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Strafvollzug III: Die Liebesbeziehung der JVA-Beamtin zum Strafgefangenen, oder: Entfernung aus dem Dienst

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Und die dritte Entscheidung kommt auch aus dem Strafvollzug bzw. hat mit ihm zu tun. Es ist das OVG Koblenz, Urt. v. 15.6.2020 – 3 A 11024/19.OVG. Schon etwas älter, aber der Volltext stand jetzt erst zur Verfügung. Und die Entscheidung ist recht lang. Daher ziehe ich mich hier auf die PM 12/2020 des OVG v. 16.06.2020 zurück.

In der heißt es:

„JVA-Beamtin nach Liebesbeziehung zu Gefangenem aus dem Dienst entfernt

Eine Beamtin einer Justizvollzugsanstalt (JVA), die über mehrere Monate eine Liebes­beziehung zu einem Gefangenen eingegangen war und ihm dabei mehrere Nacktfotos von sich übersandt hatte, ist aus dem Dienst zu entfernen. Dies entschied das Ober­verwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Im Dezember 2017 wurden bei einer Postkontrolle in einer JVA zahlreiche Briefe gefunden, die eine – zurzeit vom Dienst freigestellte – Justizvollzugsbeamtin mit einem damaligen Gefangenen ausgetauscht hat, sowie mehrere Nacktfotos von ihr. Auf die Klage des Landes hat die landesweit zuständige Disziplinarkammer des Verwaltungs­gerichts Trier die Justizvollzugsbeamtin aus dem Dienst entfernt, weil diese gegen das als Kernpflicht von Bediensteten im Strafvollzug ausgestaltete Zurückhaltungsgebot (Distanzgebot) verstoßen habe. Die Beamtin sei über mehrere Monate eine Liebes­beziehung zu einem Gefangenen eingegangen. Hierbei sei es unter Verschleierung der wahren Identität zu umfangreichem Briefverkehr – u.a. mit Offenbarung sexueller Vor­lieben und Phantasien sowie einer avisierten gemeinsamen Zukunft – sowie zur Über­lassung von Nacktfotos von ihr gekommen; ferner hat die Beamtin ein Armband und ein T-Shirt des Gefangenen unerlaubt mit nach Hause genommen. Eine Offenbarung der Beziehung und des Briefkontakts gegenüber der Anstaltsleitung sei nicht erfolgt. Mit diesen Verhaltensweisen habe sie ein schweres Dienstvergehen begangen und sich insgesamt als untragbar für den öffentlichen Dienst erwiesen. Sie habe aus eigensinni­gen Motiven verantwortungslos eine Gefährdungslage für den Strafvollzug geschaffen und dabei alle Kollegen schwer hintergangen, was einer Vertrauensbasis sowohl aus Sicht des Dienstherrn als auch aus Sicht der Allgemeinheit die Grundlage entziehe. Indem sie dem Gefangenen Nacktaufnahmen von sich überlassen habe, habe sie sich in erheblicher Weise erpressbar gemacht. Selbst nachdem der Gefangene verlegt und das Disziplinarverfahren eingeleitet worden sei, habe sie über Dritte versucht, ihr distanzloses Verhalten zum Gefangenen aufrechtzuerhalten. Schließlich habe die Beklagte sich bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung völlig uneinsichtig ins­besondere hinsichtlich des Umstands ihrer Erpressbarkeit gezeigt. Das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Dienstverrichtung in der Zukunft sei damit nachhaltig zerstört (vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Trier Nr. 12/2019).

Mit ihrer gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil eingelegten Berufung machte die Beamtin geltend, sie habe keine sexuelle oder sonstige intime Beziehung zu dem Gefangenen gehabt. Außerdem sei sie im Jahr 2016 wegen einer akuten Belastungs­reaktion und einer Anpassungsstörung in ärztlicher Behandlung gewesen. Das Ober­verwaltungsgericht wies nach Durchführung einer Beweisaufnahme, bei der unter anderem die aufgefundenen Briefe verlesen, der Gefangene als Zeuge vernommen und die Beamtin angehört wurden, die Berufung zurück.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Justizvollzugsbeamtin eine sexuelle bzw. Liebesbeziehung zu dem Gefange­nen über mehrere Monate eingegangen sei. Dies ergebe sich unzweifelhaft aus den aufgefundenen Briefen. Die Angaben sowohl des Gefangenen als auch der Beamtin selbst erschienen demgegenüber als nicht glaubhaft. Hiervon ausgehend teile das Gericht die Rechtsauffassung der Vorinstanz, dass die Beamtin ein schweres Dienst­vergehen begangen habe, das ihre Entfernung aus dem Dienst erfordere. Für eine ver­minderte Steuerungsfähigkeit der Beamtin seien keine hinreichenden Anhaltspunkte erkennbar.“

Strafvollzug II: Ausführung des Strafgefangenen zum Urologen, oder: So geht es nicht

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Die zweite Strafvollzugsentscheidung hat mir die Kollegin Brenner aus Saarlouis geschickt. Das OLG Saarbrücken behandelt in dem OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.08.2020 – Vollz (Ws) 4/20 – die mit der Ausführung eines Strafgefangenen zu einem Artbesuch – hier war es ein Urologe – zusammenhängenden Fragen.

