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Skimming – wann beginnt der Versuch?

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Ich liebe ja für das Blog die vielen kleinen Schmankerl = die vielen schönen Entscheidungen, die ich von Kollegen geschickt bekomme. Die sind zwar nicht unbedingt immer „Jura am Hochreck“, aber meist für die Praxis interessant: Nachahmenswert oder auch nicht. Darüber darf man dann aber das „Hochreck“ nicht vergessen. Und deshalb heute mal richtig Jura mit drei BGH-Entscheidungen.

Starten will ich mit dem BGH, Beschl. v. 29.01.2014 – 1 StR 654/13 – zur Frage des Versuchsbeginns beim sog. Skimming. Dazu heißt es:

Die vorstehenden abstrakt-generellen Maßstäbe des Versuchsbeginns bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen stets einer wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls (BGH, Urteile vom 12. Dezember 2001 – 3 StR 303/01, NJW 2002, 1057; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 338/10, NStZ 2011, 517 Rn. 6). Auf die strukturellen Besonderheiten des in Frage kommenden Tatbestands ist dabei Bedacht zu nehmen (BGH, Urteil vom 7. November 2007 – 5 StR 371/07, NStZ 2008, 409, 410; Beschluss vom 15. März 2011 – 3 StR 15/11, wistra 2011, 299, 300 Rn. 5).

b) Bei der Bestimmung des Versuchsbeginns zu der Straftat des Nachmachens (§ 152a Abs. 1 Nr. 1 StGB) einer Zahlungskarte mit Garantiefunktion i.S.v. § 152b Abs. 4 StGB muss – den vorgenannten Grundsätzen entsprechend – das unmittelbare Ansetzen auf die Fälschungshandlung, also das Über-tragen der zuvor ausgespähten Kartendaten auf die Kartendublette, bezogen werden (vgl. BGH aaO, wistra 2011, 299, 300 Rn. 6; Saliger StV 2012, 528 mwN). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist deshalb anerkannt, dass das bloße Anbringen von Skimming-Gerätschaften an einem Geldautoma-ten noch kein unmittelbares Ansetzen zu der Tat des Nachmachens von Zahlungskarten begründet (BGH aaO, wistra 2011, 299, 300 Rn. 6; BGH, Be-schluss vom 11. August 2011 – 2 StR 91/11, NStZ-RR 2011, 367, 368; siehe auch BGH, Beschluss vom 14. September 2010 – 5 StR 336/10, NStZ 2011, 89). Gelingt es dem Täter nicht, die mit Hilfe der Skimming-Geräte aufgezeichneten Datensätze in seinen Besitz zu bringen, fehlt es ebenfalls am Versuchs-beginn des Nachmachens von Zahlungskarten (BGH aaO, NStZ 2011, 89).

c) Ob bei der gebotenen wertenden tatbestands- und einzelfallbezoge-nen Konkretisierung des Versuchsbeginns ein unmittelbares Ansetzen zu der Tat gemäß § 152b i.V.m. § 152a Abs. 1 Nr. 1 StGB bei dem zeitlich gestreckten Vorgang von der Erlangung der Kartendaten durch die Skimming-Gerät-schaften bis zu der Übertragung dieser Daten auf die Kartendubletten vor dem Beginn der Fälschungshandlung selbst gegeben sein kann, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch nicht vollständig geklärt.

Der 4. Strafsenat hat bei der geplanten Zahlungskartenfälschung unter Verwendung mittels „Skimming“ erlangter Kartendaten die Übermittlung der gewonnenen, aber noch nicht ausgewerteten Daten an die für die Herstellung der Dubletten zuständigen Mittäter im Ausland als unmittelbares Ansetzen aus-reichen lassen (BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 338/10, NStZ 2011, 517 f. Rn. 8). Dabei hat er maßgeblich auf das – für den konkreten Fall festge-stellte – eingespielte System von Tatbeiträgen abgestellt, innerhalb dessen den für die Erstellung der Dubletten zuständigen Mittätern im Ausland die einzelnen Datenübersendungen jeweils avisiert wurden. Der die Übersendung veranlassende Angeklagte habe damit „gleichsam einen automatisierten Ablauf“ in Gang gesetzt, bei dem die Auswertung der Speichermedien durch Abgleich der Videoaufzeichnungen und der ausgelesenen Kartendaten als der Fälschung vorgelagerte Verhaltensweisen bei wertender Betrachtung keine dem Versuchsbeginn entgegen stehenden Zwischenschritte bedeuteten (BGH aaO, NStZ 2011, 517 f. Rn. 8).

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat dahinstehen lassen, ob dieser Rechtsprechung zu folgen wäre (BGH, Beschluss vom 15. März 2011 – 3 StR 15/11, wistra 2011, 299, 300 Rn. 6). Der 2. Strafsenat nimmt ein unmittelbares Ansetzen zum Nachmachen von Zahlungskarten mit Garantiefunktion „erst dann“ an, wenn der „Täter vorsätzlich und in der tatbestandsmäßigen Absicht mit der Fälschungshandlung selbst beginnt“ (BGH, Beschluss vom 11. August 2011 – 2 StR 91/11, NStZ-RR 2011, 367, 368).

