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Grundkurs zur Bemessung der Tagessatzhöhe, oder: So geht es

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Nach den ganzen Gesetzesänderungen und – neuerungen dann mal wieder (etwas) Rechtsprechung, und zwar mit dem BGH, Beschl. v. 25.04.2017 – 1 StR 147/17 zur Bemessung der Tagessatzhöhe.

Das LG hatte die Angeklagte wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Mit ihrer auf die Höhe der verhängten Tagessätze beschränkten Revision hat sich die Angeklagte gegen die Festsetzung der Höhe des einzelnen Tagessatzes durch das LG gewendet und hatte Erfolg.

Der BGH stellt zunächst noch einmal die allgemeinen Grundsätze zur Bemessung der Höhe eines Tagessatzes zusammen, und zwar:

  • Grundsätzlich kann auch das Einkommen des Ehepartners berücksichtigt werden, wenn dem Täter hieraus tatsächlich Vorteile zufließen, wobei aber das Strafgericht den Entschluss eines Ehepartners, nicht berufstätig zu werden, zu respektieren hat. Im Ergebnis kommt es in solchen Fällen darauf an, inwieweit der nicht berufstätige Ehepartner am Familieneinkommen teilhat, indem ihm tatsächlich Naturalunterhalt, ggf. auch ein Taschengeld, gewährt wird.
  • Von den anzurechnenden Einkünften abzuziehen sind damit zusammenhängende Ausgaben, wie beispielsweise Werbungskosten und Betriebsausgaben, auch Sozialversicherungsbeiträge; ebenfalls sind in der Regel außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, Unterhaltsverpflichtungen des Täters demgegenüber nur in angemessenem Umfang.
  • Dem Tatrichter steht gemäß § 40 Abs. 3 StGB eine Schätzungsbefugnis zu, sofern entweder der Angeklagte keine oder unrichtige Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen macht oder deren Ermittlung zu einer unangemessenen Verzögerung des Verfahrens führen würde bzw. der erforderliche Aufwand nicht im Verhältnis zur Höhe der Geldstrafe stehen würde.

Hier hatte das LG die Tagessatzhöhe durch Schätzung festgelegt, ohne ausreichend die wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten aufzuklären. Es hatte zwar festgestellt, dass die Angeklagte ohne eigene Erwerbseinkünfte ist, der Ehemann mindestens 3.000 € monatlich verdient, an monatlicher Miete 900 € aufwendet und den beiden noch im Haushalt lebenden 21 und 19 Jahre alten Kindern Naturalunterhalt gewährt, und dass die Angeklagte, die derzeit auf freiwilliger Basis in einer Therapie untergebracht ist, sich  jeweils am Wochenende in der Familienwohnung aufhält. Ob der Aufenthalt am Wochenende 2,5 Tage oder etwa nur 1,5 Tage ausmacht, ergibt sich aus den Feststellungen des LG nicht, was aber entscheidend dafür sein dürfte, ob der damit geleistete und vom LG auf 750 € geschätzte Naturalunterhalt tatsächlich ein Viertel des Nettoverdienstes des Ehegatten ausmachen kann. Des Weiteren gibt es keine Feststellungen dazu, wer die Kosten der freiwilligen Unterbringung der Angeklagten ganz oder teilweise aufbringt, ob es insoweit Ansprüche gegen Sozialhilfeträger gibt oder ob diese bei einer Leistung möglicherweise Rückzahlungsansprüche gegen den Ehegatten haben oder bereits geltend machen.

Die Entscheidung stellt noch einmal sehr schön die Anforderungen an die Feststellungen zur Bemessung der Tagessatzhöhe zusammen. Die sollte man als Verteidiger präsent haben, wenn es in der Hauptverhandlung um die Bemessungsfragen geht.