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StPO I: Durchsuchung/Sicherstellung von Datenträgern, oder: BVerfG moniert „zu späten Tatverdacht“

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Heute dann ein StPO-Tag, und zwar mit Entscheidungen in Zusammenhang mit Zwangsmaßnahmen, also Durchsuchung und/Beschlagnahme.

Ich beginne „ganz oben“ und stelle zunächst den BVerfG, Beschl. v. 30.11.2021 – 2 BvR 2038/18 – vor. Gegenstand des Verfassungsbeschwerdeverfahrens sind Beschlüsse aus einem Verfahren beim AG/LG Münster. Das AG hatte die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschuldigten gemäß § 102 StPO sowie die Durchsuchung der Geschäftsräume der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, in welcher der Beschuldigte als Partner tätig ist, als Dritte gemäß § 103 StPO tätig war, angeordnet. Gegen den Beschuldigten bestehe der Verdacht der Beihilfe zur Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuerverkürzung in den Jahren 2013 bis 2015 zum Vorteil des A., des B. sowie der pp. Immobiliengesellschaft mbH & Co. KG. Der Beschuldigte sei Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner in einer Partnerschaftsgesellschaft und mit der Erstellung der Steuererklärungen sowie mit der Bewertung von Grundstücken im Zusammenhang mit deren Einbringung in das Gesellschaftsvermögen beauftragt gewesen. Unter Bezugnahme auf die Ermittlungsergebnisse des Finanzamtes legte das AG dar, aus welchen Gründen gegen A. und B. der Verdacht der Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuerverkürzung bestehe. So seien Rechnungen über noch nicht ausgeführte Bauleistungen (Scheinrechnungen) eingereicht sowie Grundstücke mit deutlich überhöhten Verkehrswerten in das Betriebsvermögen der Gesellschaft eingebracht worden, wodurch die Abschreibungen (AfA) zu hoch in Ansatz gebracht worden seien.

Die Durchsuchungsbeschlüsse wurden am 16.01.2018 vollzogen. In der Privatwohnung des Beschuldigten wurden ein Computer sowie eine Festplatte und in den Geschäftsräumen der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft im Büro des Beschuldigten sowie im Büro eines anderen Mitarbeiters diverse Unterlagen sowie weitere Daten sichergestellt. Von den in der Privatwohnung des Beschuldigten sichergestellten Datenträgern wurden Kopien für die Ermittlungsbehörden erstellt und die Datenträger anschließend zurückgegeben.

Gegen den gegen ihn persönlich gerichteten Durchsuchungsbeschluss legte der Beschuldigte Beschwerde ein. Das AG hat nicht abgeholfen. Das LG hat dann aber festgestellt, dass der gegen den Beschuldigte gerichtete Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig gewesen sei. Der Beschuldigte beantragte daraufhin die Aufhebung der Sicherstellung und die Herausgabe beziehungsweise Löschung aller sichergestellten Unterlagen und Daten. Das AG ordnete dann aber in dem Ermittlungsverfahren gegen B. und A. die „Beschlagnahme“ beziehungsweise zum Zwecke der Durchsicht die Sicherstellung derjenigen Gegenstände an, die bei den Durchsuchungen beim „gesondert verfolgten“ Beschuldigten und bei der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft aufgefunden worden waren. Dagegen die Beschwerde, die das LG verworfen. Nach Durchführung des Anhörungsverfahrens hat der Beschuldigte dann die Verfassungsbeschwerde erhoben. Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angenommen, soweit sie sich gegen den AG-Beschluss gewandt hat, im Übrigen hat es sie als unzulässig verworfen:

„c) Da das Verfahren im Stadium der Durchsicht noch einen Teil der Durchsuchung bildet, kommt es für die Rechtmäßigkeit der richterlichen Bestätigung einer vorläufigen Sicherstellung darauf an, ob die Voraussetzungen einer Durchsuchung zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Durchsicht vorliegen (vgl. BVerfGK 1, 126 <133 m.w.N.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. November 2019 – 2 BvR 31/19a. -, juris, Rn. 39; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. September 2018 – 2 BvR 708/18 -, Rn. 25). Dabei müssen die Gründe der Durchsicht mit den Gründen für die Anordnung der Durchsuchung nicht notwendigerweise identisch sein und können im Detail andere Voraussetzungen bestehen als für die Durchsuchungsanordnung (vgl. BVerfGK 1, 126 <133 f.>). Sind jedoch die Voraussetzungen einer Durchsuchung zum Entscheidungszeitpunkt über die Durchsicht nicht mehr gegeben, dann ist auch die Durchsicht als Teil der Durchsuchung nicht mehr zulässig (vgl. BVerfGK 15, 225 <237 f.> m.w.N.; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Juni 2008 – 2 BvR 1111/08 -, juris, Rn. 5). Es muss also zum Entscheidungszeitpunkt ein Anfangsverdacht bestehen und die Durchsicht zur Auffindung von Beweismitteln geeignet und verhältnismäßig sein. Ungeeignet ist die Durchsicht insbesondere, wenn Beweismittel aufgespürt werden sollen, die einem Beschlagnahmeverbot oder einem sonstigen Verwertungsverbot unterliegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. September 2018 – 2 BvR 708/18 -, Rn. 25).