Es geht um folgenden Sachverhalt:

„Am 16.10.2017 wurde der Antragsteller auf Veranlassung der Anstaltsärztin zu dem Facharzt für Urologie Dr. pp. in Saarbrücken ausgeführt. Hierbei musste er Anstaltskleidung tragen und wurde durch zwei uniformierte Vollzugsbeamte begleitet, die auch bei der fachärztlichen Untersuchung (rektal durchgeführte Tastuntersuchung der Prostata), der Diagnosebesprechung und beim Arztgespräch ohne jedwede optische und/oder akustische Abtrennungsmaßnahmen durchgehend im Behandlungszimmer anwesend waren. Diese konkrete Art und Weise der Ausführung beruhte nicht auf einer einzelfallbezogenen Ermessensentscheidung der Anstalts- oder Vollzugsabteilungsleitung. Vielmehr entsprach sie, soweit es die Ausführung in Anstaltskleidung anbelangt, einer generellen Handlungsanweisung für alle Strafgefangenen ohne Lockerungsgewährungen gemäß §§ 38, 39 SLStVoIIzG, die der — von dem Antragsteller bestrittenen — Behauptung des Antragsgegners zufolge vorsieht, dass Strafgefangene, bei deren Ausführung keine Fesselung angeordnet ist, auf Antrag in Privatkleidung ausgeführt werden können. Einen solchen Antrag hatte der Antragsteller, bei dem eine Fesselung bei Ausführungen nicht angeordnet war, nicht gestellt. Soweit es die Aus-führung durch uniformierte Vollzugsbeamte und deren Anwesenheit bei der ärztlichen Untersuchung, der Diagnosebesprechung sowie beim Arztgespräch betrifft, entsprach dies der generellen Handhabung in der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken.“

Gegen diese Ausführung hat sich der Strafgefangene gewehrt. Und er hat dann bei der StVK und beim OLG nach längerem Hin und Her Recht bekommen:

2. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist bereits mit der erhobenen Sachrüge begründet, so dass es auf die Verfahrensrüge nicht ankommt. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners ist hingegen unbegründet……

a) Der als Feststellungsantrag gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist — wie die Strafvollstreckungskammer zutreffend angenommen hat — zulässig…..

b) Der Feststellungsantrag ist auch in vollem Umfang begründet. Die konkrete Ausgestaltung der am 16.10.2017 erfolgten Ausführung des Antragstellers zu einem Facharzt für Urologie war in dem von dem Antragsteller beanstandeten Umfang rechtswidrig.

aa) Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 SLStVoIIzG kann den Gefangenen das Verlassen der Anstalt unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht gestattet werden, wenn dies aus besonderen Gründen notwendig ist (Ausführung). Auch eine außerhalb des Strafvoll-zugs erforderliche Behandlung eines Strafgefangenen (§ 63 Abs. 1 SLStVoIIzG) kann im Wege der Ausführung erfolgen (vgl. Begründung zu § 63 des Gesetzentwurfs der Regierung des Saarlandes zur Neuregelung des Vollzugs der Freiheitsstrafe im Saar-land, LT-Drucks. 15/386, S. 107).

Die Art und Weise der Ausführung eines Gefangenen i. S. des § 41 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 SLStVoIIzG, insbesondere die hierbei zu treffenden Sicherungsmaßnahmen — also z. B. auch das Tragen von Anstaltskleidung oder Privatkleidung durch den Gefangenen, das Tragen von Uniform oder Privatkleidung durch die den Gefangenen hierbei begleitenden Vollzugsbediensteten und die Anwesenheit der Vollzugsbediensteten im ärztlichen Behandlungszimmer —, hängt von einer im konkreten Einzelfall zu treffenden Ermessensentscheidung des Anstaltsleiters ab; er hat die nach den konkreten Um-ständen des jeweiligen Einzelfalls erforderlichen Sicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Gefangenen sowie unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu treffen (vgl. Begründung zu § 41 des Gesetz-entwurfs der Regierung des Saarlandes zur Neuregelung des Vollzugs der Freiheits-strafe im Saarland, LT-Drucks. 15/386, S. 93 f.; BVerfG NStZ 2000, 166 f. — juris Rn. 917; Hanseatisches OLG Hamburg NStZ-RR 2014, 95 f. für den Fall der Ausführung eines Sicherungsverwahrten durch uniformierte Vollzugsbedienstete; Senatsbeschluss vom 10. Januar 2019 – Vollz (Ws) 18/18 -; Laubenthal in: Laubenthal/ Nestler/Neubacher/Nerrel, a. a. O., Abschn. E Rn. 162; Arloth/Krä, a. a. O., § 11 StVollzG Rn. 5, § 12 StVollzG Rn. 3, § 41 SLStVollzG Rn. 1, § 41 SächsStVollzG Rn. 1; Lau-benthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl., Kap. 6 A Rn. 4; Harrendorf/Ullenbruch in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, a. a. O., Kap. 10 C Rn. 7).

