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Schriftwechsel in Haftsachen bitte nicht mit der Schneckenpost

Ich hatte ja gerade über den Beschl. des OLG Düsseldorf v. 22.05.2010 – III-3 Ws 175/10 zur Umdeutung des Untersuchungshaftbefehls berichtet, vgl. hier. Interessant an dem Beschluss ist auch der Hinweis am Ende:

Zur Sachbehandlung durch die Staatsanwaltschaft bemerkt der Senat, dass es angezeigt gewesen wäre, den Schriftsatz des Verteidigers vom 29. März 2010, durch den die Beschwerde richtigerweise nunmehr gegen die Haftentscheidung vom 16. März 2010 gerichtet wurde, per Telefax an die Generalstaatsanwaltschaft weiterzuleiten. Das Landgericht hatte diesen Schriftsatz am 30. März 2010 per Telefax an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Dort wurde der Schriftsatz zwar am 31. März 2010 mit einem Anschreiben versehen, das rot unterstrichen den Vermerk „“Eilt sehr!““ trägt. Die Übermittlung an die Generalstaatsanwaltschaft erfolgte indes auf dem Behördenpostweg und dauerte bis zum 8. April 2010. Bereits am 7. April 2010 hatte der Senat die gegen den Haftbefehl vom 19. Februar 2010 gerichtete Beschwerde als unzulässig verworfen. Es ist nicht akzeptabel, dass eine doppelte Aktenvorlage und Beschlussfassung erfolgen muss, weil die Staatsanwaltschaft in einer eilbedürftigen Sache von der sich aufdrängenden Telefaxübermittlung abgesehen hat.“

Also: Wir sind im 21. Jahrundert angekommen, dann sollten wir auch die technischen Errungenschaften der letzten Jahre benutzen.

BVerfG beschränkt Postverkehr, oder: Verteidiger aufgepasst, was du mit in die U-Haft nimmst.

In Rechtsprechung und Literatur war bislang umstritten, welche Schriftstücke vom Verteidigerprivileg des § 148 StPO erfasst werden. Sind es nur die, die unmittelbar die Verteidigung betreffen, oder auch diejenigen, die mittelbar für die Verteidigung von Bedeutung sind, also z.B. erkennen lassen, dass sich der Beschuldigte um die Aufnahme eines Darlehens für die Stellung einer Kaution bemüht usw.? Die Rechtsprechung hat die engere Auffassung vertreten, die Literatur vertrat überwiegend die weitergehende Ansicht.

Hier hat nun das BVerfG entschieden und sich in seinem Beschluss vom 13.10.2009 – 2 BvR 256/09 der engeren Auffassung der Rechtsprechung angeschlossen. Die weitere Auffassung würde dem Beschuldigten einen nahezu unkontrollierten Schriftverkehr ermöglichen und in Konflikt mit § 119 Abs. 3 StPO geraten. Für den Verteidiger, der diese Entscheidung nicht beachtet, droht also jetzt immer § 115 StGB OWiG  (geändert am 25.11.2009). Und: Er wird seinen Mandanten darüber belehren müssen, „dass im Bereich der eigentlichen Strafverteidigung eine Kommunikation weitgehend unabhängig von der Postkontrolle möglich, dies jedoch im weiteren Tätigkeitsbereich des Rechtsanwalts – etwa einer familiengerichtlichen Auseinandersetzung wie hier – ausgeschlossen ist“. Das BVerfG sieht darin einen Baustein für den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses.

Na ja, das kann man m.E. mit guten Gründen anders sehen. Alles in allem eine Entscheidung, die die Verteidigung (mal wieder) beschränkt. Denn jetzt lässt sich aus anderem Schriftverkehr, der offen gelegt werden muss, z.B. in Haftsachen ohne weiteres erkennen, ob nicht ggf. doch Haftgründe vorliegen (Trennung von der Ehefrau usw.?).

U-Haft: Roman schreiben nicht erlaubt, oder: In der Kürze liegt die Würze

Was/wieviel muss der Richter im Rahmen der Briefkontrolle lesen? Mit der Frage beschätigt sich jetzt ein Beschluss des OLG Celle vom 14.08.2009 – 1 ws 404/09. Der U-Haft-Gefangene hatte ein Schriftstück von 217 Seiten unter dem Titel „Kriminal-Familiendramatik pur auf 217 Seiten“ versenden wollen. Das ist nicht genehmigt worden. Begründung: Es handelt sich um einen Roman und nicht um einen Gedankenaustausch zur Aufrechterhaltung von Beziehungen. Erlaubt worden bzw. als zulässig angesehen worden ist aber ein Schriftwechsel im Ausmaß von zehn Seiten pro Tag. Dessen Kontrolle sei noch mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich. Sorry, aber irgendwie kann ich es nachvollziehen. 217 Seiten sind wirklich ein „Roman“. Und: In der Kürze liegt die Würze.