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Unterlassene Rettungsbemühungen bei einem Selbstmörder – strafbar? Nicht immer

© froxx - Fotolia.com

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Mit einer in der letzten Zeit (in der Presse) häufiger diskutierten Problematik hat sich vor einiger Zeit der LG Deggendorf, ?Beschl. v. 13?.?09?.?2013? – 1 Ks 4 Js ?7438?/?11? – befasst, nämlich mit der Frage der Erforderlichkeit von Nothilfe oder, ob unterlassene Rettungsbemühungen eines Notarztes gegenüber einem Suizidenten in jedem Fall strafbar sind. Das LG hat das verneint und die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt..

Das Verhalten des Angeschuldigten war rechtmäßig.

Insbesondere war der Angeschuldigte bei seinem ersten Notarzteinsatz am xx.xx.2013 gegen 09.00 Uhr nicht zur Vornahme lebenserhaltenden Maßnahmen gegenüber dem Patienten Dr. A verpflichtet. Eine solche Verpflichtung ergab sich für den Angeschuldigten weder aus seiner Stellung als diensthabender Notarzt noch aus allgemeinen Grundsätzen.

Einer entsprechenden Handlungsverpflichtung steht insofern bereits der zu beachtende Suizidwille des Dr. A entgegen.

Soweit der Bundesgerichtshof in der – von der Staatsanwaltschaft im Aktenvermerk vom 31.05.2012 (Bl. 54 ff.) zur Beurteilung der Rechtslage zitierten – Entscheidung vom 04.07.1984 (sogen. „Peterle-Entscheidung“, BGHSt 32, 367 = NJW 1984, 2639) den behandelnden Arzt auch gegenüber einem freiverantwortlich handelnden Suizidenten zu lebensrettenden Maßnahmen verpflichtet sah, sobald dieser infolge Bewusstlosigkeit die Tatherrschaft über das Geschehen verloren hatte, folgt dem die Kammer nicht.

Nach Auffassung des Gerichts läuft diese rigide strafrechtliche Sichtweise dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten zuwider und ist spätestens seit Inkrafttreten des § 1901 a Abs. 2 und 3 BGB n.F. auch gesetzlich überholt. Ratio dieser Vorschrift ist es, jede freiverantwortliche Entscheidung des Betroffenen – unabhängig von Art und Stadium seiner Erkrankung – zu achten (so auch: Kutzer, ZRP 5/2012, S. 135 ff. (138)). Dabei strahlt diese Vorschrift aus dem Betreuungsrecht auch auf die im Strafrecht vorzunehmenden Wertungen – auch hinsichtlich des Selbstbestimmungsrechtes eines Suizidenten – aus.

Auf dieser Basis ist in den Fällen eines freiverantwortlichen Suizides keinen Raum für eine strafrechtliche Sanktionierung von – nur im Hinblick darauf – unterlassenen Rettungsbemühungen.

Die Kammer sieht im Vorgehen des Dr. A einen freiverantwortlichen „Bilanzsuizid“, der auf einer rationalen Abwägung seiner Lebensumstände beruht.

Das folgert die Kammer dann aus der im Einzelnen dargelegten „Vorgeschichte“ und der „Auffindesituation“.