Der gerichtlichen Überprüfung unterliegt daher gemäß § 115 Abs. 5 StVollzG (i. V. mit § 118 Satz 2 Nr. 2 SLStVollzG) lediglich, ob der Anstaltsleiter die konkrete Art und Weise der Ausführung des Antragstellers zu einem Facharzt vom 16.10.2017 rechtsfehlerfrei getroffen hat, ob er also von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, die gesetzlichen Begriffe richtig angewendet, von dem ihm zustehenden Ermessen überhaupt Gebrauch gemacht, die Grenzen des Ermessens eingehalten und von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. BGHSt 30, 320 ff. — juris Rn. 11; Senatsbeschlüsse vom 26. März 2014 – Vollz (Ws) 11/14 – und vom 18. April 2016 ¬Vollz (Ws) 13/14 -; Bachmann, a. a. O., Abschn. P Rn. 83 ff. m. w. N.; Arloth/Krä, a. a. O., § 115 Rn. 13 ff.; vgl. auch zu der § 115 Abs. 5 StVollzG entsprechenden Vorschrift des § 28 Abs. 3 EGGVG: Senatsbeschlüsse vom 15. Juni 2015 – VAs 7/15 – und vom 6. Oktober 2015 – VAs 14-15/15 -). Der gerichtlichen Überprüfung unterliegt demgemäß insbesondere auch, ob die Ausführung des Antragstellers in Anstaltskleidung durch uniformierte Vollzugsbeamte sowie deren Anwesenheit bei der ärztlichen Behandlung des Antragstellers durch Gründe der Sicherheit, insbesondere die Gefahr des Entweichens des Antragstellers, gerechtfertigt war und bei der Entscheidung auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG), namentlich sein erkennbares Interesse, im Rahmen eines Arztbesuchs nicht ohne sachlichen Grund als Strafgefangener stigmatisiert zu werden, berücksichtigt wurde (Senatsbeschluss vom 10. Januar 2019 – Vollz (Ws) 18/18 -).

aaa) Mit Recht hat die Strafvollstreckungskammer angenommen, dass die Ausführung des Antragstellers, soweit er hierbei Anstaltskleidung tragen musste und von uniformierten Vollzugsbeamten begleitet wurde, schon deshalb rechtswidrig war, weil es in-soweit an einer im konkreten Einzelfall getroffenen Ermessensentscheidung des Antragsgegners des erstinstanzlichen Verfahrens von vornherein gefehlt hat. Die generelle Handlungsanweisung, wonach Strafgefangene, denen keine Lockerungen gemäß §§ 38, 39 SLStVollzG gewährt werden, grundsätzlich in Anstaltskleidung ausgeführt werden sowie der Umstand, dass Arztausführungen durch uniformiertes Personal der „generellen Handhabung“ in der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken entsprechen, vermögen die gebotene Einzelfallprüfung nicht zu ersetzen. Das gilt selbst dann, wenn — wie der Antragsgegner des erstinstanzlichen Verfahrens behauptet hat — solche Gefangene, soweit bei ihrer Ausführung — wie bei dem Antragsteller — keine Fesselung angeordnet ist, auf einen entsprechenden Antrag in Privatkleidung und möglicherweise auch durch nicht uniformierte Vollzugsbeamte ausgeführt werden können.

(1) Abgesehen davon, dass die in der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken einsitzenden Strafgefangenen auf die Möglichkeit der Ausführung durch nicht uniformierte Bedienstete überhaupt nicht hingewiesen werden, und es jedenfalls fraglich erscheint, ob der in der Hausordnung sowie in der (bei der Interessenvertretung der Strafgefangenen erhältlichen) „Gelben Mappe“ enthaltene Hinweis auf die Möglichkeit einer Erlaubnis zum Tragen privater Kleidung ausreicht, um die Strafgefangenen in die Lage zu versetzen, von ihrem Antragsrecht auch Gebrauch zu machen, wäre eine solche, lediglich antragsabhängige Prüfung der im konkreten Einzelfall erforderlichen Sicherungsmaß-nahmen zur Wahrung des berechtigten Interesses des Antragstellers, im Rahmen eines Arztbesuchs nicht ohne sachlichen Grund als Strafgefangener stigmatisiert zu werden, nicht ausreichend. Die Verpflichtung zum Tragen einer einheitlichen Anstaltskleidung, die von Strafgefangenen regelmäßig als Selbstwertkränkung und Deprivation empfunden wird, stellt eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG dar (vgl. BVerfG NStZ 2000, 166 f. — juris Rn. 14 ff.). Verfassungsrechtlich geboten ist es daher zumindest, bei einer Ausführung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Strafgefangenen bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen und hierbei seinem Interesse, in einer von ihm als angemessen empfundenen Kleidung ausgeführt zu werden, Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, a. a. O., juris Rn. 17). Ebenso verhält es sich hinsichtlich der Ausführung durch uniformierte Vollzugsbedienstete (vgl. OLG Hamburg NStZ-RR 2014, 95 f.). Generelle Handlungsanweisungen und eine generelle Handhabung sind nicht geeignet, diese verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte eines Strafgefangenen einzuschränken.

