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Schlagloch – Haftet die Gemeinde, wenn ein (behinderter) Fahrradfahrer stürzt?

FahrradfahrerDie Fallgestaltung, die dem OLG Hamm, Urt. v. 23.07.2014 – 11 U 107/13 – zugrunde lag, wird uns in den Zeiten leerer Kassen und des darauf teilweise beruhenden schlechten Zustandes der Straßen in Zukunft vielleicht häufiger beschäftigen. Es ging nämlich um die Haftung des Trägers der Straßenbaulast für die Verletzungen, die sich ein Radfahrer nachts bei einem Fahrradsturz zugezogen hatte. Besonderheit allerdings: Der Fahrradfahrer war wohl behindert. Er hatte nachts mit seinem Fahrrad eine Straße befahren, die an einer ca. 2 m breiten Stelle im Asphalt im Randbereich zwei bis zu 5 cm tiefe Schlaglöcher und zudem Netzrisse aufwies. Der Kläger stürzte , nach seinen Angaben, weil er mit seinem Fahrrad in ein Schlagloch geriet. Wegen seiner Verletzungen hat er vom zuständigen Straßenbaulastträger unter dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung Schadensersatz verlangt. Das LG hat eine Verkehrssicherungspflichtverletzung angenommen, weil die Straße im Unfallbereich für behinderte Fahrradfahrer nicht sicher zu befahren gewesen sei.

Das OLG hat das anders gesehen und die Klage abgewiesen: Die in § 9 Abs. 2 Satz 2 StrWG NRW geregelte Verpflichtung des Straßenbaulastträgers, die Belange von Menschen mit Behinderung und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung mit dem Ziel möglichst weitgehender Barrierefreiheit zu berücksichtigen, sei eine Planungsvorgabe. Aus ihr folge nicht, dass jede Straße, unabhängig von ihrer jeweiligen Bedeutung, auch für behinderte Personen sicher zu befahren sein müsse. Dermaßen weitreichende Sicherungsanforderungen könnten die Straßenbaulastträger bereits aus finanziellen Gründen nicht erfüllen. Der Umfang ihrer Verkehrssicherungspflicht bestimme sich – auch vor dem Hintergrund der genannten Regelung – vielmehr danach, was ein durchschnittlicher Benutzer der konkreten Verkehrsfläche vernünftiger Weise an Sicherheit erwarten dürfe. Gemessen daran hat das OLG eine Verkehrssicherungspflichtverletzung verneint. Die Straße habe im Unfallbereich keine für den Fahrradverkehr nicht beherrschbaren Gefahrenquellen aufgewiesen. Nach ihrer konkreten Verkehrsbedeutung der Straße sei auf einen durchschnittlichen Radfahrer abzustellen, der eine Straße unter Beachtung der gebotenen Eigensorgfalt befahre. Für einen solchen seien die Schadstellen der Oppelner Straße ohne weiteres zu bewältigen gewesen. Der überwiegende Teil der Fahrbahndecke habe sich in einem für einen umsichtigen Radfahrer befahrbaren Zustand befunden.

Leitsatz also:

„Aus der in § 9 Abs. 2 Satz 2 Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) geregelten Verpflichtung des Straßenbaulastträgers, die Belange von Menschen mit Behinderung und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung mit dem Ziel zu berücksichtigen, möglichst weitgehende Barrierefreiheit zu erreichen, folgt nicht, dass jede Straße, unabhängig von ihrer jeweiligen Bedeutung auch für behinderte Personen sicher zu befahren sein muss.“