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AG III: OWi-Einstellung wegen unwirksamen Bußgeldbescheid, oder: Wofür Eintragungen im FAER manchmal gut sein können

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Und den Reigen der AG-Entscheidungen beschließe ich mit dem AG Schleswig, Beschl. v. 05.07.2018 – 53 OWi 107 Js 8757/18, mit dem das AG ein Bußgeldverfahren mit dem Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung wegen Verjährung eingestellt hat. Begründung: Der Bußgeldbescheid war unwirksam, da nicht konkret genug:

„Der Bußgeldbescheid vermag indessen die Verjährung die Verfolgungsverjährung nicht unterbrechen, da der vorliegend zu überprüfende Bußgeldbescheid vom 15.02.2018 unwirksam ist. Gemäß § 33 Abs. 1 §. 1 Nr. OWiG tritt die Verjährungsunterbrechung durch Erlass bzw. Zustellung des Bußgeldbescheides nur dann ein, wenn auch ein wirksamer Bußgeldbescheid vorliegt (Gerlter, BeckOK, OWiG, § 33 Rz. 112). Das ist vorliegend nicht der Fäll. Der von der Verteidigung angegriffene Bußgeldbescheid leidet indes unter schwerwiegenden Mängeln, da eine exakte Angabe des Tatortes im Bußgeldbescheid nicht angegeben ist und insofern eine Verwechselungsgefahr mit möglicherweise anderen Ordnungswidrigkeiten nicht ausgeschlossen werden kann (AG Lüdinghausen BeckRS 2015, 12516, AG Husum BeckRS 2017, 128121; im Übrigen bereits BGH NJW 1970, 2222, 2223; so auch ausdrücklich Rebler NZV 2016, 304, 308). Maßgebend ist danach eine Abgrenzung im Einzelfall. Die Konkretisierung des Tatvorwurfs und des Tatortes müssen jedoch nicht nur sicherstellen, dass der Betroffene überhaupt ein Bewusstsein für den ihm vorgeworfenen Verstoß bilden kann und dass insbesondere Verwechselungen sicher ausgeschlossen sind. Gerade bei Verkehrsverstößen, die sich relativ kurzen Zeiträumen relativ häufig zu wiederholen zu vermögen, sind insoweit problematisch und müssen von der Bußgeldbehörde im Bußgeldbescheid präzise konkretisiert werden (bereits BGH a.a.O.), So liegt der Fall hier, denn es besteht die Gefahr einer Verwechselung mit anderen ordnungswidrigen Geschwindigkeitsüberschreitungen durch den Betroffenen. Der Bußgeldbescheid umschreibt den Tatort nur mit der Straßenbezeichnung ohne nähere Eingrenzung, sodass für die Tatbegehung eine erhebliche räumliche Varianz besteht. Insofem ist der Verteidigung Recht zu geben, dass auf einer Fahrstrecke von mindestens 1,7 KM weitere Verstöße durch den Betroffenen bei lebensnaher Sachverhaltsauslegung nicht ausgeschlossen werden können. Dies auch insbesondere, weil der Betroffene nach dem vorliegenden Auszug aus dem Fahreignungsregister vom 17.01.2018 nicht zum ersten Mal mit einer Geschwindigkeitsübertretung konfrontiert ist. Auf eine zurückgelegten Distanz von knapp 2 Kilometem mit wechselnder Bebauung erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass entsprechend weitere Verstöße durch Überholmanöver, Abbremsen und Beschleunigen begangen worden sind.

Entgegen der in der Verfügung vom 16.05.2018 vertretenen Rechtsauffassung kann der Mangel des Bußgeldbescheides nicht durch eine Zusammenschau mit dem Akteninhalt oder ggf. aufgenommenen anderen Verstößen geheilt werden. Denn das Verjährungsrecht – und dies wurde in der Verfügung der Dezernatsvorgängerin verkannt – ist formelles Recht, das zwingend ist. Mit anderen Worten darf der Akteninhalt bei Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht herangezogen werden, da ansonsten die formelle Verjährungsfolge – namentlich das Erlöschen der Ahndungsmöglichkeit umgangen werden würde. Das gilt auch wenn der Verstoß durch den Betroffenen möglicherweise aus dem Akteninhalt ersichtlich ist, Die Bezugnahme auf den Akteninhalt zur Heilung von Mängeln des Bußgeldbescheides ist nur bei nicht schwerwiegenden, die Wirksamkeit nicht beeinträchtigenden Mängeln möglich (Rebler a.a.O. 306 m.w.N.). Bei schwerwiegenden Mängeln – wie der hier fehlenden Umgrenzungsfunktion darf die Heilung schon deshalb nicht eintreten. weil sie sonst die Schutzfunktion des Bestimmtheitsgrundsatzes vollständig aufheben würden. Dieser dient aber im Ergebnis dem Schutz der Bürger davon zum Objekt staatlicher Willkür zu werden und ist letztlich Ausdruck von verfassungsrechtlich verbürgten Verfahrensgarantien, die den Grundstein rechtsstaatlichen Handelns bilden.“