(2) Gleiches gilt, soweit sich der Antragsgegner bezüglich der Ausführung durch uniformierte Vollzugsbedienstete auf geltende Dienst- und Bekleidungsvorschriften sowie auf einen organisatorischen und gegebenenfalls personellen Mehraufwand — in der Regel würden mehrere Fahrten von Strafgefangenen zu niedergelassenen Arztpraxen pro Tag durch Beamte des Fahrdienstes durchgeführt, die dann mehrmals pro Tag zwischen Dienst- und Privatkleidung wechseln müssten — beruft. Zwar weist der Antragsgegner zutreffend darauf hin, dass bei der Prüfung der Notwendigkeit der Ausführung auch die personellen und organisatorischen Möglichkeiten der Strafanstalt zu berücksichtigen sind (vgl. Arloth/Krä, a. a. O., § 11 StVollzG Rn. 5 m. w. N.). Das ändert jedoch nichts daran, dass die Art und Weise der Ausführung — wie ausgeführt — einer einzelfallbezogenen Prüfung bedarf. Dementsprechend verpflichtet die AV des Ministeriums der Justiz Nr. 10/2013 vom 29.11.2013 (J 4400-107) zum Saarländischen Strafvollzugsgesetz in Abs. 1 VV zu § 41 SLStVoIIzG die Anstaltsleitung bei einer Ausführung zur Entscheidung über die „nach Lage des Falles“ erforderlichen besonderen Sicherungsmaßnahmen. Soweit der Antragsgegner meint, im vorliegenden Fall habe es der Antragsteller hinnehmen müssen, während des Aufenthalts in der Arztpraxis von Außenstehenden als Inhaftierter erkannt zu werden, weil „das Delikt des Antragstellers ohnehin mit einer öffentlichen Berichterstattung verbunden“ gewesen sei, trifft dies schon deshalb nicht zu, weil aus der öffentlichen Berichterstattung über die Taten, derentwegen der Antragsteller verurteilt wurde, nicht ohne Weiteres folgt, dass Dritte den ihnen nicht bekannten Antragsteller in der Öffentlichkeit wiedererkennen. Im Übrigen hätte dieser Umstand die gebotene Prüfung des Einzelfalls auch nicht entbehrlich gemacht.

(3) Schließlich hat bereits die Strafvollstreckungskammer mit Recht darauf hingewiesen, dass es selbst Strafgefangenen, die von der Möglichkeit, eine Ausführung in Privatkleidung durch nicht uniformierte Bedienstete zu beantragen, Kenntnis haben, praktisch kaum möglich wäre, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Denn nach dem unstreitigen Vorbringen des Antragstellers erlangen Strafgefangene — und so auch im vorliegenden Fall der Antragsteller am 16.10.2017 — von stattfindenden Ausführungen zu einem Arzt erst am Tag der Ausführung beim Wecken durch Vollzugsbeamte Kenntnis. Bei einer solchen Handhabung läuft das Recht der Strafgefangenen, einen entsprechenden Antrag zu stellen, von vornherein leer.

(4) Soweit der Antragsgegner im Rahmen der Begründung seiner Rechtsbeschwerde meint, die Strafvollstreckungskammer habe übersehen, dass über die Ausführungs-modalitäten im Rahmen der Vollzugsplanfortschreibungen entschieden worden sei, trifft dies nicht zu. Vielmehr wird im Vollzugs- und Eingliederungsplan nach dem eigenen Vorbringen des Antragsgegners lediglich darüber entschieden, ob Ausführungen mit oder ohne Fesselung erfolgen (vgl. §§ 9 Abs. 1 Nr. 16, 78 Abs. 2 Nr. 6 SLStVollzG).

bbb) Soweit im Rahmen der Ausführung des Antragstellers zum Facharzt für Urologie am 16.10.2017 die ihn begleitenden Vollzugsbeamten bei der ärztlichen Untersuchung, dem Arztgespräch und bei der Behandlung im Behandlungszimmer anwesend waren, gilt entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer nichts Anderes. Auch insoweit war die konkrete Art und Weise der Ausführung rechtswidrig, weil es an einer im konkreten Einzelfall getroffenen Ermessensentscheidung des Antragsgegners des erstinstanzlichen Verfahrens von vornherein gefehlt hat.

Zwar hat die Strafvollstreckungskammer zutreffend darauf hingewiesen, dass die Aus-führung nach der gesetzlichen Vorgabe des § 41 Abs. 1 Satz 1 SLStVoIIzG „unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht“ zu erfolgen hat. Soweit sie angenommen hat, dieser Gesetzeswortlaut lasse „keinen Ermessensspielraum“ zu, so dass Begleitpersonen „während der gesamten Untersuchung im Arztzimmer anwesend sein müssen“, trifft dies indes nicht zu.

(1) Auch im Rahmen des Strafvollzugs sind die verfassungsrechtlich verbürgten Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere ihre Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG), zu beachten. Die Verpflichtung der öffentlichen Gewalt zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde einer gefangenen Person setzt deren Behandlung im Rahmen des Strafvollzugs Grenzen. Auch im Strafvollzug ist der öffentlichen Gewalt jede Behandlung verboten, die die Achtung des Werts vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen zukommt (vgl. BVerfGE 109, 279, 313; BVerfG, Beschl. v. 13.11.2007 — 2 BvR 2354/04, juris Rn. 16). Ob eine bestimmte Maßnahme die Menschenwürde des betroffenen Strafgefangenen verletzt, hängt dabei von einer Gesamtschau der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls ab (vgl. zur Belegung und Ausgestaltung von Hafträumen: BVerfG, Beschl. v. 04.12.2019 — 2 BvR 1258/19, 2 BvR 1497/19, juris Rn. 56). Zudem gewährleistet das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch die Selbstbestimmung des Einzelnen über die Darstellung der eigenen Person. Der Einzelne soll selbst darüber befinden dürfen, wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit darstellen will und was seinen sozialen Geltungsanspruch ausmachen soll (vgl. BVerfG NStZ 2000, 166 f. — juris Rn. 15).

