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Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen oder: Missbrauch der Tochter der Lebenspartnerin

entnommen openclipart.org

Ich hatte ja in dem Posting Gerichtssprache ist deutsch, oder: Der BGH und „Blow-Job“ oder „Doggy-Style“ zum BGH, Beschl. v. 23.01.2018 – 1 StR 625/17, angekündigt, dass ich auf die Entscheidung noch einmal zurückkomme. Das tue ich dann heute, und zwar wegen der Ausführungen des BGH zu  § 174 Abs. 1 Nr. 3 – Missbrauch von Schutzbefohlenen. Ich erinnere: Nach den Feststellungen des LG hatte der Angeklagte die vom LG festgestellten Taten zu Lasten der zum Tatzeitpunkt unter 18-jährigen Nebenklägerin begangen, bei der es sich um den leiblichen Abkömmling einer Person, alos Tochter, der Zeugin R., gehandelt hat, mit der der Angeklagte in einer „lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft“ gelebt hat. In dem Zusammenhang macht der BGH m.E. ganz interessante Ausführungen zur Auslegung dieses Merkmals:

Er verweist auf die Gesetzesentstehung und auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur „eheähnlichen Gemeinschaft“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. November 1992 – 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234, 264) und zur eingetragenen Lebenspartnerschaft (BVerfG, Beschlüsse vom 19. Juni 2012 – 2 BvR 1397/09, BVerfGE 131, 239, 261 und vom 7. Mai 2013 – 2 BvR 909/06 u.a., BVerfGE 133, 377, 413 f. Rn. 90) und auf die § 20 Satz 1 SGB XII und § 24b Abs. 3 Satz 3 EStG. Ergebnis:

e) Ausgehend von diesen Maßstäben weist die Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener ( 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB) in den Fällen B.II.3. und 4. der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler auf. Zu den beiden Tatzeitpunkten (einigen Wochen vor dem 23. August 2016 und etwa eine Woche vor dem genannten Tag) bestand zwischen der Mutter der geschädigten Nebenklägerin und dem Angeklagten noch eine „lebenspartnerschaftsähnliche Beziehung“.

aa) Nach den Feststellungen gingen die Zeugin R., die Mutter der Geschädigten, und der Angeklagte im Mai 2011 eine (auch intime) Beziehung ein. Kurze Zeit später zog er in die bis dahin allein von der Zeugin R. und ihrer Tochter bewohnte Wohnung ein. Nachdem der Angeklagte im Jahr 2012 seine Arbeitsstelle verloren hatte, kam die Zeugin allein für den Lebensunterhalt aller drei auf. Dem Angeklagten wurden von der Zeugin R. zwar keine Erziehungsaufgaben hinsichtlich der Geschädigten übertragen. Da er sich mit der Geschädigten aber gut verstand, zog ihn die Zeugin R. häufig als Vermittler bei nicht seltenen Differenzen zwischen ihr und ihrer Tochter hinzu.

Im Oktober 2015 kam es zunächst zu einer Trennung zwischen der Zeugin R. und dem Angeklagten. In der Folge bezog er einen Platz in einem Männerwohnheim. Diesen Platz behielt er auch bei, nachdem er sich mit der Zeugin wieder versöhnt hatte. In der Wohnung der Zeugin hielt er sich aber weiterhin an den Wochenenden auf. Er unterstützte sie bei den Wochenendeinkäufen und beim Haushalt, nahm die Mahlzeiten dort ein und übernachtete dort. Ausweislich der vom Landgericht rechtsfehlerfrei zugrunde gelegten Aussagen der Zeugin kam es bis zur endgültigen Trennung am 24. August 2016 weiterhin zu geschlechtlichen Kontakten zwischen ihr und dem Angeklagten. Wie sich zudem aus den Feststellungen zu der Tat B.II.5. der Urteilsgründe ergibt, band die Zeugin R. den Angeklagten auch nach dem Oktober 2015 weiterhin in die Lösung von Streitigkeiten zwischen ihr und ihrer Tochter ein.

bb) Diese Feststellungen belegen eine „lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft“ zwischen dem Angeklagten und der Zeugin R. nicht lediglich bis zu der vorübergehenden Trennung im Oktober 2015, sondern auch nach der Wiederaufnahme der Beziehung, die bis zum 24. August 2016 bestand.

Vor der genannten Trennung befanden sich beide nach den vom Landgericht zugrunde gelegten Lebensumständen in einer solchen Gemeinschaft. Diese drückt sich nicht nur in dem auf Dauer angelegten gemeinsamen Wohnen, sondern auch in der gemeinsamen tatsächlichen Führung des Haushalts und der vorhandenen geschlechtlichen Beziehung aus. Ersichtlich lag zudem eine gemeinsame Wirtschaftsführung vor, mag das Einkommen der Partnerschaft auch ganz überwiegend – der Angeklagte bezog lediglich Sozialhilfe in Höhe von 400 Euro monatlich (UA S. 8) – von der Zeugin erzielt worden sein. Das schließt angesichts entsprechender ökonomischer Verhältnisse auch in ehelichen und lebenspartnerschaftlichen Beziehungen eine Gemeinschaft im Sinne von § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht aus.

Nach der Versöhnung zwischen dem Angeklagten und der Zeugin R. ist eine solche Gemeinschaft jedenfalls erneut begründet worden. Dem steht nicht entgegen, dass die Lebensgemeinschaft lediglich noch an den Wochenenden ausgeübt wurde. Dabei bedarf keiner grundsätzlichen Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen ein lediglich zeitweiliges räumliches Zusammenleben der Annahme einer lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft entgegenstehen würde…….“