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Das ist der GBA wohl etwas weit gegangen…

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Manchmal sind BGH-Entscheidungen allein deshalb interessant, weil der BGH zu Vorbringen des Verteidgers/Angeklagten in der Revisionsbegründung aber auch des GBA in der Gegenerklärung „kurz und zackig“ Stellung nimmt. So der BGH, Beschl. v. 30.07.2013 – 4 StR 190/13, in dem der BGH „ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts“ „anmerkt“ (eine Formulierung, die einen „aufmerken“ lässt :-)):

„Hinsichtlich der Befangenheitsrüge gegen die Vorsitzende Richterin erscheint fraglich, ob – wie der Generalbundesanwalt meint – ein Angeklagter durch eine Äußerung des Gerichts zum Inhalt einer Beweiserhebung regelmäßig nicht beschwert, sondern begünstigt wird (Antragsschrift des Generalbundesanwalts S. 3 oben). Denn Anlass zur Besorgnis der Befangenheit besteht jedenfalls dann, wenn der Vorsitzende seine Ansicht in Formulierungen kleidet, die den Eindruck erwecken, er habe sich bereits ein für alle Mal festgelegt und verschließe sich endgültig etwaigen Einwendungen gegen die von ihm vorgenommene, nach seiner Meinung allein mögliche Wertung (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 1984 – 2 StR 525/83, bei Holtz MDR 1984, 797). Davon kann jedoch im vorliegenden Fall keine Rede sein, weil sich die Vorsitzende – worauf der Generalbundesanwalt des Weiteren zu Recht abstellt  hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin nicht zu Lasten des Angeklagten vorfestgelegt hatte.“

Das war der GBA dem BGH grundsätzlich/im Allgemeinen ein wenig zu weit gegangen.

 

„und reichte den …. Antrag dem Vorsitzenden, den dieser zerriss“ – so bescheidet man Anträge in Mönchengladbach

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Hoch hergegangen sein dürfte es beim LG Mönchengladbach in einer Hauptverhandlung gegen mehrere Angeklagte, denen u.a. der Vorwurf des erpresserischen Menschenraubes gemacht worden ist. Das folgt für mich aus dem BGH, Beschl. v. 18.09.2012 – 3 StR 348/12 – und den dort vom BGH erörterten Verfahrensrügen, die allerdings nicht zum Erfolg geführt haben:

Die erste Rüge betrifft die Frage: Abgabe „schriftlich vorformulierter Einlassungen“ mit folgenden Verfahrensablauf:

Der Vorsitzende der Strafkammer lehnte es ab, dass die Verteidiger an Stelle der mündlichen Einlassungen der Angeklagten schriftlich vorformulierte Erklärungen für diese abgaben. Diese Anordnung bestätigte die Kammer später durch Beschluss (§ 238 Abs. 2 StPO). Der Verteidiger des Angeklagten Ö. K. wollte dem Vorsitzenden eine schriftlich vorbereitete Stellungnahme des Angeklagten übergeben, deren Annahme der Vorsitzende jedoch verweigerte. Der Verteidiger beantragte die Verlesung der Erklärung und reichte den auf deren Rückseite niedergeschriebenen Antrag dem Vorsitzenden, den dieser zerriss. Die Kammer wies den – auf einem separaten Blatt erneut eingereichten – Antrag, dem sich der Verteidiger des Angeklagten K. K. für diesen entsprechend anschloss, zurück und begründete dies damit, dass sie diesen als Antrag auf Verlesung einer Urkunde verstehe und der Antrag keine Beweistatsache enthalte.

Dazu der BGH:

„Die Revisionen der betroffenen Angeklagten beanstanden im Wesentlichen, dass der Antrag auf Verlesung ohne jegliche Prüfung des Erklärungsinhalts abgelehnt worden sei, dass auch ein schriftliches Geständnis unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht zum Gegenstand des Urteils gemacht werden müsse und dass der Anspruch auf rechtliches Gehör zumindest erfordert hätte, die Stellungnahme zum Aktenbestandteil zu machen oder inhaltlich zur Kenntnis nehmen.