(2) Der in § 41 Abs. 1 Satz 1 SLStVollzG verwendete Begriff „unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht“ ist entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer im Lichte dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben auslegungsbedürftig. Auch im Rahmen der Ausführung eines Strafgefangenen ist dessen berechtigtes Interesse, nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund einer Situation ausgesetzt zu werden, die sein Schamgefühl verletzt oder von ihm als demütigend und Kränkung seines Selbstwerts empfunden wird, zu berücksichtigen und diesem, soweit Sicherheitsbelange der Allgemeinheit nicht entgegenstehen, Rechnung zu tragen. So wird etwa ein Strafgefangener bei dem notwendigen Gang zur Toilette die persönliche Anwesenheit eines Vollzugsbediensteten während des Ausscheidungsvorgangs regelmäßig als Verletzung seines Schamgefühls empfinden. Diese Beeinträchtigung hat er nur dann hinzunehmen, wenn dies durch Sicherheitsbelange der Allgemeinheit, namentlich zwecks Vermeidung einer Missbrauchs- oder Fluchtgefahr, geboten ist. Die Beurteilung dessen, was zur Gewährleistung einer ständigen und unmittelbaren Aufsicht erforderlich ist, hängt daher von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, namentlich von dem von dem betroffenen Strafgefangenen ausgehenden Gefahrenpotential einerseits sowie von den örtlichen Gegebenheiten andererseits. Der Fall eines hochgradig gefährlichen, bereits wegen Geiselnahme verurteilten Strafgefangenen wird daher anders zu beurteilen sein als der Fall eines bislang lediglich wegen Vermögensdelikten verurteilten Strafgefangenen. Zudem ist zu berücksichtigen, welche konkreten Flucht-möglichkeiten an dem betreffenden Ort bestehen. Ist eine Fluchtmöglichkeit ausgeschlossen oder geht von dem Strafgefangenen keine Fluchtgefahr aus und ist eine Missbrauchsgefahr, insbesondere die Gefahr der erneuten Begehung von Straftaten, zu verneinen, so kann dem Erfordernis der ständigen und unmittelbaren Aufsicht nach den Umständen des Einzelfalls auch dadurch genügt sein, dass die den Strafgefangenen begleitenden Vollzugsbediensteten bei dessen Gang zur Toilette vor der Toilettentür warten. Andererseits kann bei auf der Hand liegender Flucht- oder Missbrauchs-gefahr das Ermessen dahin auf „Null“ reduziert sein, dass das Erfordernis der ständigen und unmittelbaren Aufsicht des Strafgefangenen nur durch die ununterbrochene persönliche Gegenwart der Vollzugsbediensteten im selben Raum gewährleistet ist.

(3) Nach Maßgabe dieser Grundsätze erweist sich die Ausführung des Antragstellers zum Facharzt für Urologie vom 16.10.2017 auch insoweit als rechtswidrig, als die ihn begleitenden Vollzugsbeamten während der ärztlichen Untersuchung, dem Arztgespräch und der Behandlung im Behandlungszimmer anwesend waren. Auch insoweit hat sich der Antragsgegner lediglich auf die in der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken geübte generelle Praxis berufen, ohne dass er im konkreten Einzelfall eine Ermessensentscheidung getroffen hat. Das reicht nicht aus. Nach den vorstehenden Ausführungen folgt aus dem in § 41 Abs. 1 Satz 1 SLStVollzG normierten Erfordernis der ständigen und unmittelbaren Aufsicht nicht, dass die einen Strafgefangenen zu einem externen Arzt ausführenden Vollzugsbediensteten während der Untersuchung, der Be-handlung und dem Arztgespräch unabhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls stets im Arztzimmer anwesend sein müssen. Die ärztliche Untersuchung des Antragstellers in Gestalt der rektal durchgeführten Tastuntersuchung der Prostata, dessen Behandlung sowie das Arztgespräch in Anwesenheit der beiden Vollzugsbediensteten berühren die Menschenwürde sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers. Ob die Anwesenheit der Vollzugsbediensteten im Behandlungs-zimmer erforderlich war, um die in § 41 Abs. 1 Satz 1 SLStVollzG vorgeschriebene ständige und unmittelbare Aufsicht zu gewährleisten, oder ob diesem Erfordernis auch durch ein Zuwarten der Vollzugsbediensteten vor der Tür zum Behandlungszimmer genügt worden wäre, hätte daher einer konkreten Einzelfallprüfung durch den Antrags-gegner des erstinstanzlichen Verfahrens bedurft. Daran fehlt es. Da der Antragsgegner überhaupt keine einzelfallbezogene Entscheidung getroffen hat, hat er auch von dem ihm zustehenden Ermessen, für dessen Reduzierung auf „Null“ im Falle des lediglich wegen Vermögensdelikten verurteilten Antragstellers, bei dem keine Fesselung bei Ausführungen angeordnet war, im Übrigen keine Anhaltspunkte bestehen, keinen Gebrauch gemacht.“

StGB/OWiG III: Unbefugter Verkehr mit dem Mandanten, oder: WhatsApp auf ungenehmigtes Smartphone

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Die dritte Entscheidung kommt dann auch aus dem materiellen Recht, ist aber keine StGB-Entscheidung, sondern betrifft eine Ordnungswidrigkeit, nämlich den unbefugten Verkehr eines Verteidigers mit einem Gefangenem, seinem Mandanten (§ 115 OWiG).