d) Im vorliegenden Verfahren fehlt es an verfassungsrechtlich vertretbaren Ausführungen zur Zulässigkeit der vorläufigen Sicherstellung im Hinblick auf etwaige Beschlagnahmeverbote im Sinne des § 971 StPO (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. September 2018 – 2 BvR 708/18 -, Rn. 25; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juni 2018 – 2 BvR 1405/17, 2 BvR 1780/17 -, Rn. 80; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. August 2014 – 2 BvR 969/14 -, Rn. 45; Beschluss des Zweiten Senats vom 12. April 2005 – 2 BvR 1027/02 -, Rn. 137; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 1. Juli 2003 – 2 BvR 306/03 -, Rn. 6 f.; Hauschild, in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2014, § 97 StPO Rn. 37).

aa) Dabei kommt es im Ergebnis nicht darauf an, dass das Landgericht ohne nähere Erörterung allein auf § 160a1 und Abs. 4 Satz 1 StPO abstellt, der nicht auf § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO verweist, obwohl der Beschwerdeführer Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (nicht aber Rechtsanwalt) ist und zudem ein gemäß § 160a Abs. 5 StPO nach herrschender Ansicht vorrangiges Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 1 StPO im Raum steht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juni 2018 – 2 BvR 1405/17, 2 BvR 1780/17 -, Rn. 73-76), das auch Gegenstände im Gewahrsam eines nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO zeugnisverweigerungsberechtigten Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters umfasst.

bb) Ein Beschlagnahmeverbot kommt zwar gemäß § 972 Satz 2 StPO – ähnlich wie beim vom Landgericht geprüften § 160a Abs. 4 Satz 1 StPO – bei einem selbst beschuldigten Zeugnisverweigerungsberechtigten nicht in Betracht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. September 2018 – 2 BvR 708/18 -, Rn. 42). Diese Rückausnahme vom Beschlagnahmeverbot setzt jedoch schon ihrem Wortlaut nach voraus, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass der Zeugnisverweigerungsberechtigte an der Tat oder an einer Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist. Erforderlich ist daher ein konkretisierter Tatverdacht gegen den Zeugnisverweigerungsberechtigten selbst (vgl. BVerfGE 117, 244 <262>; 129, 208 <268>). Durchsuchung, Durchsicht oder Beschlagnahme dürfen nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind, denn sie setzen einen Verdacht bereits voraus (vgl. BVerfGK 8, 332 <336>; 11, 88 <92>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 1. August 2014 – 2 BvR 200/14 -, Rn. 15).

Zwar kann sich ein Tatverdacht auch erst nachträglich nach Durchführung (gegebenenfalls rechtswidriger) vorheriger Ermittlungsmaßnahmen ergeben. Auch im Falle eines sich erst nachträglich ergebenden Tatverdachts ist es jedoch zwingende Voraussetzung der Rechtmäßigkeit einer weiteren richterlich angeordneten Ermittlungsmaßnahme, dass der gegen einen Verdächtigen gerichtete Tatverdacht jedenfalls zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung vorliegt. Gerade auch der Tatverdacht gegen einen Zeugnisverweigerungsberechtigten muss zum Entscheidungszeitpunkt vorliegen (vgl. Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 97 Rn. 20). Nicht ausreichend ist, dass der Tatverdacht erst durch das (unzulässig) sichergestellte beziehungsweise beschlagnahmte Beweismittel entsteht (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2001 – 1 StR 198/01 -, juris, Rn. 33; Greven, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl. 2019, § 97 Rn. 41). Eine Ermittlungsmaßnahme vorzunehmen, um erst durch die Auswertung der dabei gewonnenen Erkenntnisse möglicherweise einen Tatverdacht gegen den Berufsgeheimnisträger begründen und sich auf die Rückausnahme des § 97 Abs. 2 Satz 2 StPO berufen zu können, ist mit dem Schutzzweck des § 97 Abs. 1 StPO unvereinbar und ließe diesen leerlaufen.