Es trifft zu, dass das Gericht verpflichtet ist, eine schriftliche Stellungnahme des Angeklagten zur Kenntnis zu nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2008 – 3 StR 6/08, BGHSt 52, 175, 178). Insofern war die Verfahrensweise, eine Entgegennahme der Erklärung abzulehnen und diese gar zu zerreißen, fehlerhaft. Jedoch führt dies nicht zur Begründetheit der Rügen, da die Verteidigung nicht in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt (§ 338 Nr. 8 StPO) beschränkt ist. Denn eine kausale Beziehung zwischen der fehlerhaft unterbliebenen Kenntnisnahme und dem Urteil ergibt sich bei der konkreten Sachlage nicht (s. BGH, Beschluss vom 11. November 2004 – 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 327 f.; Urteil vom 24. November 1999 – 3 StR 390/99, BGHR StPO § 338 Nr. 8 Beschränkung 6). Aus den mit den Revisionen vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen der Angeklagten Ö. K. und K. K. drängen sich keine Beweistatsachen oder Beweismittel auf, denen die Kammer hätte nachgehen müssen. Auch die Revisionen machen solche nicht geltend. Im Übrigen gebot die Pflicht zur Amtsaufklärung auch nicht, die Schreiben der beiden Angeklagten, die sich später selbst noch in der Hauptverhandlung eingelassen haben, zu verlesen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2008 – 3 StR 6/08, BGHSt 52, 175, 180 f.).

Ich hoffe, man muss jetzt nicht darüber streiten, dass es so – wie es das LG gemacht hat – nun wirklich nicht geht. Es geht gar nicht um die Frage, ob und inwieweit schriftliche Einlassungen zulässig sind. Die Frage wird unterschiedliche beantwortet. Aber zur Kenntnis nehmen muss man „schriftliche Stellungnahmen“

Schwere und leichte Kavallerie, oder: Wie schlecht sind GBA/GStA wirklich?

Der Kollege Nebgen hat gestern in seinem Blog unter dem Titel „Hier schreibt die Kavallerie“ zu den Revisionsgegenerklärungen von GBA und GStA in den Revisionsverfahren beim BGH und den OLG gepostet (gilt dann auch für die Rechtsbeschwerdeverfahren=. Diese hat er – aus seiner Sicht – ziemlich verrissen – wenn man es gelinde ausdrückt. Beim Kollegen heißt es nämlich:

Was dabei herauskommt, ist in der Regel unter aller Sau. In den zumeist aus maximal einer DIN A-4-Seite bestehenden Pamphleten wird in 99 % der Fälle die Zurückweisung der Revision als offensichtlich unbegründet beantragt, und zwar völlig unabhängig von den erhobenen Rügen. Die Begründungen bestehen durchweg aus vorgefertigten Textbausteinen, die in der Regel keinerlei Bezug zum konkreten Fall aufweisen. Kollege Hoenig zitiert hier eine solche Antragsschrift. Allerdings würde ich die erbärmliche Qualität weniger auf Ahnungslosigkeit als auf Faulheit (und manchmal auch auf Bösartigkeit) zurückführen wollen.“

Zu dem Beitrag hat sich eine Diskussion entwickelt, die einerseits dem Kollegen Recht gibt, andererseits aber auch sein Urteil als zu pauschal ansieht. Ich hatte beim Kollegen ebenfalls bereits kommentiert. Das will ich hier jetzt noch einmal wiederholen und damit hier eine Lanze für die Revisionsgegenerklärungen brechen. Ich habe beim Kollegen geschrieben:

Ich muss dann aber auch mal eine Lanze für die GStA brechen: Ich habe in den rund 13 Jahren, in denen ich beim OLG Hamm Rechtsbeschwerden und Revisionen bearbeitet habe, auch eine Menge guter Stellungnahmen der GStA gesehen. Und zwar nicht nur von den Hiwis, die schon im eigenen Interesse gute Arbeit abliefern müssen, sondern auch von den alten Hasen. Natürlich gibt es auch die anderen (eine davon hat der Kollege Hoenig ja an den Pranger) gestellt. Aber das ist nun mal wie mit den Revisions- und Rechtsbeschwerdebegründungen der Verteidiger. Es gibt „sone“ und „sone“. Ihre Herr Kollege Nebgen sind sicherlich immer gut 🙂 :-).“ –