Der OLG Düsseldorf, Beschl v. 02.12.2019 – IV-1 RBs 42/19 – geht von folgendem Geschehen aus:

„Der Betroffene war Verteidiger des in der JVA K. in anderer Sache inhaftierten Strafgefangenen C. C. Dieser war zumindest in der Zeit vom 03.05.2017 bis 28.09.2017 in Besitz eines von der Anstaltsleitung nicht genehmigten Mobiltelefons. In diesem Mobiltelefon war der Betroffene unter Dr abgespeichert. Der Betroffene hat über WhatsApp ein Schreiben an die zuständige Strafkammer des Landgerichts Köln vom 02.09.2017 über einen Screenshot an seinen Mandanten C. C. übermittelt. Ferner wurde die Nummer einmal am 20.09.2018 angewählt.“

Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das AG den Betroffenen aus rechtlichen Gründen – von dem Vorwurf des unbefugten Verkehrs mit Gefangenen gemäß § 115 Abs. 1 OWiG freigesprochen. Zur Begründung ist im angefochtenen Urteil ausgeführt, dass der festgestellte Geschehenshergang nicht die Annahme unbefugten Handelns im Sinne von § 115 OWiG rechtfertige. Besondere Rechtsvorschriften, die ein Handeln befugt erscheinen lassen, könnten sich aus allen einschlägigen Rechtsquellen ergeben, wie etwa aus § 148 StPO, der den ungehinderten Verkehr zwischen dem Verteidiger und dem Beschuldigten gestatte. Der Gesetzgeber habe das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren mit § 148 Abs. 1 StPO im Sinne einer Gestattung schriftlichen und mündlichen Verkehrs des inhaftierten Beschuldigten mit seinem Verteidiger konkretisiert. Da hier an das „nicht genehmigte“ Mobiltelefon des Gefangenen Verteidigerpost übersandt worden sei, liege – ungeachtet des Verstoßes gegen § 24 Abs. 1, § 26 Abs. 5 StVollzG NRW – kein unbefugtes Handeln im Sinne von § 115 Abs. 1 Nr. 2 OWiG vor.

Dagegen die Rechtsbeschwerde der Staatsaanwalt, die das OLG zugelassen hat. Das OLG hat dann den Freispruch aufgehoben:

„2. Der so begründete Freispruch hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Der Betroffene gehört zum möglichen Täterkreis des § 115 Dieser ergibt sich in Abgrenzung zu dem als Kommunikationspartner des Täters fungierenden Gefangenen. Täter kann jeder sein, der nicht selbst als Gefangener an der Tat beteiligt ist (vgl. KK-OWiG/Rogall, OWiG, 5. Auflage [2018], § 115 Rdnr. 7), also jedermann, der im Sinne der Vorschrift eine Sache oder Nachricht übermittelt oder sich übermitteln lässt oder von außen Kontakt mit einem Gefangenen in der Anstalt aufnimmt (vgl. Göhler/Gürtler, OWiG, 17. Auflage [2017], § 115 Rdnr. 13). Hierzu gehören insbesondere Besucher, Anstaltspersonal, einfache Passanten, aber – wie hier – auch Verteidiger (vgl. BeckOK OWiG/Gerhold, 24. Edition 15. September 2019, § 115 Rdnr. 3; Krenberger/Krumm, OWiG, 5. Auflage [2018], § 115 Rdnr. 6).

b) Eine Kommunikation des Verteidigers mit seinem in Haft befindlichen Mandanten über ein in dessen Besitz befindliches Mobiltelefon ist unbefugt im Sinne von § 115 1 OWiG, selbst wenn sie der Übermittlung inhaltlich verteidigungsbezogener Informationen dienen sollte. Die anderslautende Ansicht des Amtsgerichts beruht auf einer überdehnten Auslegung des § 148 Abs. 1 StPO und ist daher rechtsfehlerhaft.

aa) Unbefugt handelt derjenige, der mit einem Gefangenen in Verkehr tritt, ohne sich auf eine Befugnis stützen zu können, oder der die Grenzen einer vorhandenen Befugnis überschreitet (vgl. KK-OWiG/Rogall, aaO, Rdnr. 32 m.w.N.). Ersteres ist bei der Kommunikation mit einem Gefangenen über ein in dessen Besitz befindliches Mobiltelefon stets gegeben, denn die Nutzung privater Mobiltelefone oder ähnlicher Kommunikationsgeräte ist im Strafvollzug nicht genehmigungsfähig, sondern grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. KG, Beschluss vom 30. September 2005 – 5 Ws 362/05 Vollz ; OLG Hamburg NStZ 1999, 638). Damit der Justizvollzugsanstalt die Möglichkeit erhalten bleibt zu kontrollieren, wann und mit wem ein Gefangener telefoniert (BeckOK Strafvollzug NRW/Anstötz, StVollzG NRW, 11. Edition 10. Juli 2019, § 24 Rdnr. 1f.), sind Telefongespräche vielmehr nur durch Vermittlung der Anstalt zulässig. Dies gilt auch für den Verteidigerkontakt. Allerdings hat der Gefangene in Bezug auf die Kommunikation mit seinem Verteidiger gemäß § 26 5 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StVollzG NRW einen Anspruch auf Gestattung nicht überwachter Telefonate – und nicht nur auf fehlerfreie Ermessensausübung nach § 24 Abs. 1 StVollzG NRW – mit der Folge, dass die Anstalt allenfalls den Zeitpunkt der Verteidigertelefonate unter Berücksichtigung der räumlichen, personellen und organisatorischen Verhältnisse im Strafvollzug nach ihrem Ermessen bestimmen kann (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15. September 2015 – III-1 Vollz (Ws) 401/15 ; BeckOK Strafvollzug NRW/Anstötz, aaO, § 26 Rdnr. 15; Hemm, NStZ 2018, 433, 434). Durch diese Regelung, die Telefonate mit dem Verteidiger gegenüber denjenigen mit anderen Gesprächspartnern privilegiert, soll ersichtlich dem in § 148 Abs. 1 StPO verbürgten Grundsatz der freien Verteidigung Rechnung getragen werden.