cc) Die Ausführungen des Landgerichts, wonach ein Anfangsverdacht (nur) gegen die Beschuldigten A. und B. zur Sicherstellung von möglicherweise beschlagnahmefreien Gegenständen genüge, soweit sich (erst) durch den Vollzug oder im Nachgang an die anzuordnende Ermittlungsmaßnahme möglicherweise ein Tatverdacht gegen den Berufsgeheimnisträger ergebe, sind danach unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar. Soweit der Anfangsverdacht als Voraussetzung einer Durchsicht geprüft wird, stellen das Amtsgericht und das Landgericht einzig auf den Tatverdacht gegen die beiden Beschuldigten A. und B. ab. Soweit dann in einem weiteren Prüfungsschritt die Frage möglicher Beschlagnahmeverbote im Hinblick auf etwaige vertrauliche Kommunikation mit einem Berufsgeheimnisträger im Raum steht, stellen die Fachgerichte dagegen auf die potentielle (durch die Durchsicht erst noch zu ermittelnde) Tatbeteiligung des Beschwerdeführers ab, weswegen etwaige Beschlagnahmeverbote derzeit nicht in Betracht kämen. Der Verzicht auf einen Anfangsverdacht gegen den Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt einerseits bei gleichzeitiger Verneinung eines etwaigen Beschlagnahmeverbots wegen der potentiellen Tatbeteiligung des Beschwerdeführers andererseits ist widersprüchlich und kombiniert in nicht mehr vertretbarer Weise die Voraussetzungen einer Durchsicht beim Verdächtigen und beim Nichtverdächtigen mit dem Ergebnis, dass zum fachgerichtlichen Entscheidungszeitpunkt weder ein Anfangsverdacht gegen den Beschwerdeführer erforderlich ist, noch die mögliche Einschlägigkeit von Beschlagnahmeverboten gemäß § 971 StPO und damit die Eignung und Angemessenheit der Durchsicht überhaupt näher zu prüfen und zu begründen wären (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. September 2018 – 2 BvR 708/18 -, Rn. 25; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juni 2018 – 2 BvR 1405/17, 2 BvR 1780/17 -, Rn. 80; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. August 2014 – 2 BvR 969/14 -, Rn. 45; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 1. Juli 2003 – 2 BvR 306/03 -, Rn. 6). Die Voraussetzungen einer Durchsicht von bei einem Berufsgeheimnisträger sichergestellten Gegenständen werden auf diese Weise derart weit unter das von der Strafprozessordnung vorgegebene Maß abgesenkt, dass die Beschlüsse einer Prüfung am Willkürmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht standhalten.“

Wenn der Steuerberater Unterlagen nicht herausgibt, oder: Geldbuße und Verweis

Und auch die zweite Entscheidung im Kessel Buntes ist nicht „Alltags-Geschäft, sondern „mal was anderes“. Es handelt sich um das LG Frankfurt a. M., Urt. v. 24.06.2018 – 5-35 StL 4/16, in dem gegen einen Steuerberater eine Geldbuße festgesetzt worden und ihm ein Verweis erteilt worden ist, weil dieser Unterlagen nicht herausgegeben hat.

Nach dem Sachverhalt hatte ein Mandant des Steuerberaters das zunächst diesem erteilte Mandat Mitte 2014 auf den Steuerberater B übertragen. Steuerberater B schrieb dann an den Steuerberater nach mehrfachen vergeblichen Kontaktversuchen eine Mail, in der er um Auskunft und Datenübertragung bat. Nachdem weitere Kontaktversuche gescheitert waren, setzte Steuerberater B in einer Mail unter Hinweis darauf, dass vom Steuerberater zuvor angekündigte Schritte, insbesondere die Freigabe von Unterlagen, unterblieben seien, dem Steuerberater eine Erledigungsfrist und drohte die Einschaltung der Berufskammer an. Es ging dann noch hin und her, jedenfalls ist es – auch nach Einschaltung der Steuerberaterkammer – nicht zur Herausgabe der Unterlagen gekommen.

Das führte dann jetzt zu den berufsrechtlichen Maßnahmen:

„Der Steuerberater hat seine Berufspflichten nach §§ 57 Abs. 1, 80 Abs, 2 StBerG schuldhaft verletzt.

Der Steuerberater hat übernommene Beratungsaufträge nach den Grundsätzen pflichtgemäßer Berufsausübung auszuführen(§ 13 Abs. 1 BOStB).