Zu der vom Kollegen Hönig, auf den sich der Kollege Nebgen bezieht, angesprochenen Entscheidung des OLG Jena hier (über die Entscheidung hatten wir ja auch schon – allerdings unter einem anderen Blickwinkel – (vgl. hier) – berichtet). Wie „schlecht“ die Stellungnahme in der Sache war, lässt sich übrigens dem OLG Jena, Beschl. v. 16.03.2011 – 1 Ss Bs 17/11 – nicht genau entnehmen, da der Beschluss nur mitteilt, dass die GStA die Verwerfung als offensichtlich unbegründet beantragt hat, nicht aber, warum und mit welcher Begründung. Und ob die GStA „offensichtlich keine Ahnung“ hat – wie der Kollege Honeig meint – lässt sich damit m.E. auch nicht sicher feststellen. Es wird – das räume ich ein – wahrscheinlich keine bahnbrechende Stellungnahme der GStA gewesen sein, die das OLG zu lesen bekommen hat, aber: Wie gut oder wie schlecht sie war, weiß man eben nicht. Zur den Gegenerklärungen des GBA kann man sicherlich mehr sagen. Da hilft die HP des BGH bzw. dessen Beschlüsse, aus denen man das ein oder andere über die Stellungnahmen ablesen kann. Auch da gibt es „sone“ und sone“.

Alles in allem: M.E. schießt der Kollege ein wenig über das Ziel hinaus mit seiner Kritik. Mir ist sie zu pauschal, wenn es heißt „in der Regel unter aller Sau“. Leider habe ich keine Zahlen, die meine Kritik an der Kritik des Kollegen belegen könnten. Die gibt es m.E. auch nicht. Ich kann nur sagen, es ist in vielen Fällen anders (gewesen). Oder: Es gibt eben schwere und leichte Kavallerie 🙂

Ach, übrigens: Auch die Verteidigerin hatte im OLG Jena-Verfahren ihre Rechtsbeschwerde nur „mit der allgemeinen Sachrüge begründet sowie Verfahrensmängel gerügt“. Daraus wird man schließen können, dass von ihr die vom OLG festgestellten Rechtsfehler auch nicht geltend gemacht worden waren. Aber: Ist sie deshalb „faul“ oder gar „bösartig“?

 

Strafverfahren: Quo vadis – Stellungnahme des DRB zum Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik

Seit einiger Zeit befindet sich ein wieder aufgewärmtes Gesetzesvorhaben im Gesetzgebungsverfahren (vgl. BR-Drucks. 902/09):  Das Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik, das auf das Land Hessen zurückgeht und schon im 16. Bundestag eingebracht war, dort aber nicht mehr erledigt worden ist. Nun hat der Deutsche Richterbund (DRB) seine Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf  abgegeben. Er geht davon aus, dass eine Intensivierung der Videokonferenztechnik durchaus zu einer Beschleunigung des Verfahrens führen könne. Er bezweifelt allerdings, dass sich der bislang sparsame Einsatz von Videotechnik allein aufgrund der vorgeschlagenen Änderungen verbessern würde, da dieser insbesondere an der insoweit häufig mangelnden Ausstattung bei den Justizbehörden scheitert. Der DRB fordert außerdem, dass der Einsatz der Videotechnik im freien Ermessen des Gerichts stehen sollte.

Besonders interessieren mich natürlich die geplanten Änderungen in der StPO. Insoweit stellt der DRB fest, dass durch die vorgeschlagenen Änderungen die Möglichkeiten des Beschuldigten im Ermittlungs- und Hauptverfahren, seine Rechte wahrzunehmen, teils verbessert, im Übrigen aber zumindest nicht verschlechtert würden. Bedenken bestehen beim DRB gegen die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich der Vorschriften über die Strafvollstreckung. Dass die vorgesehen Änderungen Beschleunigungseffekte haben würden, treffe zu. Es sei jedoch zu beachten, dass es bei den Entscheidungen, die jenen von dem Entwurf angesprochenen Anhörungen folgen, häufig auf den persönlichen Eindruck des Gerichtes von dem Betroffenen ankomme. Dieser Eindruck dürfe bei einer Videovernehmung häufig nur wesentlich schlechter zu gewinnen sein als bei einer unmittelbaren Anhörung.

