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Sexueller Missbrauch von Jugendlichen – nicht nur „einverständlich“

© Haramis Kalfar - Fotolia.com

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In dem dem BGH, Beschl. v. 24.07.2014 – 3 StR 286/14 – zugrunde liegenden Verfahren ging es auch um eine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach § 182 Abs. 3 StGB. Das LG hatte den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und tateinheitlich wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen gem. § 182 Abs. 3 StGB verurteilt, obwohl sich die Nebenklägerin gegen die sexuellen Übergriffe gewehrt hatte. Der 3. Strafsenat hat es nicht beanstandet, obwohl Fischer es in seinem Kommentar anders sieht.

„Ergänzend bemerkt der Senat:

Die tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen gemäß § 182 Abs. 3 StGB begegnet keinen Bedenken; insbesondere steht nicht entgegen, dass die Nebenklägerin sich gegen die sexuellen Übergriffe des Angeklagten sträubte und ihn mehrfach bat, damit aufzuhören.

Zwar wird in der Literatur und in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – allerdings nur in nicht tragenden Erwägungen – vereinzelt vertreten, nur einverständlich vorgenommene sexuelle Handlungen könnten den Tatbestand des § 182 Abs. 3 StGB erfüllen (Fischer, StGB, 61. Aufl., § 182 Rn. 11; BGH, Beschlüsse vom 18. April 2007 – 2 StR 589/06 und vom 20. Juli 2010 – 4 StR 304/10).

Dieser Auffassung vermag der Senat jedoch nicht zu folgen:
Eine solche einschränkende Auslegung ist nicht durch den Wortlaut der Vorschrift veranlasst, denn ein „Ausnutzen“ ist nicht nur dann gegeben, wenn der Jugendliche infolge seiner fehlenden Selbstbestimmungsfähigkeit keinen der sexuellen Handlung entgegenstehenden Willen entwickeln kann, sondern auch dann, wenn das jugendliche Opfer seinen noch unterentwickelten und deshalb nur bedingt vorhanden entgegenstehenden Willen nicht verwirklichen, etwa aufgrund der Dominanz des Täters bzw. eines bestehenden „Machtgefälles“ nicht durchsetzen kann (S/S-Eisele, StGB, 29. Aufl., § 182 Rn. 14; LK/Hörnle, StGB, 12. Aufl., § 182 Rn. 65; SSW-StGB/Wolters, 2. Aufl., § 182 Rn. 22); allein diese Auffassung entspricht im Übrigen derjenigen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 12/4584, S. 8).

Auch das „Überspielen“ bzw. die Missachtung des zwar gebildeten, aber infolge der Reifemängel nicht durchsetzbaren entgegenstehenden Willens des Opfers stellt eine in den Schutzbereich der Norm fallende Fremdbestimmung dar. Auch der Jugendliche, bei dem die nicht abgeschlossene Entwicklung der sexuellen Selbstbestimmungsfähigkeit dazu führt, dass er einen entgegenstehenden Willen nicht verwirklichen kann, erweist sich nicht als „eigenverantwortlich“ (vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. August 2013 – 3 StR 222/13, NStZ-RR 2014, 10, 11).