„Interessante Argumentation“ zu/mit den früheren Verstößen, die im FAER eingetragen sind.

Nochmals (Un)Wirksamkeit des Bußgeldbescheides, oder: Örtlich Begrenzung des Tatorts?

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Da heute in einigen Bundesländern auch/noch Feiertag ist, gibt es dann nur zwei Postings. Zunächst:

Ich habe erst in der vergangenen Woche über das AG Husum, Urt. v. 13.09.2017 – 5 OWi 107 Js 13481/17 (64/17) berichtet (vgl. hier: (Un)Wirksamkeit des Bußgeldbescheides, oder: Tatort „Höhe: Parkplatz ggü. der Straßenmeisterei“ reicht nicht). Dazu passend hat mir der Kollege Berndt aus Stadt im Nachgang das AG Stadthagen, Urt. v. 10.04.2017 – 11 OWi 108/17 – übersandt, das zu derselben Problematik Stellung nimmt: Nämlich ausreichend Beschreibung der Tatörtlichkeit in einem Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung.

In dem dem Verfahren zugrunde liegenden Bußgeldbescheid hieß es dazu – wie häufig – nur:

„Ihnen wird vorgeworfen, am 29. 9. 2016, um 10:26 Uhr in Kirchhorsten, K 18, Enzer Straße, Richtung Stadthagen, als Führer des PKW mit Anhänger Ford, ppp. folgende Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG begangen zu haben:

Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h. Zulässige Geschwindigkeit: 50 km/h Festgestellte Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug): 72 km/h.“

Das hat dem AG zur Recht nicht gereicht:

Ein Bußgeldbescheid ist als Verfahrensgrundlage ausreichend, wenn er die dem Betroffenen vorgeworfene Ordnungswidrigkeit zeitlich, örtlich und ihrem wesentlichen Inhalt nach hinreichend festlegt und begrenzt (vgl. Göhler, OWiG, § 66 Rn. 39 mwN).

Hier fehlt es an der örtlichen Begrenzung des vorgeworfenen Vorfalls. Der Bußgeldbescheid verortet den angeblichen Geschwindigkeitsverstoß auf der K 18, En2er Straße in Kirchhorsten in Fahrtrichtung Stadthagen. Es fehlt hier eine nähere Bezeichnung der Messstelle, zum Beispiel mit einer Hausnummer oder einer angrenzenden Einmündung oder aber einer Angabe des Streckenkilometers. Nahe gelegen hätte hier, den Standort des Messbeamten mit dem Handlasermessgerät Riegel FG21 P, der im Messprotokoll Blatt 12 mit „Enzer Straße 26 in Helpsen“ angegeben ist, zu zitieren und mit dem aus dem Kontrollblatt hervorgehenden Abstand zum gemessenen Fahrzeug (hier< 221,2 Meter) zu kombinieren. So hätte die Angabe „in Fahrtrichtung Stadthaben ca 221 Meter vor der Enzer Straße 26″ ausgereicht, um den Tatort sicher zu bestimmen.

So aber bleibt unklar, auf welcher Höhe des Abschnitts der K 18, die zwischen Enzen und Heipsen über mehrere Kilometer verläuft ist, die Messung erfolgt sein soll.

Der Bußgeldbescheid muss insoweit auch aus sich heraus verständlich sein. Es reicht nicht aus, wenn sich der Tatort erst unter Heranziehung des weiteren Akteninhalts ermitteln lässt. Denn dem Betroffenen wird zunächst einmal nur der Bußgeldbescheid zugestellt.2

Ergebnis: Einstellung des Verfahrens – Kosten bei der Staatskasse.