Ich habe da insoweit Bedenken, weil ich diesen Gesetzesentwurf als einen ersten Einstieg in eine Neugestaltung der Hauptverhandlung ansehe. Hat man den Einsatz von Videotechnik erst einmal noch weiter zugelassen (s. § 247a Abs. 2 StPO-E), dann wird es wahrscheinlich nicht mehr lange dauern, bis nicht nur der SV im Wege der Videotechnik gehört werden kann, sondern auch andere Verfahrensbeteiligte. Ein Einschnitt in § 250 StPO. Wo wird es enden: Gericht in Hamburg, Verteidiger in München, Zeuge in Münster und Angeklagter in Köln? Allerdings: Vielleicht retten ja die leeren Kassen den Strafprozess. Denn die Länder werden finanziell kaum in der Lage sein, die Gerichte technisch entsprechend, vor allem ausreichend auszustatten.

Die vollständige Stellungnahme des DRB mit der Nr. 10/10 finden Sie im Internetangebot des Deutschen Richterbundes (PDF); Quelle für diesen Beitrag: Aktueller Dienst von LexisNexis unter LNCA 2010, 179115 vom 19.04.2010.

SPD: Koalitionsvereinbarung im Bereich Justiz: Substanzlos und ohne moderne Ansätze

In einer gemeinsamen Erklärung der sozialdemokratischen Justizminister/innen zur Koalitionsvereinbarung im Bereich der Justiz heißt es:

„Die heute vereidigte schwarz-gelbe Bundesregierung kann die Probleme im Bereich der Justiz nicht lösen. Konzepte lassen sich im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP nicht erkennen. Halbherzige Vorschläge beinhalten die falschen Antworten auf drängende justizpolitische Probleme“. Zu diesem Fazit kommen die sozialdemokratischen Justizministerinnen und Justizminister bzw. -senatorinnen und -senatoren der Länder Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.
Die FDP habe im Wahlkampf vollmundig eine Stärkung der Freiheits- und Bürgerrechte versprochen. Von den festgelegten Zielen seien jedoch nur weichgespülte Prüfvorhaben übrig geblieben. So habe die FDP in ihrem Wahlprogramm die Wiederherstellung des Bankgeheimnisses durch die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung und den Verzicht auf heimliche Online-Durchsuchungen privater Computer gefordert. Doch anstatt das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung abzuschaffen, wolle man stattdessen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen abwarten. Tatendrang und Reformmut sehen anders aus.
Auf die drängenden Probleme im Bereich der Jugendkriminalität suche die Koalition die Lösung in Instrumenten, die von Wissenschaft und Praxis als untauglich angesehen würden. Wer glaube, mit der Erhöhung der Höchststrafe für Mord bei Jugendlichen auf 15 Jahre Straftaten verhindern zu können, verkenne die Realität. Wichtig sei vielmehr die Fokussierung auf den Aspekt der Prävention, um weitere Straftaten zu verhindern. Das erreiche man aber nicht durch die stetig wiederkehrende Forderung nach schärferen Strafen, wie man anhand der Beispiele in anderen Ländern erkennen könne. Die Instrumente, die das derzeitige Jugendstrafrecht biete, seien gut und ausreichend.

„Der neuen Bundesregierung scheint es an jeglicher Inspiration zu fehlen. Wir werden deshalb auch in Zukunft die aus unserer Sicht notwendigen Problemlösungen über den Bundesrat in das parlamentarische Verfahren einbringen. Zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger werden wir der konzeptlosen Bundesregierung notfalls helfen müssen“, so die Unterzeichner abschließend.

Quelle: PM Ministerium der Justiz, Rheinland-Pfalz, vom 28.10.2009