bb) Hieraus folgt ohne Weiteres, dass eine verteidigungsbezogene Kommunikation, die unter Umgehung der Justizvollzugsanstalt über ein im Besitz des Gefangenen befindliches Mobiltelefon erfolgt, nach § 115 1 OWiG geahndet werden kann und nicht etwa über § 148 Abs. 1 StPO gerechtfertigt ist. Der aus dem Grundsatz freier Verteidigung herzuleitende Anspruch auf telefonischen Kontakt zwischen dem inhaftierten Mandanten und seinem Verteidiger eröffnet keine in ihrer Ausgestaltung grenzenlose Kommunikationsmöglichkeit, sondern steht in Bezug auf das „Wie“ seiner Durchsetzung stets unter dem Vorbehalt des für die Anstalt organisatorisch Zumutbaren und Machbaren, erst recht aber der an den Haftzwecken orientierten Ordnung in der Strafanstalt (vgl. KG, JR 1977, 213; OLG Hamm, aaO; Hemm, NStZ 2018, 433, 435f.). Dass die Wahl einer mit der Anstaltssicherheit und -ordnung nicht zu vereinbarenden Form der Nachrichtenübermittlung (Mobiltelefon) nicht durch § 148 Abs. 1 StPO gedeckt sein kann, liegt hierbei auf der Hand.

3. Der zuvor beschriebene Mangel in der Rechtsanwendung nötigt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht. An einer eigenen Sachentscheidung ist der Senat schon deswegen gehindert, weil die Feststellungen des Amtsgerichts eine Entscheidung zum Schuldspruch nicht ermöglichen. Denn der subjektive Tatbestand des § 115 OWiG setzt Vorsatz bezüglich aller Tatbestandsmerkmale voraus, wobei bedingter Vorsatz genügt (vgl. KK-OWiG/Rogall, aaO, Rdnr. 28). An diesbezüglichen Feststellungen fehlt es indes völlig.

III.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

1. In Bezug auf den objektiven Geschehenshergang wird das Amtsgericht zu prüfen haben, ob sich der Betroffene zweier tatmehrheitlich begangener Verstöße gegen § 115 OWiG schuldig gemacht hat. Soweit nämlich – offenbar aufgrund der geständigen Einlassung des Betroffenen – festgestellt worden ist, dass dieser zum einen über den Nachrichtendienst WhatsApp ein an die zuständige Strafkammer des Landgerichts Köln gerichtetes Schreiben vom 2. September 2017 als Screenshot an seinen Mandanten übermittelt habe und dass zum anderen „die Nummer“ einmal am 20. September 2018 (2017?) angewählt worden sei, könnte – sofern entsprechende Feststellungen in der neuen Hauptverhandlung getroffen werden können – neben einem vollendeten Verstoß in Form der Nachrichtenübermittlung zudem aufgrund der „Anwahl“, die einen Anrufversuch nahelegt, ein versuchter Verstoß gegen § 115 Abs. 1 OWiG vorliegen, welcher nach Absatz 3 der Vorschrift ebenfalls geahndet werden kann. Insoweit weist der Senat jedoch ergänzend darauf hin, dass die Feststellung „Ferner wurde die Nummer einmal am 20.09.2018 angewählt“ nicht einmal erkennen lässt, wer wen kontaktiert hat.

2. Zu welchem Zeitpunkt der Betroffene den vorgenannten Screenshot über den Nachrichtendienst WhatsApp an seinen Mandanten übermittelt haben soll, lässt sich den Feststellungen ebenfalls nicht entnehmen. Infolge dessen ist bislang ungeklärt, ob diese Handlung des Betroffenen überhaupt während der verbotenen Handynutzung durch den Mandanten im Haftverlauf (3. Mai 2017 bis 28. September 2017) vorgenommen wurde.

Strafvollzug II: Sehbehinderter Strafgefangener, oder: Nutzung eines Lese-/Schreibcomputers

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Die zweite Entscheidung mit vollzugsrechtlicher Problematik kommt vom OLG Celle. Es handelt sich um den OLG Celle, Beschl. v. 07.01.2019 – 3 Ws 321/18 (StrVollz). In der Sache geht es um den Zugang eines Strafgefangenen, der eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt zu einem Lese-und Schreibcomputer. Den benötigt der Strafgefangenen infolge seiner erheblichen Einschränkung der Sehfähigkeit – ihm wurde insoweit eine Schwerbehinderung von 100 % zuerkannt. Vor seiner Verlegung auf die Sozialtherapeutischen Abteilung der JVA, in der sich der Gefangene derzeit befindet, war ihm in einer  JVA während der Zeiten des Aufschlusses mit Ausnahme einer einstündigen Mittagspause grundsätzlich unbeschränkt der Zugang zu einem in einem gesonderten Haftraum befindlichen Lese- und Schreibcomputer gewährt worden, ohne welchen der Antragsteller nicht in der Lage ist, zu lesen oder Schriftstücke zu fertigen. Der Antragsteller nutzte diesen für eine ausgesprochen umfangreiche Korrespondenz sowie zum Fertigen zahlreicher Anträge auf ge-richtliche Entscheidung sowie sonstiger Eingaben.

