen U-Haft-Gefangegen in dem dem Beschl. des OLG Köln v. 12.08.2010 – 2 Ws 498/10 – zugrunde liegenden Verfahren. Dies wurde nicht erlaubt. Das OLG führt dazu aus, dass einem Untersuchungshäftling keine richterliche Erlaubnis für ein Ferngespräch mit einem Verteidiger in anderer Sache im Ausland zu erteilen sei. Eine Versagung einer solchen Genehmigung sei in aller Regel geboten, da das Begehren des Untersuchungsgefangenen, Telefonate mit Personen außerhalb der Justizvollzugsanstalt zu führen oder von solchen zu empfangen, in der Regel dem Zweck der Untersuchungshaft widerstreite. Dies gelte unabhängig davon, ob dem Haftbefehl die Annahme einer Verdunklungsgefahr zu Grunde gelegt worden seioder nicht. Auch die bloße Fluchtgefahr seiinsoweit ausreichend, weil nicht gewährleistet werden könne, ob die Kontaktaufnahme tatsächlich zu einem Anwalt stattfindet.

Und verfahrensmäßig gilt: Nach der gesetzgeberischen Neuregelung des § 119 StPO obliegen derartige Entscheidungen nunmehr der Anstaltsleitung.