Bei Beendigung des Auftrags hat der Steuerberater auf Aufforderung die Unterlagen seiner Mandanten i.S. v. § 66 StBerG herauszugeben (§§ 675 Abs. 1, 667 2. Alt. BGB, § 13 Abs. 4 BOStB). Die Herausgabepflicht bezieht sich auch auf Unterlagen mit vorbereitenden Arbeitsergebnissen, etwa Buchführungsbestandteilen bzw. die entsprechenden elektronischen Daten. Die Unterlagen sind herauszugeben, wenn dem Steuerberater keine fälligen und offenen Honoraransprüche mehr zustehen bzw. die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts im Hinblick auf die Interessen des Mandanten treuwidrig wäre (§ 66 Abs. 2 StBerG).

Dagegen hat der Steuerberater, der sich dem Mandanten gegenüber nicht ausdrücklich auf Gegenansprüche in einer gemessen an der Beeinträchtigung der Interessen des Mandanten nicht unverhältnismäßig geringen Höhe berufen hat, nachhaltig und vorwerfbar verstoßen.

Es entspricht nicht den Anforderungen an ein berufswürdiges Verhalten (§ 7 BOStB), wenn der Steuerberater gegenüber dem früheren Mandanten, gegenüber dem ihm nachfolgenden Steuerberater, gegenüber dem Gerichtsvollzieher und der Steuerberaterkammer wahrheitswidrige Ankündigungen und Erklärungen abgibt.

Es liegt zudem auf der Hand, dass die berufsrechtliche Pflicht zur Begründung einer beruflichen Niederlassung mit Eröffnung ausreichender Kommunikationsmöglichkeiten die Anforderung umfasst, auch tatsächlich in eine berufsbezogene Kommunikation mit Interessenten zu treten. Es war standeswidrig, dass der Steuerberater eine Vielzahl von Kontaktversuchen ohne Reaktion ließ.

Zudem hat der Steuerberater seine Auskunftspflicht gegenüber der Steuerberaterkammer nach § 80 StBerG schuldhaft verletzt.“

Die Revisionsbegründung durch den/des Steuerberaters, oder: Unzulässig

© robotcity - Fotolia.com

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Nach § 345 StPO muss die Revisionsbegründung in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift enthalten sein. In dem dem OLG Hamm, Beschl. v. 02.08.2016 – 4 RVs 78/16 – zugrunde liegenden Verfahren hatte der Angeklagte als Steuerberater die Begründung der Revision gegen ein Urteil des LG Münster unterzeichnet. Das OLG sagt: Geht nicht = unzulässig:

„Nach § 345 StPO sind die Revisionsanträge und ihre Begründung in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfolgt. Soweit sich der Angeklagte auf § 107 Abs. 1 Steuerberatungsgesetz beruft, kann er damit nicht durchdringen. Die von ihm zitierte Regelung betrifft ausdrücklich nur berufsgerichtliche Verfahren vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht. Für eine analoge Anwendung ist hier kein Raum.

b) Der Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten entspricht nicht der Form des § 45 StPO und ist damit bereits unzulässig. Zudem hat der Angeklagte die versäumte Handlung – eine Revisionsbegründungsschrift eines Verteidigers oder Rechtsanwaltes bzw. zu Protokoll der Geschäftsstelle – nicht innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO nachgeholt.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an und bemerkt ergänzend:

Auch aus § 392 AO ergibt sich nicht, dass die von dem Angeklagten als Steuerberater unterzeichnete Revisionsbegründungsschrift den Anforderungen des § 345 Abs. 2 StPO genügt. Danach können zwar Steuerberater zu Verteidigern gewählt werden, soweit die Finanzbehörde das Strafverfahren selbständig durchführt. Letzteres ist aber hier nicht der Fall. Die Befugnis zur alleinigen Verteidigung durch einen Steuerberater endet in dem Augenblick, in dem die Staatsanwaltschaft oder das Gericht mit der Strafsache befasst wird (Jäger in: Klein, AO, 13. Aufl., § 392 Rdn. 3 m.w.N.). Im Übrigen können sie die Verteidigung nur in Gemeinschaft mit einem Rechtsanwalt oder einem Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt führen.

Eine analoge Anwendung des § 392 AO oder des vom Angeklagten angeführten § 107 StBerG scheidet angesichts der detaillierten gesetzlichen Abgrenzungen, wann ein Steuerberater allein oder in Gemeinschaft mit einem Rechtsanwalt etc.als Verteidiger tätig sein kann, schon mangels Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke aus.“

„Wie hinterziehe ich Steuern möglichst gut“… „leise Ironie“ beim 1. Strafsenat des BGH?