Der 1. Strafsenat konnte es dann aufgrund der getroffenen Feststellungen offen lassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein unmittelbares Ansetzen zum Nachmachen von Zahlungskarten mit Garantiefunktion vor dem Beginn der eigentlichen Fälschungshandlung den Versuchsbeginn begründen kann. Denn die ließen selbst unter Berücksichtigung der vom 4. Strafsenat vertretenen Rechtsauffassung die Annahme unmittelbaren Ansetzens jedenfalls nicht zu.

Skimming: Noch Vorbereitung oder schon Versuch?

Neue Techniken 🙂 führen zu neuen Problemen, wie die Rechtsprechung damit umgehen soll/kann. So auch beim sog. Skimming. Da spielt insbesondere die Abgrenzung „noch Vorbereitungshandlung/schon Versuch“ eine Rolle. Zu der Frage äußert sich dann noch einmal der BGH, Beschl. v. 15.03.2011 – 3 StR 15/11:

„a) Ein derartiges unmittelbares Ansetzen liegt nur bei solchen Handlungen vor, die nach der Vorstellung des Täters in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht, wobei auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. November 2007 – 5 StR 371/07, NStZ 2008, 409, 410).

b) Danach ist das Stadium des Versuchs des gewerbs- und bandenmäßigen Nachmachens von Zahlungskarten mit Garantiefunktion jedenfalls dann erreicht, wenn der Täter vorsätzlich und in der tatbestandsmäßigen Absicht mit der Fälschungshandlung selbst beginnt. Das bloße Anbringen einer Skimming-Apparatur an einem Geldautomaten in der Absicht, durch diese Daten zu erlangen, die später zur Herstellung von Kartendubletten verwendet werden sollen, stellt demgegenüber lediglich eine Vorbereitungshandlung zur Fälschung von Zahlungskarten dar (BGH, Urteil vom 13. Januar 2010 – 2 StR 439/09, NJW 2010, 623; Beschluss vom 14. September 2010 – 5 StR 336/10, NStZ 2011, 89; Urteil vom 17. Februar 2011 – 3 StR 419/10). Da die Angeklagten in den fraglichen Fällen durch das Skimming jeweils keine Daten erlangten, kann dahinstehen, ob ein Versuch des gewerbs- und bandenmäßigen Fälschens von Zahlungskarten auch dann zu bejahen ist, wenn der Täter im Rahmen des bandenmäßig eingespielten Systems die von ihm ausgespähten Daten innerhalb der Bandenstruktur zur baldigen Verwendung beim Herstellen falscher Zahlungskarten weitergibt (so BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 338/10).“

Der Wochenspiegel für die 12. KW, oder: Wir schauen auch mal über den Tellerrand in andere Blogs

Hier dann ein weiterer Wochenspiegel, jetzt zur KW 12.

  1. Das Skimmen nimmt zu. Darüber wird berichtet bei Anwalt bloggt. Passt ganz gut zu dem Beitrag in StRR 2010,  89 zu „Strafbarkeit des Skimming„.
  2. Kollege Ferner berichtet unter der Überschrift: „OLG Köln zum ungebührlichen Benehmen von Anwälten vor Gericht“ über einen Beschluss des OLG Köln zur Ungebühr, allerdings: Es geht um eine angeklagte Rechtsanwältin, nicht allgemein um ungebührliches Verhalten von Rechtsanwälten vor Gericht.
  3. Natürlich war das Thema Kachelmann Top 1: Wer noch nicht genug davon hat, kann hier einiges nachlesen: Bei der Rechtsanwäldin,  oder Kachelmann – Haftprüfung gelaufen,
  4. Ein Dauerbrenner ist „Kein Fahrverbot bei durch “Mitzieheffekt” verursachtem Rotlichtverstoss„.
  5. Kollege Hoenig berichtet über schließlich dann doch eingehaltene Zusagen einer Staatsanwältin.

Viel Spaß beim (Nach)Lesen.

Literaturtipp „Zur Strafbarkeit des Skimming“

Heute zwischendurch dann mal wieder ein Literaturtipp. Auf LexisNexis Strafrecht steht seit heute im frei zugänglichen Bereich, den es dort gibt, der Beitrag „Zur Strafbarkeit des Skimming“ von Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Günter Braun und Staatsanwalt Björn Heidberg, Drensteinfurt/Detmold aus StRR 2010, 89 online. Die dort angesprochenen und behandelten Fragen haben bzw. bekommen in der Praxis immer mehr Bedeutung. Von daher: Lesen und vielleicht kommt dabei dann ja Appetit auf mehr Beiträge aus dem StRR. Und, wer es nicht gemerkt hat: Das war jetzt Werbung :-).

danke für das „lesenswert“ (zugefügt anm 22.03.2010, 23.47 Uhr)