Nach Verlegung in die neue Justizvollzugsanstalt wurde ihm dort der Zugang zu dem ebenfalls in einem gesonderten Haftraum befindlichen Lese- und Schreibcomputer zunächst ohne nähere Begründung in der Zeit von montags bis donnerstags von 16:30 bis 19:30 Uhr sowie freitags und an Wochenenden von 8:00 bis 11:00 Uhr gewährt. Auf seinen hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel einer wie bislang während der Aufschlusszeiten uneingeschränkten Nutzung hat die JVA ab dem 12.09.2018 den Zugang zu dem Lese- und Schreibraum täglich in der Zeit von 12:00 bis 18:00 Uhr gewährt und erklärt, sie betrachte den Rechtsstreit hiernach für erledigt.

In der Sache selbst wurde ausgeführt, das Nutzen des Lese- und Schreibcomputers in dem dem Antragsteller bislang gewährten Umfang stehe dem therapeutischen Konzept der integrativen Sozialtherapie in der sozialtherapeutischen Anstalt entgegen, in dessen Rahmen der Antragsteller, bei dem eine dissoziale und narzisstische Persönlichkeitsstörung sowie Merkmale einer Psychopathie festgestellt worden seien, sich neben Gruppen- und Einzelgesprächssitzungen im täglichen Kontakt mit anderen Therapieteilnehmern und dem Stationsdienst mit seiner Person auseinandersetzen müsse, um überhaupt erst einen Zugang zu seinen Persönlichkeitsstörungen erreichen zu können. Die voll-ständige Ablenkung des Antragstellers durch seine private Korrespondenz mit Zugangszeiten von 60 Stunden zum Lese- und Schreibraum lasse für die therapeutische Intervention und Auseinandersetzung mit seinen Persönlichkeitsstörungen keinen ausreichenden Raum mehr.

Das OLG sagt in seinem (umfangreich begründeten) Beschluss:

„Der Zugang zu einem erforderlichen Lese-und Schreibcomputer kann für einen Strafgefangenen mit Sehbehinderung nicht mit einem dem entgegenstehenden therapeutischen Konzept in der Sozialtherapie eingeschränkt werden.

Dies gilt umso mehr, wenn die Nutzung in einer vorherigen Vollzugsanstalt grundsätzlich uneingeschränkt möglich war.W

PKH für einen Strafgefangenen: Wie berechnet sich der „Freibetrag“?

Bei der Gewährung von PKH spielt die Frage, welches eigene Einkommen der Antragsteller hat und wie das bei der PKH-Bewilligung zu berücksichtigen ist, eine Rolle. Mit den Fragen hat man als Strafrechtler nicht täglich/häufig zu tun, sie spielen aber z.B. eine Rolle, wenn es um Verfahren geht, in denen ein inhaftierter Mandant für ein Verfahren – z.B. auch in Strafvollzussachen – PKH beantragen will/muss. Dann ergibt sich das Problem, in welcher Höhe Arbeitseinkommen, das der Mandant erzielt, zu berücksichtigen ist, ob voll oder ob dem Mandanten zur Erhaltung des Lebensunterhalts nur eine Teil angerechnet und im Übrigen ein Freibetrag – in welcher Höhe – gewährt wird. Zu den damit zusammenhängenden Fragen verhält sich der KG, Beschl. v.  22.03.2013 – 9 W 13/13. Dieses geht davon aus, dass bei Strafgefangenen anstelle des Freibetrages für die Partei gemäß § 115 Absatz 1 Satz 3 Ziffer 2 a) ZPO nur ein Abzug in Höhe des um 10 % erhöhten Taschengeldanspruches für bedürftige Strafgefangene im Sinne von § 46 StVollzG zu berücksichtigen ist und schließt sich damit anderer obergerichtlicher Rechtsprechung an. Begründung:

Der Lebensunterhalt eines Strafgefangenen ist – im Gegensatz zum der gesetzlichen Regelung zu Grunde liegenden Regelfall einer bedürftigen Partei – aber durch die Justizvollzugsanstalt sichergestellt. Der Strafgefangene braucht den größten Teil der zur Sicherung seines notwendigen Lebensunterhaltes erforderlichen Kosten nicht aufzubringen, weil er in der Justizvollzugsanstalt ausreichend versorgt wird. Eine Anrechnung des um 10 % erhöhten höchsten Regelsatzes (der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII) als Freibetrag für die Partei gemäß § 115 Absatz 1 Satz 3 Ziffer 2 a) ZPO ist daher nicht gerechtfertigt.

Stattdessen kann auf die Höhe des Taschengeldes für bedürftige Strafgefangene im Sinne von § 46 StVollzG zurückgegriffen werden. Nach dieser Vorschrift wird einem Strafgefangenen, der ohne sein Verschulden kein Arbeitsentgelt und keine Ausbildungsbeihilfe erhält, ein angemessenes Taschengeld gewährt, falls er bedürftig ist. Dieses Taschengeld soll es dem Gefangenen ermöglichen, in einem bescheidenen Maße nach individuellen Bedürfnissen zusätzliche Dinge kaufen zu können (OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 248 – juris Tz. 9). Er entspricht der Höhe nach dem Betrag, der nach Abzug der von der Vollzugsanstalt getragenen Kosten (wie Unterkunft und Verpflegung) zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes verbleibt und ist damit mit dem Teil des Freibetrages gemäß § 115 Absatz 1 Satz 3 Ziffer 2 a) ZPO vergleichbar, der nach Abzug entsprechender Kosten jeder anderen bedürftigen Partei frei zur Verfügung steht.