U.a. um die Frage ging es bei der Begründung des gestrigen Urteils des BGH zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung (BGH, Urt. v. 07.102.2012 – 1 StR 525/11). Der BGH hat ein Urteil des LG Augsburg, das den Angeklagten bei einem Steuerschaden von 1,1 Mio € noch zu einer Bewährungsstrafe verurteilt hatte, im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben (vgl. hier die PM). In der PM heißt es zu den Gründen:

Das Landgericht hat zwar in beiden Fällen einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr.1 AO) angenommen. Die Strafzumessung des Landgerichts weist aber durchgreifende Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf. Das Ausbleiben strafschärfender Umstände wurde mildernd berücksichtigt. Gewichtige Strafzumessungsgesichtspunkte, die die Strafkammer festgestellt hat (z.B. das Zusammenwirken mit dem Steuerberater beim Erstellen manipulierter Unterlagen) blieben bei der Strafzumessung außer Betracht. Die Urteilsgründe lassen besorgen, die Strafkammer habe sich rechtsfehlerhaft bei der Einzelstrafbildung maßgeblich von der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung leiten lassen. Nach der gesetzgeberischen Wertung zur Steuerhinterziehung im großen Ausmaß und den hieraus abgeleiteten Grundsätzen zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe (von im Höchstmaß zwei Jahren) nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 – 1 StR 416/08; vgl. Pressemitteilung Nr. 221/08); solche hat das Landgericht hier nicht ausreichend dargetan.

In der Tagespresse/Berichterstattung über die Verhandlung liest sich das u.a. so:

„So hätte das Landgericht nicht mildernd berücksichtigen dürfen, dass der Angeklagte einen Steuerberater hinzugezogen hatte. „Ob das ein Milderungsgrund ist, wenn man sich von seinem Steuerberater über die Frage beraten lässt: ,Wie hinterziehe ich Steuern möglichst gut?’“, fragte der Vorsitzende Richter Armin Nack mit leiser Ironie.“ (vgl. u.a. hier).

Nun ja, „leise Ironie“? Abschließend wird man das ohne genaue Kenntnis der Urteilsgründe und Umstände nicht beurteilen können. Die bleiben abzuwarten. Und dann kann man beurteilen, ob es ggf. eine besondere Ironie des 1. Strafsenats ist/war. Denn, warum soll es nicht strafmildernd sein, wenn mich ggf. ein Steuerberater berät. Die Hinzuziehung eines Steuerberaters spricht ja nun nicht immer für die Absicht der Steuerhinterziehung.

Kommt das dicke Ende hinterher, oder: Haftet der (Steuer)Berater für Geldstrafen seines Mandanten?

Schaut man mal über den Tellerrrand, dann stellt man fest, dass das Strafrecht über seinen eigentlichen Bereich hinaus doch auch an manchen anderen Stellen eine Rolle spielt bzw. spielen kann.

So auch im Urt. des BGH v. 15. 4. 2010 – IX ZR 189/09. Dort hat der BGH entschieden, dass ein Steuerberater, der bei der Steuererklärung unrichtige Angaben gemacht hat, seinem Mandanten gegenüber verpflichtet sein kann, die gegen diesen verhängte Geldstrafe wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung als entstandenen Vermögensschaden zu ersetzen, wenn sich keine konkreten Feststellungen zur subjektiven Tatbestandsseite des Mandanten treffen ließen. Es gehöre zu den vertraglichen Pflichten eines Steuerberaters, seinen Mandanten vor der Begehung einer steuerlichen Straftat oder Ordnungswidrigkeit und deren Folgen zu schützen. Die gegen den Mandanten verhängte Geldstrafe sei nach dieser Entscheidung gem. § 249 BGB erstattungsfähig (ähnlich auch schon der BGH in früheren Entscheidungem für die leichtfertige Steuerhinterziehung).

Liest man die Entscheidung stellt sich dann doch die Frage: Der Mandant war wegen einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung verurteilt worden, im Zivilrecht wird aber demgegenüber ein Schadensersatzanspruch bejaht mit der Begründung, dass nicht von einem vorsätzlichen Verhalten ausgegangen werden dürfe, weil keine tatsächlichen Feststellungen hierzu getroffen worden seien. Ok, Bedingungswirkung gibt es nicht.

Im Übrigen aber dennoch: Auch für Verteidiger in der Beratung von Interesse. Sei es, dass man den Mandanten berät – dann für den „Angriff“ – sei es, dass man den Steuerberater berät – dann für die Abwehr- bzw. Folgenberatung.