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Der Schulleiter, der die Abiturnoten anhebt, – strafbar?

entnommen wikimedia.org Urheber Photo: Andreas Praefcke

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Vom OLG Bamberg ist mir der OLG Bamberg, Beschl. v. 08.06. 2015 – 2 OLG 8 Ss 15/15 – übersandt worden, der einen sicherlich nicht alltäglichen Fall behandelt. Nämlich die eigenmächtige Anhebung von Abiturnoten durch den Schulleiter eines Gymnasiums. Der ist deswegen vom AG wegen Falschbeurkundung im Amt zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden, das LG hat auf die Berufung der Staatsanwaltschaft auf 90 Tagessätze erhöht, und das OLG Bamberg? Das OLG Bamberg hat im Beschl. v. 08.06.2015 frei gesprochen.

Da es sich um einen umfangreich(eren) Sachverhalt handelt, will ich den hier aus Platzgründen nicht einstellen. Das kann/soll/muss dem „Selbststudium“ im verlinkten Volltext überlassen bleiben. Das OLG kommt zu dem (rechtlichen) Ergebnis, dass es sich bei den von dem Angeklagten unterzeichneten Abiturzeugnissen zwar um öffentliche Urkunden, zu deren Aufnahme der Angeklagte befugt war, gehandelt hat. Der Angeklagte habe darin aber nicht rechtlich erhebliche Tatsachen falsch bekundet. Das LG habe die Reichweite des Wahrheitsschutzes im Tatbestand der Falschbeurkundung im Amt nach § 348 StGB verkannt.

Auch die rechtliche Begründung ist sehr umfangreich, so dass ich daraus Einzelheiten nicht einstellen will. Ich beschränke mich daher auf die Leitsätze, die wie folgt lauten:

  1. Bei der auch mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG gebotenen Umgrenzung des Anwendungsbereichs des § 348 StGB ist bei einer von einer Verwaltungsbehörde ausgestellten Urkunde ein strenger Maßstab für die Beurteilung der Frage anzulegen, ob den in ihr enthaltenen Tatsachen die gesteigerte Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde beizumessen ist. Eine Beweiswirkung für und gegen jedermann ist nur dann zu bejahen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass dies unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht (u.a. Anschluss an BGHSt 22, 201/203; BGHSt 42, 131 f.; BGH NStZ 2015, 278; OLG Bamberg NStZ-RR 2014,142 = OLGSt StGB § 271 Nr 4 und OLG Hamburg NStZ 2014, 95).
  2. Das als öffentliche Urkunde i.S.v. §§ 415, 417 ZPO anzusehende (bayerische) Abiturzeugnis beweist zu öffentlichem Glauben, dass der Zeugnisinhaber an der Abiturprüfung teilgenommen hat, die im Einzelnen ausgewiesenen Prüfungsleistungen vorgelegen haben, die angegebenen Noten erteilt worden sind und dem Zeugnisinhaber auf dieser Grundlage nach Bestehen der Abiturprüfung die allgemeine Hochschulreife zuerkannt worden ist. Der öffentliche Glaube der Urkunde im Sinne einer vollen Beweiskraft für und gegen jedermann erstreckt sich indes nicht darauf, dass die im Abiturzeugnis im Einzelnen ausgewiesenen Prüfungsleistungen ordnungsgemäß erbracht und bewertet worden sind. Insbesondere entfaltet das Abiturzeugnis keine besondere Beweiskraft hinsichtlich der Einhaltung der maßgeblichen prüfungsrechtlichen Verfahrensvorschriften.
  3. Hebt der Schulleiter, der gleichzeitig Vorsitzender des Prüfungsausschusses ist, in einem Abiturprüfungsfach die Noten der schriftlichen Prüfungsarbeiten der Prüfungsteilnehmer, welche in dem von ihm auszustellenden Abiturzeugnis gesondert ausgewiesen sind, unter Verstoß gegen die Zuständigkeitsvorschriften des bayerischen Schulrechts und gegen allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe eigenmächtig um einen Punkt an, so erfüllt er den Tatbestand der Falschbeurkundung im Amt nicht. Ob eine Falschbeurkundung dann vorliegt, wenn von der verwaltungsrechtlichen Nichtigkeit der erteilten Noten auszugehen ist, bleibt offen.“